Dushan-Wegner

14.02.2022

Siehst du nicht, dass ich esse?

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Foto von Raimond Klavins
In Berlin wird (u.a. von verdienten Rädchen des Propagandastaates) ein Präsident gewählt, der nach mancher Meinung für Spaltung und Unfrieden steht. Sogar wer dessen Wahl falsch findet, regt sich nicht mehr auf. Man hat sich abgefunden.
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Es war der 11. Dezember 1976, da traten Frank Sinatra und Don Rickles zusammen bei Johnny Carson auf. Es war eine Sternstunde des tiefgründigen Wahnsinns, die heute wohl schier unvorstellbar wäre – schauen Sie es unbedingt bei YouTube an!

Nachdem Don Rickles seine in gleich mehreren Dimensionen »unmöglichen« Witze vorführte, erzählt wiederum Sinatra eine bemerkenswerte Story über Rickles, von der es keine Rolle spielt, ob sie wahr ist, den in ihr ist Wahrheit.

Einmal, so erzählt Sinatra (ab 00:04:00), aß er in einem Restaurant, als sich auch Rickles im selben Etablissement befand, in Gesellschaft einer Dame.

Ich übersetze mal aus dem Englischen, frei und ungefähr: Sinatra saß mit ein paar Freunden an seinem Tisch, da kam Rickles zu ihm herüber, und er fragte Sinatra: »Würdest du mir einen Gefallen tun? Ich bin hier mit einer sehr attraktiven Dame, und ich versuche, sie zu beeindrucken, und sie glaubt mir nicht, dass ich dich kenne. Würdest du also herüberkommen und Hallo sagen?«

Sinatra willigte ein, er hatte ohnehin sein Essen beendet und war beim letzten Espresso angelangt. Nachdem Rickles zurückgegangen war, stand Sinatra auf und ging an Rickles´ Tisch vorbei.

Sinatra rief: »Wie geht’s dir, Don? Schön, dich zu sehen!«

Rickles aber, so berichtet Sinatra, blaffte ihn an: »Siehst du nicht, dass ich esse, Frank? Kann man nicht einmal…«

– An dieser Stelle lacht das Publikum der Johnny-Carson-Show laut. Ja, genau so kann man sich Don Rickles vorstellen. Nur wenige riskierten so viel für eine Pointe wie er. Nicht nur überlebte er die Folgen seiner gespielten Derbheit weitgehend, man liebte ihn auch noch dafür – und wie!

Woran es vermutlich liegt, dass Don Rickles geliebt wurde, darüber will ich gern bald sinnieren, doch wo wir von Derbheit reden, lassen Sie uns zunächst schnell die Nachrichten des Tages streifen!

Wirklich, wirklich gern

Teils wirkt es wie derbe Unverschämtheit, teils ist es wohl die unverschämte (und wohl auch in der Sache richtige) Zuversicht, dass die meisten Bürger viel zu abgelenkt/ müde/ illusionslos sind, um sich überhaupt noch aufzuregen – »was soll es denn bringen?«

Ein Virus ist ein denkbar kleines Wesen – eigentlich ja kein »Wesen«, sondern mehr so eine »böse Informationseinheit« – doch im Schatten eines Virus lässt sich erstaunlich vieles andere verstecken!

Die Regierung könnte aktuell »verstecken« wollen, dass die Zahl der illegal einreisenden und daraufhin versorgten Mitmenschen aus anderen Weltteilen derzeit wieder deutlich steigt (welt.de, 12.2.2022: »Bundesländer bauen wegen starker Zuwanderung ihre Asyl-Kapazitäten aus«). – Es ist einfacher, samt Familie nach Deutschland und ins deutsche Sozialsystem zu gelangen, als mancherorts ohne Impfausweis in den Baumarkt. Solche Dämlichkeit traue ich sogar der wohl irgendwo zwischen kurioser Abgedrehtheit und Zynismus zu verrottenden Scholz-Truppe nicht zu – doch müsste ich dann nicht von Vorsatz ausgehen?

Am Wochenende wurde im politischen Berlin die regelmäßige Zeig-dem-Bürger-den-Stinkefinger-Party gehalten, in welcher man den Bürger spüren lässt, wie wenig man von ihm hält. Ich weiß nicht sicher, warum Parteien ausgerechnet zur Wahl des Bundespräsidenten sich von Clowns, Sportlern und besonders verdienten Rädchen des Propagandastaates vertreten lassen (siehe etwa fr.de, 13.2.2022: »Diese Prominenten wählen den Bundespräsidenten«), doch das Zeichen, das sie setzen, ist unzweideutig: Es ist alles nicht ernst zu nehmen, man kann gleich Clowns dafür abstellen, und wer es ernst nimmt, der ist tatsächlich ein Clown, und das nicht bloß wie diese Leute, die für viel Propagandageld das Clownsein nur spielen.

Ja, im Schatten des Virus lässt sich wahrlich so manches verstecken. Frau Baerbock, die aktuelle und traditionell peinliche Spitze des Auswärtigen Amtes holt aktuell eine ehemalige Greenpeace-Chefin in eben dieses Ministerium (n-tv.de, 9.2.2022). (Zu der Rolle von Greenpeace im Propagandastaat siehe etwa den Essay vom 16.6.2021.)

Ich vermisse mit Ernst und Schmerzen die Zeit, als Politiker noch versuchten, Anstand und demokratische Werte zumindest zu simulieren. Einst traten Politiker wegen Angelegenheiten zurück, für welche sie doch von heutigen Journalisten gefeiert würden. Sagen wir es einmal so: Der politisch-mediale Komplex hat andere Wichtigkeiten als ich.

Zur Eröffnung der Bundesversammlung, dieser merkwürdigen Wahl mit einem vorab feststehenden Ergebnis, wird die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zitiert, sie habe zu einem respektvollen Umgang mit Andersdenkenden aufgerufen (so etwa spiegel.de, 13.2.2022). Tatsächlich kommt »Andersdenkende« in ihrer Rede nicht vor (siehe etwa rp-online.de, 13.2.2022), es klingt etwas verklausulierter: »Die Mehrheit hat nicht automatisch Recht – die Minderheit aber auch nicht. Alle müssen sich bewegen, aufeinander zugehen. Wer Gegenpositionen einfach abtut, macht es sich zu leicht. Niemand ist im Besitz der einzig richtigen Lösung.«

Ich möchte Frau Bas wirklich, wirklich gern glauben, dass sie selbst glaubt, was vermutlich ihre wissenschaftlichen Hilfskräfte ihr ins Redemanuskript schrieben. Jedoch, uns allen klingt jenes geflügelte Goethe-Wort: »Die Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube« (bei zeno.org nachlesen). – Ach, wenn ich mich nicht mehr so wirklich aufzuregen vermag, dann muss ich mich doch auch nicht zwingen, aus einzelnen wohlfeilen Worten neue Hoffnung zu zimmern.

Das persönliche ›Hallo‹

Zurück zu klügeren Zeiten: Don Rickles wurde geliebt, weil sein ultra derber Humor eine tiefe Menschlichkeit durchscheinen ließ. Seine Derbheit war wie ein Brecheisen, das Verkrustungen und den harten Lack antrainierter Höflichkeit aufbrach.

Die Frage war nicht, ob jene Begebenheit zwischen »Don« und »Frank« sich wirklich genau so zugetragen hatte. Dass sie exakt so vorstellbar war, das war Wahrheit genug – und dazu trug sie noch eine weitere Wahrheit in sich, eine denkbar tiefe Wahrheit.

Rickles wurde dereinst von Carson mit dem Spitznamen »Mister Warmth« versehen – also: »Mister Wärme«! – was nur auf den ersten Blick schräg erscheint, da doch dessen öffentliche Persona zuerst darin zu bestehen scheint, dass er die Menschen um sich herum anpöbelt.

Wenn Frank Sinatra von der Derbheit im Restaurant erzählt, sind wir natürlich zuerst über Rickles´ Frechheit gegenüber Sinatra amüsiert. Ha, nur Don könnte es wagen, so hörte man es munkeln, Sinatra so derb auf den Arm zu nehmen, ohne dessen berüchtigte Entourage zu fürchten.

Don Rickles riskierte es – mindestens im Witz – einen der wichtigsten Künstler aller Zeiten unverschämt anzuraunzen, nur um die eigene weibliche Begleitung spüren zu lassen, wie wichtig einem dieses Rendezvous mit ihr ist.

In diesem riskanten Scherz mit atemraubend hohem Einsatz ist eine so tiefe, wie auch wichtige und schöne Weisheit enthalten: Nichts ist wichtiger, als seine Wichtigkeiten richtig sortiert zu haben – und der Moment mit der Dame des Herzens muss doch wichtiger sein als das persönliche ›Hallo‹ eines Frank Sinatra!

›Nö, jetzt nicht‹

Ich bin versucht, mir vorzustellen, dass ich die Berliner Großkopferten extra an meinen Tisch bestellt hätte, nur um die ganze Bande zurechtzuweisen: »Lasst mich in Ruhe! Seht ihr nicht, dass ich hier esse?!« – Es ist ja nicht vollständig falsch: Wir rufen die Nachrichtenwebsites ja bald nur noch auf, um sie entnervt oder angeekelt wieder zu schließen.

Ja, ja, ich weiß: Bevor man die Website mit den Nachrichten des Tages schließt, sollte man sich einen Überblick verschafft haben, wie die Marschbefehle des Tages lauten. Trage ich heute eine Maske, und wenn ja, wo? Haben die Wissenschaftler womöglich entdeckt, dass nicht nur die ausgehende Atemluft gefährlich ist?

Ich glaube ja noch immer, dass so lange Hoffnung besteht, solange wir sinnvoll handeln können. Jedoch, eine Handlung ohne Aussicht auf Erfolg, ist sie überhaupt eine Handlung? Die erste sinnvolle Handlung muss heute doch darin bestehen, sich in Sicherheit zu bringen – und die eigene geistige Gesundheit ist doch das erste Gut, das vorm »großen Erdrutsch« zu schützen ist!

Ich lese die Nachrichten, und ich sehe die Filmchen – und ich schalte sie wieder aus. Was getan werden muss, das tue ich – und dann ist auch gut. Seht ihr nicht, dass ich esse?

Ich sage mir: Tue, was du tun musst – und dann wende dich den wirklich wichtigen Dingen zu.

Wenn Don Rickles keine Angst hatte, Frank Sinatra vor den Kopf zu stoßen, dann wird das politische Berlin damit klarkommen, wenn wir denen immer öfter mal ›nö, jetzt nicht‹ sagen, und sei es »nur«, indem wir klüger mit unserer Aufmerksamkeit haushalten.

Ich habe meine Wichtigkeiten, ihr Berliner Geschichtszwerge, und meine Wichtigkeiten sind wohl sehr andere als eure.

Seht ihr nicht, dass ich versuche, einen geraden Gedanken zu fassen?

Seht ihr nicht, dass ich schreibe?

Weiterschreiben, Wegner!

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