Dushan-Wegner

24.01.2018

Warum stören »unangemessene Vergleiche« immer nur beim politischen Gegner?

von Dushan Wegner, Lesezeit 3 Minuten, Foto: Cristina Gottardi (bearbeitet)
Grundübung in politischem Diskurs: Mit der einen Hand die Nazi-Keule schwingen – gleichzeitig mit der anderen Hand den moralischen Zeigefinger erheben und respektvolle Debatte fordern.
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Im Gesetzbuch politischer Rhetorik, das mir gerade nicht vorliegt (aber das es doch geben muss, so oft wie zitiert wird!), wo die Paragraphen abwechselnd mit »es verbietet sich« und »es gehört sich nicht« beginnen, darin findet sich mit Sicherheit auch eine Kategorie für Vergehen, die ausschließlich der politische Gegner begehen kann, niemals aber man selbst; deren bekannteste Vertreter sind 1. der Populismus, 2. der Wortbruch und 3. der unangemessene Vergleich.

Die Debattenlage zum unangemessenen Vergleich ist nicht immer übersichtlich, besonders was Rückgriffe auf Deutschlands dunkelste Zeit angeht.

Wir treffen einerseits auf Politiker, die besonnen mahnen, gegen Andersdenkende nicht immer gleich die »Nazi-Keule« herauszuholen, sondern »den politischen Gegner mit Respekt und Wertschätzung zu behandeln«, wie etwa Konstantin Kuhle von der FDP. (Der »politische Gegner« ist in dem konkreten Fall seine eigene Partei.)

In scharfem Kontrast zu solchen versöhnenden Tönen erleben wir leider auch Politiker, die sogar Richter, Rechtsanwälte und einen Ex-Oberstaatsanwalt als »die Nazis« beschimpfen, wie etwa Konstantin Kuhle von der FDP. (Der politische Gegner ist in dem Fall die AfD – sie waren beim Applaudieren nicht aufgestanden.)

Zum Vergleich

Sehen wir von solcher Unübersichtlichkeit einmal ab, gilt weiterhin: Wer etwas mit etwas anderem hinsichtlich eines Aspekts vergleicht, setzt die Verglichenen dadurch noch nicht gleich, erst recht nicht in allen Aspekten.

Wenn ich etwa einen TV-Clown mit einem Nazi zu vergleichen wagte, und dabei feststellte, dass beide die Schwachen zu verachten scheinen, darin aber doch nur die eigene Angst vor dem ihnen Fremden umlenken, so hätte ich dadurch den Clown nicht schon als einen der Nationalsozialisten bezeichnet, oder eben diese verharmlost als eine Bande von Spaßmachern, deren Schuld sich darauf beschränkte, das Beschimpfen der Opposition und die Verachtung gegenüber Abweichlern und Gestrauchelten als neue deutsche Satire zu verkaufen – ich hätte lediglich beschrieben, wenn ich überhaupt etwas beschrieben hätte, wie ein flüchtiger Beobachter zur Meinung gelangen könnte, dass jener und jene sich in mindestens einem Charaktermerkmal ähneln.

Zur Unterscheidung

Doch, Ähnlichkeiten festzustellen ist höchstens die Hälfte menschlicher Erkenntnisleistung. Auch die Unterschiede zwischen den Formeln der Welt auszumachen erweist sich immer wieder als nützlich. Was, etwa, ist der Unterschied zwischen Linken und dem »IS«?

Nun, die einen folgen einer Ideologie, die den Himmel verspricht aber regelmäßig die Hölle bringt. Sie haben eine gewisse Anziehungskraft auf suchende Seelen, doch ihnen zu entfliehen endet schon mal tödlich. Sie entledigen Frauen ihrer Weiblichkeit und reduzieren den Menschen auf eine Funktionseinheit, die ihrer Ideologie zu dienen hat. Eine ihrer ersten Maßnahmen ist regelmäßig die Etablierung von Denk- und Sprachregeln. Sie erlauben Kultur nur noch in den Schranken ihrer Ideologie. Schließlich und ganz wesentlich: Wer sich nicht ihrem politischen wie kulturellen Herrschaftsanspruch unterwerfen will, wird unterdrückt, verfolgt und marginalisiert bis zur Entmenschlichung.

Zur Aufheiterung

Da fällt mir ein Kinderscherz ein!

Frage: Was ist der Unterschied zwischen Ente?
Antwort: Sie hat zwei Beine, vor allem das linke.

Hahaha. Ein Witz über Vergleiche!

Zum Schluss

Ich will Ihnen sagen, warum ich gute Kunst liebe, vor allem abstrakte: Gebrauchskunst und Kitsch verspachteln bloß mit Ästhetik-Gips die Löcher unseres individuellen wie gesellschaftlichen Selbstbildes. Interessante Kunst unternimmt das Gegenteil: Interessante Kunst hängt einen Rahmen um das Loch in der Mauer – bildlich sprechend.

Wäre es nicht verpönt, seine eigene Kunst zu kommentieren, würde ich hier meine Hoffnung ausdrücken, eben einen Rahmen um unsere Angst vor Vergleichen gehängt zu haben.

Weiterschreiben, Wegner!

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