Dushan-Wegner

14.11.2017

Aber wer denkt an die Kinder?

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Bild von Tim Gouw
Es ist ein ethisches Problem, wenn Milliarden Euro für Menschen anderer Länder zur Verfügung stehen, aber die eigenen Schulen verrotten.
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Stellen Sie sich vor, Sie sind Vater oder Mutter, und erfahren, dass in den Herbstferien in der Schule Ihrer Kinder eine Decke einstürzte, weil das Gebäude so baufällig ist. Genau das ist an der Carlo-Schmid-Oberschule in Berlin-Spandau passiert. – Mit was für einem Gefühl schicken Sie Ihr Kind morgens in die Schule? Ist das »gerecht«?

Berichte über die desolaten Zustände an öffentlichen Schulen hört man seit Jahren aus ganz Deutschland. »Unterricht in Ruinen« und »Deutschland lässt seine Zukunft verrotten« titelte etwa die Zeit. (Historischer Kontext: Die beiden Artikel stammen aus 2015, also dem ersten Jahr von Merkels Welteinladung.)

Lebensvorbereitung

Die Schule hat die Aufgabe, die Jugendlichen auf das Leben vorzubereiten. Die erwähnte Schule hat eine gymnasiale Oberstufe. Wahrscheinlich werden einige Schüler studieren gehen. Andere werden eine Ausbildung anfangen.

Selbstverständlich hat die Wahl der Schule einen Einfluss auf die Chancen eines Kindes. Es macht einen Unterschied, ob den Kindern buchstäblich die Decke auf den Kopf fällt, oder ob man seine Kinder auf private oder sonstwie »bessere« Schulen schickt. (Manuela Schwesig (SPD): Privatschule, Andrea Ypsilanti (SPD): Privatgymnasium, Hannelore Kraft (SPD): zweisprachiges Gymnasium, et cetera.)

Kinder und Jugendliche, die in Deutschland auf staatliche Schulen gehen, haben vor allem in SPD-regierten Ländern deutlich schlechtere Voraussetzungen für den Start in ihr Leben. (Extra brutal wird es, wenn die Grünen mit eine Rolle spielen, siehe NRW bis 2016 oder Entwicklung in Baden-Württemberg.)

Freunde, der Kontext!

Die Talfahrt des deutschen Bildungsniveaus hat ja einen Kontext. Es geht auch immer um Geld. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden, auch ein Schulden-Euro.

Im Jahr 2016 hat die Bundesregierung etwa 21,6 Milliarden Euro für »Flüchtlinge« ausgegeben. (Randnotiz: Man muss nur noch schmunzeln über den Propaganda-Satz »Ökonomen verweisen auf die positiven Konjunktureffekte der Ausgaben« gleich im Intro des verlinkten Tagesschau-Artikels.)

Ignorieren wir für einen Augenblick die Bildungsföderalismus-Pseudogründe und machen eine simple Rechnung auf:

  • 21.700.000.000€ – Bundesausgaben für »Flüchtlinge« in 2016 (tagesschau.de)
  • 10.977.905 – Zahl der Schüler im Schuljahr 2015/2016 (destatis.de)
  • 1976,70€ – 21.700.000.000€ geteilt durch 10.977.905 Schüler.

Mathematisch gesehen kommen auf jedes Schulkind 2000 Euro, welche die Regierung für »Flüchtlinge« ausgegeben hat – und da haben wir alle Kinder in allen Schulen in Deutschland einberechnet, also auch etwa in Bayern, wo es den Kindern deutlich besser geht. Fragen Sie einen Schulleiter, wie viel er mit 2.000 Euro jährlich pro Kind zusätzlich erreichen könnte! (Zum Vergleich: 2017 wurde via Nachtragshaushalt beschlossen, 3,5 Milliarden extra für Sanierung von Schulen auszugeben.) Lokale Politiker ächzen: Der Bund beschließt, was die Kommune leisten soll, die Zuschüsse vom Bund decken aber bei weitem nicht den Bedarf.

Was bedeutet das?

Linke bügeln diese Vergleiche mit dem Standardspruch ab, man würde so »Gruppen gegeneinander ausspielen«, »den Rechten neue Argumente liefern« oder schlicht »Hetze treiben«. (Oder sie wechseln das Thema und tun, als würde das inzwischen aufgeweichte »Kooperationsverbot« überhaupt erst zur Krise vor Ort führen. Damit aber geben sie praktisch zu, dass es ein ethisches Problem ist – unabhängig davon, ob sie Recht damit haben.) – Auf eine gewisse Weise sollten wir sie für solche unsachlichen Beschimpfungen und das Ausweichen sogar loben: Dass sie unflätig oder ausweichend werden, zeigt, dass sie einen Rest von Scham besitzen. (Merkel etwa hat keine politische Scham mehr. Zitat: »Ist mir egal, ob ich Schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin…« – das ist Politik ohne Scham- und Obergrenze.)

Dieses mathematische Verhältnis existiert, ob Gutmenschen es niederschreien wollen oder nicht.

Die Probleme an Deutschlands Schulen gibt es nicht erst seit gestern, doch sie interessieren die Politik immer nur im Wahlkampf.

Wenn nun für »Flüchtlinge« das Füllhorn aufgemacht wird, man aber für die sehr wohl bekannten Missstände an Deutschlands Schulen immer Gründe zum Knausern fand, was sagt das über die Prioritäten der Regierung aus?

Fragen wir es ganz zart: Wenn ich für eine Sache Geld ausgebe, für eine andere aber nicht, was sagt es darüber aus, was mir wichtig ist?

Viele Bürger sind zu eingeschüchtert, um die einfache Wahrheit auszusprechen. Tun wir es hier dennoch:

Das Wohl der Migrationswilligen scheint der Merkel-Regierung wichtiger als die Lebenschancen deutscher Schüler.

Dieser Satz ist hart, kein Zweifel. Die empfundene »Härte« eines Satzes allein macht ihn aber noch nicht falsch. Viel Leid im Leben entsteht dadurch, dass Menschen eine Wahrheit zu verdrängen suchen, weil sie »hart« ist, bis sie irgendwann eben nicht mehr verdrängt werden kann – und es längst zu spät ist.

Das ethische Problem

Wie will Deutschland in der Welt ernst genommen werden, wenn es fremde Menschen mit höherer Priorität behandelt als die eigenen Kinder? Gibt es ein anderes Land, das es so treibt, und nicht auf dem Weg zum »failed state« ist?

Früher hieß es: Schusters Kinder tragen die schlechtesten Schuhe. Bald heißt es: Die Dichter und Denker haben die schlechtesten Schulen.

In Deutschlands Schulen wird de facto den Schülern und Eltern gesagt: »Wir geben euch nicht die Mittel, die ihr braucht, um weltweit mitzuhalten; die Menschen anderer Länder sind uns gerade wichtiger.«

Es ist hart, was wir hier formulieren – aber ist es falsch?

Kleine Schritte in die richtige Richtung

Man könnte zum Zyniker werden: Jetzt, wo der Migrantenanteil in Schulen steigt, und der Anteil deutscher Schüler in manchen Klassen gegen Null geht, wird es bestimmt auch wieder neues Geld für Schulen geben! (Ist die Annahme wirklich nur zynisch?)

Zynismus mag den Schmerz im Moment erleichtern, löst das Problem aber nicht.

Man könnte »die da oben« beschimpfen: Politiker, die andere Länder und Völker in der Wichtigkeit dem eigenen Land und Volk gleichsetzen oder sogar bevorzugen, sollen gefälligst dafür sorgen, auch von diesen bezahlt zu werden!

Politiker-Beschimpfung mag wohltuend und verdient sein, doch auch sie allein bringt uns nicht weiter.

Ich glaube daran, dass viele kleine Schritte in die richtige Richtung am Ende nützlicher sind als ein Sprint in die falsche – und besser als nur großen Lärm zu machen, während man sich im Kreis dreht, ist es sowieso.

Veränderung zum Besseren beginnt immer bei uns selbst, auch wenn zu 100% »die da oben« die Schuld an einem Missstand tragen. Der erste Schritt muss sein, zu wissen und auszusprechen, was einem selbst wirklich wichtig ist.

Wir sollten uns nicht verwirren lassen. Es ist auch im ethischen Sinne »richtig«, sich bewusst zu werden und ohne Scham zu sagen: Ja, selbstverständlich sind mir meine Kinder wichtiger als andere Leute.

Stellen Sie sich vor, ein Mann hätte sich in die Nachbarin verliebt und würde ihr die Wohnung renovieren, während es im Zimmer seiner eigenen Kinder durch die Decke tropft. Das Jugendamt würde ihm die Kinder wegnehmen. [Anmerkung eines Lesers: »Eher nicht. In der Realität sind Jugendämter derzeit damit ausgelastet, sich um Flüchtlingskinder zu kümmern. Eine tropfende Decke würde höchstens einen kritischen Blick ernten.«]

Die Bildungspolitik in manchen Teilen Deutschlands ist eigentlich ein Fall fürs Jugendamt. Es ist höchste Zeit, dieser Politik die Kinder »wegzunehmen« und selbstbewusst eine andere Politik zu fordern, eine Politik, die ihre Prioritäten in Ordnung gebracht hat.

Weiterschreiben, Wegner!

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