25.05.2019

»Die Geschichte wird Merkel recht geben«, sagt Juncker – wie das, wenn die Gegenwart sie Lügen straft?

von Dushan Wegner, Lesezeit 8 Minuten, Bild von Guillaume de Germain
»Die Geschichte wird Merkel recht geben«, sagt Juncker – wie soll das gehen, wenn die Gegenwart sie Lügen straft?! Was Juncker sagt, ist so schräg und arrogant, dass man sich fragen könnte, ob er uns heimlich zu warnen versucht.
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»Die Geschichte wird mir recht geben«, so versprach der nicaraguanische Diktator Anastasio Somoza (Der Spiegel, 30/1979). – Dass es »die Geschichte« sein würde, die über einen urteilen würde, das sagte auch immer wieder ein deutscher Kanzler, dessen Namen man nicht immerzu nennen sollte. – Tony Blair verteidigte die Beteiligung an dem auf Lügen basierten Irakkrieg mit den bekannten Worten »history will judge me right« (TAZ, 27.3.2003). – »Die Geschichte wird mich freisprechen«, so verteidigte sich auch der Diktator Fidel Castro (Hinrichtung von Kritikern, Bespitzelung und Verurteilung ohne Gerichtsverfahren).

Sie lieben ihre eigenen Länder

Ich weiß nicht, ob es an seiner Ischias-Erkrankung liegt oder an der geheimnisvollen Kraft, die er durchs Küssen von Männerglatzen und Verwuscheln von Damenhaar erlangt, aber etwas Magisches bewegt den EU-Juncker derzeit, extra wahrhaftige Einblicke in sein für Demokraten gelegentlich furchterregendes Innenleben zu geben, so etwa im Interview mit dem Anti-Trump-Sender CNN.

Wenn CNN behauptet, an meiner Hand seien vier Finger und ein Daumen, zähle ich lieber nochmal nach – ich bin generell vorsichtig, wenn CNN etwas sagt – doch sie haben ein Video beigelegt und keiner hat widersprochen, also gehe ich davon aus, dass folgende Meldung weitgehend stimmt.

Herr Juncker gab ein Interview (sitzend), und darin sagte er:

Diese Populisten, Nationalisten, dummen Nationalisten, sie lieben ihre eigenen Länder, und sie mögen die anderen nicht. (Jean-Claude Juncker, cnn.com, 22.5.2019)

Es ist nicht das erste Mal, dass der Ischiaskranke mehr Wahrheit sagte, als man Ihnen in den Abendnachrichten berichten wird (wir denken etwa an sein Zitat von der EU, die Dinge beschließt, so dass »die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde«, »Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt«, Der Spiegel 52/1999).

Nicht nur ironisch

Herr Juncker gehört zu jenen Politikern, die wörtlich zu zitieren einem bereits den Vorwurf der »Verschwörungstheorie« einbringen kann – auch das ist ein Zeichen der Zeit.

Was vor kurzem noch als »Verschwörungstheorie« niedergebrüllt wurde – bemerkenswert etwa der geifernde Auftritt des FDP-Brachialpopulisten Lambsdorff (siehe »Migrationspakt: Im Bundestag fallen die letzten Masken«) – was vor kurzem nur in freien Blogs und Medien erschien (siehe »Das eigentliche Problem am UN-Migrationspakt«), wird plötzlich ganz offen festgestellt und gesagt (vergleiche etwa welt.de, 20.5.2019: »UN-Migrationspakt und Medien – Wenn Gesinnungsethik die sachliche Aufklärung verhindert«), aber auch dann stört es die Masse nicht mehr, denn es ist beschlossen und vollbracht, und das Brennglas öffentlicher Aufmerksamkeit ist auf Anderes gerichtet.

Es ist nicht nur ironisch-polemisch gemeint, wenn ich mich frage, ob Juncker an diesem Punkt uns alle zu warnen versucht.

Wenn die öffentliche Beleidigung aller Menschen, die ihr Land lieben, die der EU unterworfenen Völker nicht zum Aufbegehren bewegen wird, was dann?

Junckers doppelte Lüge, wonach sein Land zu lieben unanständig sei, und wonach sein Land zu lieben bedeuten müsse, andere zu hassen, diese doppelte Falschwahrheit erfüllt alles, was es braucht, damit Juncker sich dereinst rechtfertigen kann, indem er dann sagt: »Ich habe versucht, euch durch krasse Zuspitzung zu warnen, alles andere wäre mir gefährlich geworden, doch ihr habt es nicht sehen wollen – was sonst sollte ich noch tun?«

Mit der Wasserpistole

Treiben wir doch die (leicht absurde, aber interessante) Hypothese weiter, wonach Juncker die Welt durch die sprichwörtliche Blume, also indirekt zu warnen versucht.

Im Interview mit der BILD-Zeitung sagte Juncker:

Angela Merkel hat im Herbst 2015 richtig gehandelt, die Geschichte wird ihr recht geben. Hätte sie die deutschen Grenzen geschlossen, wären Österreich und Ungarn unter der Last der Flüchtlinge zusammengebrochen. Das ist die Wahrheit. (welt.de, 24.5.2019)

Hat Juncker wirklich keine Ahnung von den Zitaten anderer Politiker – oder stellt er in der Formulierung »die Geschichte wird ihr recht geben« Merkel absichtlich in die Tradition von Fidel Castro und anderen Diktatoren, welche Leid über ihr Land brachten und es mit denselben Worten zu rechtfertigen suchten?

Wenn ich Ihnen sage, dass »2+2=4« ist, dann muss ich nicht hinterherschieben, dass das »die Wahrheit sei« – warum dann schiebt Juncker es hinterher? Sagen wir mal so: Wenn mein kleiner Sohn mir explizit versichert, es sei die Wahrheit, dass er seine Schwester nicht mit der Wasserpistole nassgemacht habe, dann würde ich meinen kleinen Finger dafür nicht ins Feuer legen, geschweige denn meine Hand.

»Die Geschichte wird Merkel recht geben«, sagt Juncker – Wie soll das gehen, wenn die Gegenwart sie Lügen straft? Spätestens wenn die deutsche Regierung die in Deutschland lebenden Juden davor warnt, öffentlich Kippa zu tragen (welt.de, 25.5.2019), spätestens dann wird »Wir schaffen das!« und damit Merkels Amtszeit zu einer der übelsten politischen Lügen der letzten Jahrzehnte – was war es, dass Merkel und ihre Schemelhalter »schaffen« wollten?! Das?!!

Entweder Juncker ist es inzwischen reichlich egal, was er sagt und wie es wirkt – oder Junckers Ischiasnerv versucht verzweifelt, der Welt mitzuteilen, was wirklich im EU-Reich passiert. – Gibt es weitere logische Möglichkeiten? Gewiss gibt es sie – doch das Ergebnis ist stets ähnlich.

Dereinst im Paradies

Es tut mir fast leid, dass Herr Juncker als »EU-Chef« abtreten wird. Juncker will den Lauf der Welten steuern, und kann nichtmal seinen jeweils nächsten Schritt sicher lenken – Juncker war die perfekte EU-Metapher.

Es ist ein bewährter Trick diverser Religionen, die Begründung ihrer Autorität in eine ferne, per Definition nicht zu überprüfende Zukunft zu verlegen – der Fachbegriff ist »Eschatologie«. Gehorche der Kirche, damit es dir nach dem Tod gut geht. Füge dich in deine Kaste ein, damit du im nächsten Leben nicht als Wurm wiedergeboren wirst. Opfere dich im Krieg für die politischen Ziele deiner korrupten Herrscher, damit du dereinst im Paradies verwöhnt werden wirst.

»Hütet euch vor Leuten, die den Planeten ordnen wollen«, so mahnte ich letztens, man könnte einen ähnlichen Gedanken auch etwas länger formulieren: »Hütet euch vor Herrschern, die das Leid und Unrecht, das sie heute über die Menschen bringen, mit der zukünftigen Geschichte rechtfertigen.«

Vergessen wollen, nicht können

Letztens fragte ich: »Ist die EU ein Kult oder ein Vertrag?« – Es ist bezeichnend, dass der EU-Chef die gegenwartsfeindliche Argumentation eines Möchtegern-Sektengurus übernimmt: Jetzt hat Merkel viel Leid über Deutschland gebracht, doch die Geschichte wird ihr Recht geben. (Wer ist das, diese »Geschichte«, welche das Leid und den Verlust der Heimat rechtfertigt?)

Man könnte zynisch fragen, ob man diesen Juncker-Spruch auf die Gräber der Opfer vom Breitscheidplatz meißeln sollte, ob man es auf die Wände der überlasteten Polizeistationen schreiben sollte und in die Flure der maroden deutschen Schulen, wo die Decke herunterfällt (Mönchengladbach 2019, Gerolstein 2018, Rostock 2018, Spandau 2017, usw.), weil kein Geld und keine Aufmerksamkeit da ist.

Wie kann die Geschichte dir recht geben, wenn die Gegenwart dich verflucht und dein Tun schnell überwinden will? Wie kann die Geschichte dir recht geben, wenn die Menschen sich danach sehnen, dich zu vergessen, und dich doch nicht vergessen können, weil das Leid und die Folgen deiner Taten noch Generationen später schmerzen werden?

Die Vision, die Juncker, Weber oder Soros für Europa haben, fühlt sich wenig demokratisch an – und freiheitlich noch weniger.

Jede Wahl stellt die grundsätzliche Frage nach der Weltsicht und Lebensperspektive des Wählers. Der Kandidat und die Partei stehen für eine Sicht auf die Welt, von »Weiter so!« bis »Revolution!«, von »Grenzen zu!« bis »Selbstzerstörung jetzt!«, der Möglichkeiten sind viele. Manchmal sind Wahlkampf und Politik kohärent, bei CDU und SPD ist es derzeit die Regel, dass sie das Gegenteil ihrer Politik fordern – die Unordnungspartei CDU fordert dem Wort nach Sicherheit und Ordnung, die Zensurpartei SPD sagt, sie sei gegen Zensur und Uploadfilter, und stimmt dann in der EU dafür. – Ein Zyniker könnte kalauern: »Regen regnet und Lügner lügen, das ist der Lauf der Welten.«

Der Wähler kreuzt bei der Wahl die Partei an, welcher er zutraut, seine Position zu vertreten. Heute wählt der Wähler gelegentlich leicht angewidert, manches Wahlkreuz ist unsicher gezogen.

Noch dürfen wir wählen (wenn es auch stets ratsam ist, die Auszählung genau zu beobachten, siehe etwa welt.de, 15.10.2018: »Manipulierte grüner Wahlhelfer bei Bürgerschaftswahl? (…) Dreieinhalb Jahre nach der Wahl hat die Staatsanwaltschaft jetzt einen Strafbefehlsantrag gestellt.«)

Weder Merkel noch Juncker noch Macron werden dereinst von ihren Kindern zur Verantwortung gezogen werden, sie haben keine, und doch ist heute die Zeit, von der man auch als »kleiner Mann« dereinst gefragt werden wird, was man getan hat, als die Globalisten versuchten, die Freiheit und die Demokratie mit Propaganda zu übertönen.

Noch gibt es Wahlen und noch sind sie meistens geheim. Noch dürfen wir davon ausgehen, dass die meisten Stimmen korrekt ausgezählt werden.

Doch es ist ein Anfang

Das Kreuz im Wahllokal ist eine kleine Demonstration für die Freiheit und für die Demokratie. Wenn wir dereinst gefragt werden, was wir getan haben, als Juncker die Liebe zur Heimat für böse erklärte, als in Europa wieder Zensurwerkzeuge eingeführt wurden und die Propaganda die Bürger rund um die Uhr beschallte, wenn wir dereinst gefragt werden, was wir getan haben, sollte das allermindeste sein, sagen zu können: »Ich habe nach meinem Gewissen gewählt.«

Nach seinem Gewissen zu wählen, es ist wahrlich nicht genug, es braucht schon mehr, um den suizidalen Kurs der Postdemokraten aufzuhalten und umzukehren – so das überhaupt noch möglich ist – doch es ist ein Anfang.

Selbst wenn man glaubt, sich mit seinem einsamen Wahlkreuzlein nicht gegen eine von milliardenschwerer Propaganda manipulierte Masse durchsetzen zu können, so ist das Kreuz auf dem Wahlzettel zumindest eine Notiz an sich selbst, eine Selbstvergewisserung, dass man für Demokratie und Freiheit steht, wo die Masse sich nach Gelobtwerden und Unterwerfung sehnt – und, wer weiß, wenn genug Leute auf dem Wahlzettel notieren, was sie unter Freiheit verstehen, verändern sich die Dinge ja doch zum Besseren – oder wir verlangsamen zumindest das Schlimmerwerden – wäre das denn nichts? 

Wird Merkel dereinst von »der Geschichte« (wer auch immer das sein soll?) doch noch seliggesprochen werden, und werden die Opfer ihrer Politik sich »gelohnt« haben? Ist es verwerflich, um die Zukunft seiner Kinder zu fürchten? Ist es wirklich böse, sein Land zu lieben?

In der Öffentlichkeit verstummt heute so mancher, und sagt nur, was zu sagen ungefährlich ist, doch im Wahllokal kann er antworten, was er wirklich antworten will – noch kann er es.

Weiterschreiben, Dushan!

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