Mir ist eine Passage in Büchners Woyczek aufgefallen:
Meine Herren, meine Herren! Sehn Sie die Kreatur, wie sie Gott gemacht: nix, gar nix. Sehn Sie jetzt die Kunst: geht aufrecht, hat Rock und Hosen, hat ein’ Säbel!
In der Szene ist ein Affe auf dem Markt beschrieben. Ich dachte mir: So viel, was wir als „menschlich“ betrachten, ist anerzogen. Kultur, Geschmack und Sittlichkeit, aber auch Höflichkeit, Respekt und, vor allem, die gute alte Nächstenliebe.
Der „natürliche“ Mensch hat wenig davon. Höchstens in Ansätzen, die der zivilisierte Mensch dann ausbaut. Der kostümierte Affe bei Büchner kommt wohl ironisch daher. Man denkt natürlich an den unnatürlichen Affen Rotpeter in Kafkas Bericht für eine Akademie. Menschwerdung ist Um- und Überformung des Tieres. Doch reißen wir das Bild einmal heraus, und sagen: Genau das, aber unironisch!
Der Mensch ist kein „natürliches“ Wesen. Er hat weder Körper noch Instinkt, in der Natur nackt zu überleben, wie ein Bär, ein Fuchs oder auch nur ein gemeiner Spatz. Der Mensch ist mehr so ein Pudel. Der Mensch braucht die Dienstleistung weiterer Menschen. Jede Generation von Menschen ist abhängig von der zivilisatorischen Leistung aller Generationen bis dahin.
Der Mensch wird mit einer „Lücke“ geboren. Eine Lücke zwischen dem, was er „von Gott gemacht“ ist, und dem, was und wie ein Gesellschafts-Mensch sein soll. Früher wurde diese Lücke durch Eltern, Schule und Kirche geschlossen. Heute ist es komplizierter.