Dushan-Wegner

26.04.2022

Die Welt hat keine Bringschuld

von Dushan Wegner, Lesezeit 3 Minuten, Foto von Samiul Islam
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass es die Bringschuld der Welt sei, sich auf eine Art und Weise anzuordnen, die dir (oder mir) komfortabel und angenehm erscheint.
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Im neuen Büchlein »Hört nicht auf« schreibe ich: »Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass es die Bringschuld der Welt sei, sich auf eine Art und Weise anzuordnen, die dir (oder mir) komfortabel und angenehm erscheint

Es ist einer der Gedanken, die ich aufschreibe, um mich selbst daran zu erinnern. Die Welt ist, wie sie ist, und entweder ich ändere sie – beziehungsweise das, was mich an der Welt stört – oder ich ändere mich selbst – wobei diese ersten beiden Möglichkeiten vor der Folie des etwas elenden »Default« formuliert werden.

Die »Grundeinstellung« allzu vieler unserer gewiss sonst sehr wunderbaren Mitmenschen (Anwesende stets ausgeschlossen …) ist ja, dass sie weder die Welt zu verändern versuchen, noch sich selbst ändern. Und so klingt manches Leben schon mal wie das Knirschen eines falsch zusammengebauten Getriebes, wo die Räder einander mehr beschädigen als antreiben.

Mir ist es genau gestern passiert, dass ich kurz innerhalb einer einzigen Stunde mit zwei Menschen ein jeweils kurzes Gespräch führte, doch einer von denen war mir sehr sympathisch, und den anderen fand ich denkbar unsympathisch. – Ich will ja ein guter Mensch sein (kein »Gutmensch«, klar). Ich will so-weise-wie-möglich und »am Herzen gebildet« sein.

Ich ärgerte mich über mich selbst, warum ich den einen Menschen nett fand, kaum dass ich ihn kennengelernt hatte, vom anderen aber schon nach Minuten wusste, dass ich ihn von mir aus nie wieder sehen muss.

Also ging ich im Kopf die Gespräche mit den beiden Menschen nochmal durch, wie man es eben tut, wenn man ohnehin zur Grübelei neigt. Und es wurde mir schnell bewusst, was meine jeweiligen Gefühle angestoßen hatte.

Der »sympathische« Mensch erzählte mir, was für Pläne er aktuell umsetzt, was er in den nächsten Monaten alles plant und umsetzen will. Soweit ich es beurteilen kann, waren seine Pläne nicht das, was man »zwingend realistisch« nennen würde. Auch scheint mir, dass er weit unterschätzt, wie viel vorlaufende Bürokratie einige seiner wirtschaftlichen Vorhaben mit sich bringen. Aber egal: Er hat, ob realistisch oder nicht, von Dingen erzählt, die er unternehmen will – was er in der Welt entstehen lassen will.

Und dann war da der andere, der mir ungefragt berichtete, wer ihn alles allein in der letzten Woche enttäuscht hatte. Dann schloss er nahtlos an, was er von mir erwarten würde. Ich gehe davon aus, dass ich nun ab sofort zum Teil seiner Litaneien werde, wer ihn alles enttäuschte. Sein Leben ist ein dauerndes Sammeln von Enttäuschungen. Er scheint überzeugt zu sein, die Welt und alle ihre Einwohner seien ihm verpflichtet. Ich frage mich, wie seine Eltern ihn aufzogen und ob sie es waren, die diese Überzeugung in ihn einpflanzten – ich werde es (hoffentlich) nie erfahren, denn was mich betrifft, brauche ich ihn nicht ein zweites Mal zu treffen.

Es ist nicht (nur?) Koketterie, wenn ich sage, dass mir etwas unwohl dabei ist, einen Menschen vor mir selbst – und hiermit sogar schriftlich – für unsympathisch zu erklären – ich will mich aber erst gar nicht verbiegen.

»Ask not what your country can do for you – ask what you can do for your country«, so sagte JFK, zu Deutsch: »Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst.«

Es muss ja nicht das Land sein, zu deren Wohl beizutragen man sich unablässig verpflichtet fühlt (aber es kann). Mehr noch als eine moralische Forderung ist jenes berühmte Zitat doch auch eine Anleitung zum Glücklichsein und womöglich zum Sympathischsein!

Erwarte nicht, dass die Welt sich für dich verbiegt – handle stattdessen in die Welt hinein! Und dann kann es tatsächlich passieren, dass die Welt dir einen Gefallen tut – wenn du es am wenigsten erwartest und doch am meisten brauchst.

Weiterschreiben, Wegner!

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