Dushan-Wegner

20.10.2021

Erst informieren, dann reformieren

von Dushan Wegner, Lesezeit 2 Minuten
Neue Regel: Es ist charmant, wenn jemand die Welt auf den Kopf stellen will – vorher aber sollte er davon, was er verändern möchte, ein Minimum an Ahnung haben. (Eigentlich eine uralte Regel, ist heute nur etwas in Vergessenheit geraten.)
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Franz Kafka schreibt in seinen hinterlassenen Fragmenten, unter anderem, von seinem frühen Alltag als lesendes Kind.

Er schildert, wie man ihm abends, als er noch lesen wollte, das Licht abdrehte.

Zur Begründung sagte man: »Alle gehen schlafen, also mußt auch du schlafen gehn.«

Der junge Franz wollte durchaus gehorsam sein, nicht nur in der Handlung, sondern auch im Geist. Er wollte es ja einsehen!

Er schreibt: »Das sah ich und mußte es glauben, obwohl es unbegreiflich war. Niemand will so viel Reformen durchführen wie Kinder.«

Kafka stellt also zunächst fest, dass ihm Regeln vorgegeben wurden, deren Begründung er nicht verstand. Dass alle es tun, wie kann das eine Begründung dafür sein, dass er es tun muss?

Nun, es lässt sich durchaus beantworten, doch Kafka deutet die wahre Begründung nur an, indem er schmunzelnd den Reformeifer der Kinder beschreibt.

»Alle tun es« ist die implizierte Kurzform für: »Diese Handlung hat sich als nützlich und wohltuend bewährt, und bis zum Vorliegen abgesicherter widersprechender Erkenntnisse, sollten wir es genauso handhaben.«

Ich höre gelegentlich die flapsige Frage: »Wenn alle Leute von der Brücke springen, wirst du es dann auch tun?«

Mit etwas Lebenserfahrung lässt sich darauf antworten: »Wenn alle um mich herum von der Brücke ins Wasser springen, dann steht womöglich eben diese Brücke in Flammen, und ins Wasser zu springen wäre dann tatsächlich eine gute Idee!«

Kafka ahnt ja selbst, dass hinter der Erkenntnis, dass alle es so tun, durchaus praktische Weisheit liegen kann.

»Niemand will so viel Reformen durchführen wie Kinder«, so stellt Kafka fest, und man kann in den Worten spüren, wie der Autor halb sentimental, halb spöttisch beim Schreiben grinst.

Ein Kind ist zunächst einmal ahnungslos. Die Begründungen, die man dem Kind sagt, sie mögen unvollständig sein.

Aus den Mängeln der vorliegenden Begründungen zu schließen, dass überhaupt keine guten Begründungen existieren, ja dass gute Begründungen gar nicht existieren können, das wiederum wäre eben kindisch.

Alle gehen schlafen, weil nicht zu schlafen sich als sehr unbekömmlich erwiesen hat.

Das ist der wahre Grund, und wer nicht schlafen geht, weil ihm die erste Begründung als unbefriedigend erschien, dem wird es nicht gut bekommen.

Ich will den Kindern, und auch den heute auffällig zahlreichen Kindern im Geiste, gar nicht ihren Reformeifer ausreden, oh nein!

Ich bitte lediglich darum, dass man das, was man zu reformieren plant, zunächst versteht.

Lerne und verstehe die Logik der Dinge, suche und erforsche ihren Grund, und dann reformiere sie – in dieser Reihenfolge.

Weitermachen, Wegner!

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