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Ich war ein stolzer Vater, und ich bin es noch immer – und wie! Extra stolz war ich aber, als ich meiner Tochter das Prinzip von To-do-Listen erklärte. Ich erzählte ihr von Getting Things Done also klug organisierten Aufgabenlisten. Ich war stolz, weil sie es nicht nur begriff, sondern auch für ihren Alltag in der Schule zu nutzen begann.
Zu jedem beliebigen Zeitpunkt kann unsere wunderbare Tochter uns nun sagen, was sie alles zu tun hat.
Großartig!
Im Prinzip zumindest.
Gestern sagte unsere Tochter zu mir: »Papa, meine To-do-Liste wird immer länger! So viele Aufgaben für die Schule! Die Lehrer sagen uns, was wir alles lernen sollen, und jeden Tag sagen sie mehr, und ich trage es alles ein, und die Liste wird immer länger.«
Hmm.
Wäre meine Tochter ein Erwachsener, dann würde ich ihr vermutlich wie folgt raten: Bestimme die für dich wirklich wichtigen Aufgaben – und hab‘ den Mut, alles andere zu ignorieren – die Welt wird sich schon weiterdrehen, so oder so.
Meine Tochter ist keine Erwachsene! Sie ist ein Teenager, eine junge Dame, ein Mensch noch im Werden. In seiner Jugend soll der Mensch sich einen Überblick verschaffen, sich seine eigene Landkarte der Welt zeichnen.
Freiheit bedeutet, mit seinen Möglichkeiten zufrieden zu sein. Damit ein Kind später, als Erwachsener, wirklich frei entscheiden kann, muss es zuvor seine Möglichkeiten kennen. Wir nennen das Allgemeinbildung, und alle modernen Schulsysteme leisten das – oder sollten es leisten – und das ist auch sehr gut so.
Das Lernen des Kindes muss weit sein. Das Wissen gibt dem Kind die Flügel, die es braucht, um aus eigener Kraft vom heimischen Nest aus in die Welt aufzubrechen.
Fakten und Zusammenhänge, die das Kind heute nur am Rand lernt, können ihm später sehr wichtig werden. Die Ränder des Lernens sollen also breit und reichhaltig sein. Ja, das Lernen darf und soll auch mal mäandern, soll Neues suchen und probieren. Ich bestehe eigentlich nur darauf, dass sie täglich Mathematik lernt. Mathematik ist die Sprache des Universums und lässt sich, wie alle Sprachen, nur schwer nachholen.
Für einen Jugendlichen ist es zu früh, sich absolut und radikal zu fokussieren.
Es ist aber nicht zu früh, sich in der Kunst zu üben, einige Stunden vorm Schlafengehen schon mit seinem Tageswerk zufrieden zu sein.
Die Tochter hat gelernt, einen Überblick über ihre anstehenden Aufgaben zu pflegen. Sie kann in jedem Augenblick präzise sagen, was alles ansteht. Und sie beherrscht es, wenn ich so offen sein darf, bereits besser als ich.
Jetzt gilt es – und auch das will ich mit ihr lernen – nach getaner Arbeit zufrieden zu sein, mit dem Tag und schließlich mit sich selbst. (Wer weiß, womöglich beherrscht sie auch diese Kunst bereits, und jammert nur ein wenig, um sich Komplimente zu holen. Sie grinst einfach verdächtig zufrieden, wenn sie mit ihrer To-do-Liste prahlt. Es sei ihr gegönnt.)
Jeden Tag zu tun und zu lernen, was zu tun und zu lernen ist, und dann darin seinen Frieden zu finden, darin verschmelzen Pflicht und Weisheit.
Ach, wenn wir nur jeden Abend sagen könnten: Morgen will ich tun, was morgen zu tun ist, doch für heute ist es genug.