11.06.2025

Ein adäquates Gefühl der Dringlichkeit

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, Bild: »Schau mal da in der Ferne«
Was wir vor Jahren vorhersagten, dafür wurden wir als »Rechte«, »Schwurbler« und so weiter abgetan, und heute trifft es einfach zu. Was wir aber heute über die Zukunft vorhersagen, das auszusprechen könnte uns direkt ins Gefängnis bringen.
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Ich beginne, sie zu verstehen, die Propheten des alten Testaments, den Johannes der Offenbarung.

Ich verstehe die Propheten in dem Sinne, dass ihre Worte einen Sinn zu ergeben beginnen – und zwar nicht als Metapher.

Ich habe ein Jahrzehnt meines Lebens der Suche nach Metaphern für den Wahnsinn der Zeit gewidmet. Metaphern und Sprachbilder, die den Wahnsinn der Zeit verdaubar machen.

Heute beginne ich zu sehen, dass das Verständnis sogenannter Metaphern als Uneigentliches eine Krücke ist. Eine Krücke: ein Gerät, das dem Krüppel hilft, zu gehen, ohne dass er gleich umfällt – doch er humpelt eben weiter.

Doch der Krüppel will nicht immer mehr und immer bessere Krücken – der Krüppel will endlich gesunde Knie und Hüften. Der Blinde will nicht einen besseren Blindenstock, der Blinde will sehen! (Und ja, ich rede hier von uns, von dir und mir.)

Das Wasser wird wirklich warm

Auf einer eigenen metaphysischen Ebene sind die Deutschen der Frosch, der nicht aus dem Topf springt, während das Wasser warm wird. Nein, ihr seid nicht wie der Frosch, ihr seid der Frosch. Es ist okay, wenn du das nicht verstehst – ich habe es auch lange nicht verstanden.

Und, ach ja, die sieben Posaunen werden wirklich erschallen.

Der erste Engel blies seine Posaune. Da fielen Hagel und Feuer, mit Blut vermischt, auf die Erde nieder. Ein Drittel der Erde verbrannte, ein Drittel der Bäume verbrannte und alles grüne Gras verbrannte. (Offenbarung 8:7)

Und so weiter. Nein, keine Metapher. Es wird … spannend.

Auf Kommendes hinzuweisen

Ich verstehe die Propheten in noch einem Sinne: Ich verstehe ihren Frust und ihre Wut.

Propheten geben ihre Lebenszeit für die Aufgabe, ihre Mitmenschen zu warnen, auf Kommendes hinzuweisen. Doch hören die Menschen auf die Propheten? Hahaha, nein. Die Menschen ignorieren die Propheten, verlachen die Propheten, vertreiben die Propheten aus der Stadt.

Schon Ezekiel wurde gewarnt:

Menschensohn, du wohnst mitten im Haus der Widerspenstigkeit; das Augen hat, um zu sehen, doch sie sehen nicht; das Ohren hat, um zu hören, doch sie hören nicht; denn sie sind ein Haus der Widerspenstigkeit. (Ezekiel 12:2)

Mit Jeremia will man schließlich jammern:

Zum Gespött bin ich geworden den ganzen Tag, ein jeder verhöhnt mich. (Jeremia 20:7b)

Man seufzt. Und dann wäre da noch etwas …

Zu Buße und Umkehr

Im fernen Jahr 2017 – man mag gar nicht die Jahre zählen! – schrieb ich einen Essay mit dem Titel »Die letzten Tage des Westens«. Darin dokumentierte ich »drei Zeichen, die bedeuten könnten, dass der europäische Westen seine letzten Tage erlebt«.

Ich schrieb diese und manche andere Warnung, in der ungefähren Hoffnung, dass ich nicht als Einziger warne. Dass die Menschen begreifen, wie eng es werden wird für die Zukunft ihrer Kinder. Und dass ihr Gewissen, dazu ein adäquates Gefühl der Dringlichkeit und etwas echter Überlebenswille sie zu Buße und Umkehr bewegen werden.

Ja, einige wurden bewegt. Aber nicht genug. Einige Passagiere forderten von den Kapitänen, das Schiff umzusteuern.

2018 fragte ich: »Kann der Tanker Deutschland noch die Richtung wechseln?«

2025 wissen wir: Nein, kann er nicht – nicht solange eine böse Macht die Kapitäne anstiftet, immer tiefer zwischen die Klippen, in den Sturm zu fahren.

Aber immerhin habe ich es vorhergesagt. Also könnte ich das heute wieder tun, oder?

Großen Ärger einbringen

Heute, Mitte 2025, ist nicht 2018 oder 2017.

Was wir damals vorhersagten, trifft heute ein, ist heute tägliche Nachricht. Wenn wir irrten, dann darin, dass wir zu optimistisch waren.

Was also soll man heute tun?

Was wir damals vorhersagten, balancierte bereits auf der Grenze zum Sagbaren. Was aber heute zu sagen wäre, das teilt sich in zwei Kategorien.

Einmal die Kategorie jener Botschaften, die uns eher ratlos zurücklassen. Was sollen wir denn auch tun, wenn wir erfahren, dass Jobs nach und nach durch künstliche Intelligenz ersetzt werden? Diese Kategorie ist relativ »einfach«, wenn auch frustrierend.

Die andere Kategorie ist weit komplizierter. Einige der Dinge, die heute am dringendsten gesagt werden müssten, würden dem »Propheten« großen Ärger einbringen. Man würde dich verfolgen, würde dich einsperren und vernichten. Und nur die abgeleiteten notwendigen Handlungen zu berichten, könnte schlicht wirr erscheinen. Was aber tun, wenn man nicht schweigen kann?

Ich werde noch mehr und mehr denn je Dinge sagen müssen, die wie Metaphern klingen. Doch es wird echt sein, so wie jene Frösche echt sind, ob sie im Kochtopf sitzen oder vom Himmel regnen.

Die Flammen züngeln bereits an unserem Haus. Werden die Menschen endlich die Warnung hören? Ach, »sie haben Augen, um zu sehen, und sehen doch nicht; sie haben Ohren, um zu hören, und hören doch nicht; denn sie sind ein widerspenstiges Haus.« (Ezekiel 12:2).

Und doch müssen wir irgendwie zu sagen versuchen, was der Fall sein wird, und was zu tun sich empfiehlt. Wenn wir schweigen, dann werden die Steine schreien (Lukas 19:40), und wer will schon weniger mutig sein als ein Stein?

Weiterschreiben, Wegner!

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