Dushan-Wegner

29.09.2022

Leben ist an der Kette zu zerren

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, chained to the world
Wir sind an die Welt gekettet. Manche finden sich ab, andere zerren noch an ihren Ketten. Doch wer an seinen Ketten zieht, der zieht damit immer auch den Rest der Welt nach vorn!
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Tom Waits singt: »We’re chained to the world, and we all gotta pull«. Zu Deutsch etwa: »Wir sind an die Welt gekettet, und wir müssen alle ziehen.«

Das Lied, das diese weisen Zeilen enthält, heißt: »Dirt in the Ground«. Zu Deutsch etwa: »Erde im Boden«, wobei sich »dirt« auch weniger freundlich übersetzen ließe, nämlich als »Dreck«. (»Dirt in the Ground« auf YouTube Music)

Tom Waits lässt hier 1. Mose 3:19 anklingen: »Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.«

»Tom Waits« heißt wörtlich »Tom wartet« (und doch ist »Waits« sein Geburtsname).

Diese vier Ideen – Warten, Gekettetsein, Ziehenmüssen, und unsere Endlichkeit – sie fühlen sich an wie Koordinaten jener Zeit, die wir heute das »Heute«, das »Jetzt« oder die »Gegenwart« nennen. (Eine andere Zeit als das Jetzt gibt es ja nicht, und selbst deren Existenz ist zweifelhaft, wie ich im Buch übers Loslassen erkläre.)

Warten, Gekettetsein, Ziehenmüssen, und die Endlichkeit des Menschen: vier Ecken eines Netzes. (Nebenbei: Der Zweck von Propaganda ist es, der Fliege einzureden, sich im Spinnennetz wohlzufühlen und sogar der Spinne dankbar zu sein.)

Ich bin in den Achtzigern und Neunzigern groß geworden, und dann kam das Internet. Ich habe die Welt als großartige Musik, großartige Filme und dann als die großartige Hoffnung des WWW kennengelernt.

Meine Kinder lernen die Welt als Abfolge von Krisen kennen, und das Internet bedeutet Überwachung, ständiger Alarm und dazu Suchtgefahr. Für meine Kinder bedeutet Leben, darauf zu warten, dass die jeweilige Krise vorübergeht. Gespannt zu sein, welche Krise danach kommt. Das Leben als Warteraum, von Anfang an – und zum Ende hin ohnehin.

In der Coronapanik wurden die Eliten noch reicher, machten gute Geschäfte, und sie feierten gefühlt noch freier als zuvor.

Die Kinder der Armen und der Noch-Mittelschicht aber wurden eingesperrt.

Man spritzte den Kindern experimentelle mRNA-Gentechnik, so die Eltern es zuließen.

Man zwang sie hinter Masken und Plastikschilde. Schulterzuckend nahm man hin, dass Kinder sich mit Selbstmordgedanken tragen.

Angeblich tat man es, um die Großeltern zu schützen. Um meinen Essay vom 20.5.2021 aufzugreifen: »Man zeige mir den Opa«, der es verlangte, dass zu seinem angeblichen »Schutz« die jüngste Generation dazu gebracht wird, sich den eigenen Tod als Möglichkeit vor Augen zu führen.

Und jetzt droht uns der Tod als Nuklearkrieg vom Osten her. Mancher fürchtet den Kältetod. Oder man wird dank künstlicher Inflation so arm, dass das Leben auch ohne Tod keinen Spaß macht.

Ja, wir werden alle »Dreck im Boden« sein – muss diese Wahrheit aber derart präsent sein, jeden Tag, vom ersten Tag an?

Wir sind alle an die Jetztzeit »gekettet« – und mit der Globalisierung von Propaganda-Botschaften wie dem als »Wokeness« etikettierten Selbsthass sind wir auch alle an eine einheitliche, weltweite Denkkultur »gekettet«.

Also müssen wir »ziehen«.

We’re chained to the world, and we all gotta pull.

Okay, wir müssen nicht ziehen – wir könnten beschließen, eben nicht mehr zu ziehen. Wir könnten uns dem Strom der Zeit hingeben.

Faul werden.

Wie »die« werden.

Wir könnten zu Zombies werden, zu »Non Player Characters«, die ARD und ZDF gucken, den »Experten« glauben und sich zum »current thing« bekennen.

Wer auch immer es wirklich sagte, dass nur wer sich bewegt, seine Ketten spürt – es liegt Wahrheit darin. Doch seine Ketten nur zu spüren, ist allein noch kein Leben, es ist nur Hinweis auf dessen Möglichkeit. Zu leben muss bedeuten, an seinen Ketten zu zerren!

Tom Waits singt: »Cause hell is boiling over and heaven is full, we’re chained to the world and we all gotta pull.«

Weil die Hölle überkocht und der Himmel voll ist, sind wir an diese Welt gekettet.

Ich bin an diese Welt gekettet, so wie du. Ich zerre aber noch an meinen Ketten, so häufig ich kann, so viel wie meine Kraft reicht.

Wir werden noch früh genug »Dreck im Boden« sein – bis dahin lasst uns an unseren Ketten zerren!

Wer an seinen Ketten zerrt und immer weiter zieht und dabei nicht aufgibt – zumindest nie endgültig aufgibt – der zerrt damit ja auch an der Welt!

Wer an seinen Ketten zerrt, der zieht damit immer auch den Rest der Welt nach vorn.

Weiterschreiben, Wegner!

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