Dushan-Wegner

14.11.2022

Korruption? Geschwätz von gestern!

von Dushan Wegner, Lesezeit 8 Minuten, Foto von Taylor Smith
Es ist ein auffälliges Muster heutzutage: Institutionen und reiche Akteure, die eben noch als Beispiele mangelnder Moral galten – oder sogar der blanken Korruption – werden plötzlich als angesehene Autoritäten gehandelt. Wie das bloß kommt?
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Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? – So soll der »kölsche Jung« Konrad Adenauer gesagt haben.

Es lässt sich nicht belegen, dass derjenige, dem dies zugeschrieben wird, es auch wirklich gesagt hat – wie so viele geflügelte (und auch von mir) schon mal zitierte Weisheiten.

Es braucht allerdings erst gar keinen Beleg dafür, dass wir täglich Politiker und Medien erleben, für welche die Unbekümmertheit ob des Geschwätzes von gestern geradezu ein Grundprinzip ihrer »öffentlichen Gestalt« zu sein scheint.

Auf- oder Zudecken

Ich bin so alt, ich kann mich noch erinnern, als Journalisten es als ihre Aufgabe ansahen, Korruption und Lobbyismus in hohen Ämtern aufzudecken – statt dies auf-Teufel-komm-raus zu decken und zu verstecken.

Es gilt heute ja als bald »rechtsradikal« und als »Hass und Hetze«, doch die Erzählungen sind wahr: Es gab eine Zeit, da Journalisten den Mächtigen schlaflose Nächte bereiteten, statt sich als deren Pressesprecher anzudienen.

Wer meint, ich habe jene Zeit frei erfunden, als erbauliches Märchen, der sei darauf hingewiesen, dass jene fantastische Zeit sich mit der Internet-Ära überschneidet, und dass einige damals geschaffene Inhalte im Nachhinein digitalisiert wurden, und also sind Spuren jener Zeit, als Journalisten noch Skandale auf- statt zudeckten, tatsächlich online abrufbar!

»So einfach funktioniert Lobbyismus«

Die Dauer jener mythische Ära, als Journalisten noch »Recherche« und »Journalismus« nannten, was heute »Hass und Hetze« und »rechte Verschwörungsideologie« heißt, ist je nach Thema unterschiedlich.

Ich wurde dieser Tage auf ein spektakuläres Exemplar jener alten Zeit hingewiesen, und mir klappte tatsächlich kurz die Kinnlade herunter.

Am ersten Tag des Jahres 2019 wurde eine Kolumne in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht, mit einer unzweideutigen Warnung: »Vorsicht vor der WHO«. (fr.de, 1.1.2019/archiviert)

Ja, ich weiß! Schon die Überschrift liest sich heute wie etwas, was man eher bei den Freien Denkern vermuten würde – richtig und richtig mutig.

Und jener Text von 2019 geht eher heftiger weiter!

Schweigeabkommen und Panikmache – die WHO ist nur noch eine korrupte Lobbyorganisation. (fr.de, 1.1.2019/archiviert)

Der Autor notiert, wie die WHO eine weltweite Vogelgrippe-Epidemie vorhersagte (2005) und dann die Schweinegrippe (2009) – weltweit bestellte man teure Impfungen, die »später still und leise in Heizkraftwerken verfeuert wurden«.

Und auch mögliche Motivationen der WHO-Impfstoff-Begeisterung werden thematisiert: »Ein weiterer WHO-Impfdirektor wechselte 2007 zum Schweizer Pharmakonzern Novartis. So einfach funktioniert Lobbyismus.«

Dürfte dieser Beitrag heute erscheinen?

Um Himmels Willen, es ist unvorstellbar!

Mich wundert, dass so etwas überhaupt noch online sein darf (Stand 14.11.2022).

Eben noch wussten wir

Heute kommt die WHO natürlich spürbar besser in der Frankfurter Rundschau weg.

Aktuell verbreitet fr.de, 8.11.2022 jene Art von Propaganda-Sprache, für die viele Bürger inzwischen taub und blind wurden, weil man sie zu oft von zu unglaubwürdigen Akteuren hörte: »WHO schlägt Alarm: Hitze durch Klimawandel fordert immer mehr Tote in Europa«.

Eben noch meinten wir also zu wissen, wie fragwürdig und unglaubwürdig die WHO ist – doch was kümmert den braven Bürger das allgemeine Geschwätz von gestern – heute publizieren wir, was auch immer dieselbe WHO als Propaganda-des-Tages verkündet. (Siehe »WHO: Zugang zu Impfstoffen weltweit ungleich verteilt«, oder: »1,4 Milliarden Dollar: G20-Staaten gründen Pandemie-Fonds«, und darin: »Weltbank und Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben allerdings Finanzierungslücken im Kampf gegen die Pandemie von 10,5 Milliarden US-Dollar in den kommenden fünf Jahren ausgemacht.« – Aha. Wir werden mehr Geld überweisen dürfen.)

»Und tue es auch nicht«

Wann werden Zeitungsarchive generell verboten, als Maßnahme im »Kampf gegen Hass und Hetze«? Es ist ja direkt peinlich, die Korruptions- und Lobbyismus-Berichte von eben-noch mit manchen Lobhudeleien von heute zu vergleichen.

Die WHO ist ja nicht die einzige Institution, die wie magisch und über Nacht nicht mehr im Zusammenhang mit Lügen, Korruption oder moralischem Abgleiten genannt wird.

Im Essay »Ein Held wie eh und je« vom 1.3.2022 notierte ich etwa die magische Wandlung der Ukraine vom korruptesten Land Europas zur Identifikationsflagge aller Geimpften-und-Geboosterten, die »the current thing« unterstützen.

Ein weiteres, geradezu paradigmatisches Beispiel für magische Image-Wandlungen erlebte ein gewisser George S., dessen ehrlichstes (belegtes und unbestrittenes) Zitat lautet: »Ich bin da, um Geld zu machen. Ich kann nicht auf die sozialen Konsequenzen dessen, was ich tue, schauen, und tue es auch nicht.« (siehe u.a. Essay vom 30.11.2018) – Heute pumpt er dreistellige Millionenbeträge in die bald zur eigenen Parodie verkommenden US-Wahlen, aber natürlich auch in deutsche Propaganda-Vereine – und gilt denen dann natürlich als »Philanthrop«. (Durch seine »Wohltätigkeit« kann er nicht nur Politik nach seinem Interesse beeinflussen, er kommt so auch noch näher an die Mächtigen heran, was ihm einen Informationsvorsprung verschaffen könnte, was ebenfalls nicht unprofitabel sein wird.)

Ein Quasi-Heiliger

Eine Liste mit Institutionen, die eben noch als korrupt, böse oder zumindest fragwürdig galten, und nun plötzlich als strahlende Figuren dastehen, liest sich sehr bald wie eine Liste der »üblichen Verdächtigen« für sogenannte Verschwörungstheoretiker.

Wer in kritischen Kreisen als böser Dinge verdächtig geführt wird, bildet zuverlässig ein bestimmtes Muster ab. Einst galt manche »Institution« als korrupt oder zumindest blank unmoralisch, aber in den letzten Jahren »passierte etwas«, und nun gilt er als Quasi-Heiliger.

Ich habe noch immer nicht ganz verdaut, dass der Epstein-Fluggast tatsächlich zu Beginn der Corona-Panik in der Tagesschau als ein »Über-Welt-Experte« interviewt wurde (siehe Essay vom 14.1.2020) – es wirkt schlicht surreal. Einst kämpfte und ermittelte die EU gegen Microsoft unter Bill Gates (spiegel.de, 30.8.2021), es ging um Kartellrecht und wohl wenig ethische Geschäftspraktiken. Heute kämpft die EU gegen »Desinformation«, welche böse Dinge über Bill Gates sagt (eu.europa.eu: »Bekämpfung von Desinformation«) und kooperiert sonst mit ihm, gern und oft.

Auffällig nützlich

Als der biblische Saulus dereinst zum Paulus wurde (siehe Wikipedia), ließ er von seinem bisherigen Tun ab – nämlich dem Verfolgen von Juden, die zum Christentum konvertiert waren. Er wurde zum berühmtesten Verkünder des Christentums (es half, dass er einen guten Teil des Neuen Testamentes schrieb).

Die neuen Saulusse, die uns weismachen wollen, dass sie nun sämtlich bekehrte, geläuterte Paulusse sind, sie lassen keineswegs ganz von ihrem alten Treiben ab!

Gates, Soros und andere »Philanthropen« verdienen sich noch immer einen Wolf mit ihren Investitionen, behandeln die Menschen noch immer wie Verfügungsmasse, und was sie als »Moral« verkünden (lassen) ist ihren Investitionen auffällig nützlich.

Die Publizisten aber, die eben noch »Gib Gates keine Chance« schrieben, und auch sonst aus Prinzip »dem Kapital« prinzipiell eher misstrauisch begegneten, singen heute das Loblied auf die sogenannten »Philanthropen« und Welt-Institutionen, als wollten die Schreiberlinge sich vor allem die nächste Förderung nicht verscherzen.

Früher wäre es Journalisten aufgestoßen, dass die WHO zum Beispiel im Zweijahresbudget 2018 bis 2019 zu 15,19 % von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung finanziert wurde und zu 8,18 % von der »Impfallianz« (laut Wikipedia). Oder dass sie zu Beginn der Corona-Panik die recht offensichtliche Propaganda Chinas zu wiederholen schien. Oder dass sie, womöglich zum Image-Schutz der Kommunistischen Partei Chinas, lange Zeit in den Sozialen Medien die »Labor-Ursprung-Theorie« zensieren ließ. Oder dass sie, augenscheinlich ebenfalls zum Schutz Chinas, den Ausdruck »China-Virus« durch »COVID-19« ersetzte.

Früher ist nicht heute, und wer heute das Geschwätz von gestern wiederholt, der gilt schnell als Schwurbler und Staatsfeind.

Gegenteil geistiger Redlichkeit

Nein, es ist nicht sicher, dass Konrad Adenauer tatsächlich gesagt hat, dass ihn sein »Geschwätz von gestern« wenig interessiere.

Tatsächlich hat Adenauer während einer Fraktionssitzung 1949 aber gesagt, es könne ihn »doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden« (siehe Google Books). – Das ist eine sehr verschiedene Aussage!

Keine Verantwortung zu tragen für die eigenen Aussagen der Vergangenheit – das »Geschwätz von gesern« – das bedeutet auch, keine Verantwortung zu tragen, für die heutigen und zukünftigen Aussagen, das ist das Gegenteil geistiger Redlichkeit.

Klüger zu werden jedoch, das bedeutet maximale Verantwortung für das eigene sprachliche und sonstige Handeln.

»Bin ich heute klüger geworden?« – es gibt andere wichtige Fragen, aber keine wichtigeren.

Ich nehme den Politiker und Journalisten nicht ab, dass sie »klüger« geworden sind, denn ich sehe wenig glaubwürdige Anzeichen dafür.

Journalisten und so mancher Bürger reden sich heute heraus, sie hätten doch nur »auf die Wissenschaft gehört«.

»Ich habe auf die Wissenschaft gehört« klingt mir einem anderen Satz erschreckend ähnlich, nämlich: »Ich habe doch nur Befehle ausgeführt.«

Diese Leute hinterfragen nicht, was genau es war, worauf sie da hörten, ob es wirklich »Wissenschaft« ist oder eher die Propaganda-Wahrheit-des-Tages.

Diese Leute sind nicht klüger geworden, die übernehmen bloß keine Verantwortung für ihr Geschwätz von gestern.

Also obliegt es uns, klug zu sein, und klug zu bleiben.

Ein Hoffnungsschimmer

Liebe Leser, es sei mir bitte ein Nachwort erlaubt, ein Hinweis auf einen von doch einigen zarten Hoffnungsschimmern.

Der Mann, der 2019 jenen Kommentar schrieb, heißt Dr. Bernd Hontschik, ist Mediziner und Buchautor, und er schreibt noch immer jene Kolumne.

Aktuell hat er einen für heutige Verhältnisse recht bissigen Kommentar zur Haftung von Pharmakonzernen geschrieben – bzw. zu deren Fehlen.

Der Beitrag (fr.de, 4.11.2022) ist ein wenig versteckt hinter dem kryptischen Titel »Der Texas Two-Step«, was absichtlich oder unabsichtlich die Klick-Sichtbarkeit auf einen Bruchteil reduzieren könnte.

Die Kolumne selbst enthält aber spannende Passagen wie diese:

Sollten also – wann auch immer – bislang unbekannte unerwünschte Wirkungen nach Corona-Impfungen auftreten, so tragen allein die Steuerzahler:innen alle Kosten. ()

Das ist für uns hier nun keine neue Erkenntnis. Doch einen solchen Hinweis im linken Mainstream zu publizieren, und das auch noch zusammen mit der Denkmöglichkeit von Nebenwirkungen laut Lauterbach doch angeblich »nebenwirkungsfreien« Impfung, das grenzt bald an moderne Blasphemie.

Vermutlich weiß der Autor das auch. Ich meine in jenem Satz den zitternden Seiltanz zu spüren – und natürlich baut er den lächerlichen Gender-Doppelpunkt in die »Steuerzahler:innen«, als hoffte der Autor, so als einer von »den Guten« verkleidet zu sein (oder die Redaktion hat es ihm in den Text redigiert, aus ähnlichen Gründen).

Was auch immer die Zukunft bringen mag, solange es noch Wissende gibt, die Mut und Vorsicht in Balance zu bringen wissen, und die öffentlich die Wahrheit sagen, obwohl Schweigen komfortabler oder sogar vorteilhafter wäre, solange sehe ich noch etwas Hoffnung.

Weiterschreiben, Wegner!

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