10.10.2024

Würth: Grüne wählen, Fabrik schließen

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten
Herr Würth ist reich, sorgt sich um Klima und fährt Megayacht. Er wählte wohl Grüne, stänkert gegen AfD. Nun schließt Würth eine Fabrik, entlässt 300 Leute (Stichwort: Deindustrialisierung). Merke: Gründeutschland rentiert sich auch für Grünwähler bald nicht mehr.

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Der Herr Würth, der ist reich. Sehr reich. Der Herr Würth macht Schrauben und andere nützliche Dinge. Und der Herr Würth besitzt eine Yacht, die ist 85 Meter lang, hat zwei Dieselmotoren mit knapp 10.000 PS, und heißt Vibrant Curiosity, was Lebhafte Neugier bedeutet.

Hier ist ein Foto der Lebhaften Neugier:

Foto: Petr Šmerkl, Wikipedia

Herr Würth war vor einiger Zeit in den Schlagzeilen mit seiner »Liebe für die Grünen« (etwa kurier.at, 7.6.2019).

Er wählt die Grünen auch schon mal selbst. Er erzählt:

Überhaupt fand ich bei der Europawahl nur zwei Parteien wählbar: SPD und Grüne. Und die SPD habe ich nicht gewählt …
(Reinhold Würth, zitiert nach bild.de, 3.6.2019)

Und tatsächlich genießt Deutschland in diesen Jahren eine geradezu klinisch reine Rot-Grün-Politik. Folglich müsste Herr Würth sehr glücklich sein. Es ist nicht jedem Menschen gegeben, in seinem Alter – kurz vor der 90 – die Verwirklichung zumindest seiner politischen Lebensträume zu sehen.

Herr Würth ist mit der Regierung etwas unzufrieden. Er wünscht sich mehr Aufrüstung (handelsblatt.com, 3.5.2024) und hätte gern den Pistorius an Stelle des Herrn Scholz. (Und ich vermisse die Zeiten, in denen der Wunsch nach mehr Aufrüstung mich bei einem Grünen-Wähler noch gewundert hätte.)

Etwas aber ärgert den guten Herrn Würth noch mehr als die Regierung, die zu wenig Waffen einkauft: Da gibt es eine Oppositionspartei, die nennt sich »Alternative«. Erst war sie eine Alternative zu Merkel, jetzt ist sie eine Alternative zu Rot-Grün. Herr Würth kommt damit gar nicht gut klar, so scheint es.

Im März dieses Jahres schrieb Herr Würth einen Brief an seine Mitarbeiter, in welchem er gegen die Oppositionspartei hetzte:

Überlegen Sie, wem Sie bei den verschiedenen Wahlen Ihre Stimme geben. Bloß wegen ein bisschen Spaß an der Freud Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig.
(zdf.de, 19.3.2024)

US-Politikern sagt man bisweilen: »Read the room!«

»Lies den Raum«, bedeutet das wörtlich, und man will damit sagen: Nimm mal ein wenig dein Ego zurück und versuche nachzufühlen, welche Gefühle dein Publikum wirklich bewegen.

Read the room, Herr Würth! Ich verrate Ihnen etwas: Die Menschen wählen nicht die AfD, weil sie »Rabatz« machen wollen. Mit Verlaub, das könnte sogar als Beleidigung der Wähler und Ihrer Mitarbeiter gedeutet werden. Die Menschen wählen die AfD aus Notwehr.

»Notwehr wogegen?«, fragen Sie vielleicht, Herr Würth, und ich verstehe, dass Sie das fragen.

Die Antwort ist: Notwehr gegen Entwicklungen in Deutschland, die Sie vermutlich nicht mitbekommen, wenn Sie in Limousinen durchs Land kutschiert werden, in einem gewiss sehr gut gesicherten Haus verweilen oder natürlich auf Ihrer Yacht entspannen.

AfD zu wählen, das ist auch Notwehr gegen eine Politik, die in ihrem ignoranten Wahnsinn dazu führt, dass auch wegen viel zu hoher Personal- und Energiekosten die Fabriken in Deutschland schließen.

Fabriken, Herr Würth, wie die Ihre in Schopfheim.

»Würth Elektronik schließt sein Werk in Schopfheim«, so lesen wir aktuell, und:

Auch massive Personal- und Energiekosten hätten zu der Entscheidung beigetragen, hieß es. Rund 300 Mitarbeitenden soll gekündigt werden.
(tagesschau.de, 7.10.2024).

Sicher, die erste Ursache soll die aktuell schwerste »Krise in der Geschichte der Leiterplattenindustrie in Europa« sein. Dass Europa von China abgehängt wird, darin sind Sie und ich uns ja einig. Doch dass auch die hohen Personal- und Energiekosten dazu führen, dass Sie eine Fabrik schließen und 300 Leuten kündigen müssen, das erscheint mir etwas widersprüchlich.

Herr Würth, wäre ich ein Zyniker, würde ich vermuten, dass Sie nur deshalb für die Grünen gejubelt und gegen die Opposition gewettert haben, weil man das im deutschen Propagandastaat so tun muss, wenn man als Unternehmer an Fördergelder, Aufträge oder schlicht Bewilligungen kommen will.

Aber ich bin kein Zyniker und auch kein Verschwörungstheoretiker. Also vermute ich, dass Sie es ernst meinen. Schließlich, so habe ich letztens gelesen, hat Sie Ihr Brief gegen die AfD womöglich einen »Millionen-Umsatz« gekostet (swr.de, 5.5.2024). Nicht, dass Ihr politisches Engagement noch Arbeitsplätze kostet! Dann würden Sie ja erst recht neue Wähler zur AfD treiben. Auf der anderen Seite bezeichnet Ex-Bundespräsident Christian Wulff Ihre Positionierung als »vorbildhaft«.

Sie müssen leider 300 Leute entlassen, Sie treiben die De-Industrialisierung voran … aber Hauptsache Ihre Positionierung ist »vorbildhaft«.

Ach, was für eine Illusion, dass es die Superreichen und Eliten in ihren Palästen und Yachten kümmert, was wir denen zurufen, wie wir deren Heuchelei aufdecken.

Und doch: Ich will jedem Menschen erst mal glauben, dass er meint, was er sagt. Doch wenn Leute wie Herr Würth wirklich meinen, was sie sagen, dann bin ich lebhaft neugierig, wie sie all diese Widersprüche ertragen.

Weiterschreiben, Wegner!

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