Was ist der berühmteste Satz aus dem Film »Der Pate« (oder dem Buch)? Welches Zitat fällt Ihnen als erstes zu diesem Meisterwerk ein? Ich vermute, dass es dieses ist: Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann!
Es ist ein Markenzeichen der Mafia (zumindest in Filmen), dass sie euphemistische Formulierungen verwendet, um ihre wahren Taten und Absichten nicht benennen zu müssen.
Der Gegner wird nicht »erpresst« – es wird ihm ein »Angebot gemacht«. Man sagt nicht »ich werde zerstören« – man sagt, es wäre doch schade, »wenn etwas passierte«.
Soweit wir Hollywood-Filmen glauben dürfen, zieht sich solche verschleiernde Rhetorik selbst in die inneren Kreise jener feinen Gesellschaft. Man sagt nicht »verprügele ihn«, sondern »kümmere dich um ihn«. Es ist nützlich und bewahrt einen unter Umständen vor dem Knast, wenn sich nicht zurückverfolgen lässt, wer was beschloss.
Das Stichwort ist »plausible deniability« – »glaubhafte Abstreitbarkeit«. Wenn es hart auf hart kommt, ist es wichtig, abstreiten zu können, für irgendwas verantwortlich gewesen zu sein.
Wissen Sie, wer heute ebenfalls ganz laut jede Verantwortung abstreitet? Das ZDF.
Bevor wir überhaupt in den argumentativen Kindergarten hinabsteigen: Nein, ich vergleiche das ZDF nicht mit der Mafia – die Mafia hat Ehre und macht gute Filme. Was darf die Satire? Kommt aufs Parteibuch an. – Auf der anderen Seite haben Öffentlich-Rechtliche und die Herren in den Anzügen durchaus Gemeinsamkeiten: Beide sind gut mit der Politik vernetzt und haben doch wenig demokratische Legitimation, beide pressen den unfreiwilligen Kunden das Geld ab – und beide üben sich in der Rhetorik der Abstreitbarkeit.
In diesen Tagen wird viel abgestritten! Einer ihrer Satiriker, den sie gern und häufig unter ihrem Logo bewerben, verbreitet Schwarze Listen von Regierungskritikern. Das ZDF hat ihn aufgebaut. Das ZDF bezahlt ihn. Das ZDF annonciert ihn unterm ZDF-Logo. Das ZDF hat diesem Mittelbegabten ein Millionenpublikum verschafft. Das ZDF gibt ihm eine Plattform, seine Kampagnen zu bewerben. Nur den letzten, entscheidenden Schritt seiner Anti-Kritiker-Agitation hat er angeblich »privat« unternommen: die tatsächliche Veröffentlichung der Schwarzen Listen regierungskritischer Bürger, die es (selbstredend nur in Worten) anzugreifen gilt, die geschah vorgeblich »privat«. (Wobei die Erstellung einigen Begleitmaterials wiederum von seiner Firma in Auftrag gegeben wurde. Und wer bezahlt die Firma?)
Um wieder die Mafia als abstrakten Vergleich zu bemühen: Das ist, als würde man den Pistolenmann trainieren, anwerben, bezahlen, mit Waffen und Auto versehen, ihm klar machen, wer der Feind der »Familie« ist – und dann würde er die 10-Cent-Pistolenkugel »privat« kaufen und damit »privat« dem Intimfeind seines Dons ins Knie schießen. Die Mafia könnte sagen, sie habe mit der Tat nichts zu tun, denn ihr Mitglied habe es »privat« getan. Dass sie ihn ausgestattet hat, dass sie sein Gehalt bezahlte und dass es der Gegner des Chefs war, der den »Warnschuss« ins Knie bekam – alles nur Zufall und die Mafia hat damit nichts zu tun.
Wir erleben in der Mainstream-Debatte eine Asymmetrie der Verantwortlichkeit. Wenn es politisch ins Konzept passt, genügt selbst der dünnste Bezug über drei Ecken, um dem politischen Gegner die Verantwortung für eine Tat zuzuschreiben. Erinnern wir uns an den Mann, dem vom Wasserwerk das Wasser abgestellt wurde und der daraufhin dem Bürgermeister eine wohl 3 Zentimer lange 15-Zentimeter-Wunde zufügte – schnell waren sich die Kanzlerinnenfans einig, dass die Opposition und das böse Internet daran Schuld trugen. Wenn die Verantwortung jedoch nicht ins Konzept passt, dann ist kein Abstreiten zu hanebüchen, kein Herauswinden zu verdreht. Dass das ZDF nicht verantwortlich ist für eine Aktion, die ihr prominentester Autor on air plakatiert und dann via Tweet durchführt, das ist lächerlich, und doch folgt es einem Muster.
Russland, so hört man, zahlt Söldner, die »privat« in Syrien oder der Ukraine kämpfen – »offiziell« hat man damit nichts zu tun.
Das ZDF, weiß man, zahlt Herrn B., der »privat« mit Schwarzen Listen gegen Regierungskritiker vorgeht – »offiziell« hat man damit nichts zu tun.
Mein Ohr hört die Worte, doch mein Hirn weigert sich, den Schmarrn zu glauben.
Die Rhetorik des ZDF wäre lächerlich, wenn die Taten, für welche die Verantwortung abgestritten werden soll, nicht so gefährlich wären.
Anders als mancher andere Inhalte-Arbeiter habe ich meine Glaubwürdigkeit nicht an die Glaubwürdigkeit der Öffentlich Rechtlichen geknüpft – ich müsste mit dem Klammerbeutel gepudert sein! Jenen Schreibern und Medienmachern aber, die sich noch selbstbewusst »Journalist« nennen und sich gar nicht erst vom Berliner Medienzirkus distanzieren wollen, also jene schreibenden Recken, die noch an eine kommende Rehabilitation des Medienrufs glauben, denen würde ich dringend raten, das ZDF zu bewegen, sich von solcher Mafia-Rhetorik zu distanzieren – und von solchen Handlungen, auch praktisch.
ARD und ZDF unterbreiten dem Bürger ein Angebot, das er nicht ablehnen kann. (Mutige Juristen arbeiten daran, dass er es doch irgendwann kann!) Niemand, überhaupt niemand hat gewonnen, wenn man es den Bürger so deutlich spüren lässt, dass er es nicht ablehnen kann – dass er nicht einmal wagen sollte, die Einheitsmeinung abzulehnen, weil er sonst auf die Schwarzen Listen kommt. Wäre doch schade, wenn jemand bei deinem Arbeitgeber anrufen würde – ganz satirisch, versteht sich!
Ich kann mich noch erinnern, als wir uns über mögliche Schleichwerbung aufregten, weil Gottschalk seinen Gästen ein paar Gummibärchen anbot. Heute sind wir als Demokraten in Sorge, weil ein ZDF-Promi sich ganz offen anti-demokratischer Denunziation bedient.
Gebt mir die ZDF-Gummibärchen zurück! Gummibärchen sind mir deutlich lieber als Schwarze Listen und anti-demokratische Agitation. Auch das Gummibärchen-Angebot könnte ich nicht ablehnen, aber aus deutlich angenehmeren Gründen!