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Wir müssen positiv denken, so höre ich noch immer. Wir sollen nicht miesepetrig sein. Wer zu viele Sorgen zu laut äußert, der verdirbt doch die Stimmung, und dann macht es alles keinen Spaß mehr.
Ja, denke nur positiv! Positiv, das ist etwas Gutes (außer natürlich, wenn es die Testergebnisse beim Arzt sind).
Ein positiver Mensch, so einer sagt: »Du kannst das«, oder: »Wir schaffen das!«
Jedoch, wir ahnen es schon lange: »Positiv denken«, das ist Geheimsprache für »Probleme leugnen« und »Gefahr nicht wahrhaben wollen« oder »sich traurigen Illusionen hingeben«.
Das kleine Problemchen am Leugnen der Probleme ist ja: Mit jedem Problem, vor dem du die Augen verschließt, wird die Wahrscheinlichkeit deines Scheiterns höher.
Mit jedem Schlagloch, das du nicht sehen wolltest, woraufhin du blind hindurch gebrettert bist, wird die Wahrscheinlichkeit höher, dass dein Auto mit einem Defekt liegen bleibt.
Werden wir unser Ziel erreichen, wenn wir die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns mit jedem Meter radikal – und unnötig! – erhöhen?
In der Realität ist »positives Denken« immer wieder der Auftakt zu »das konnte ja keiner wissen« oder »wenigstens habe ich es versucht«.
Die Schuld an den Folgen seiner Realitätsphobie gibt der positive Denker selten seiner Faktenfeigheit. Magischerweise sind an seinem Scheitern alle Leute schuld außer er selbst. Allzu oft wird sogar derjenige beschuldigt, der die Probleme rechtzeitig bemerkte und vor ihnen zu warnen wagte.
Positives Denken soll auf magische Weise den Erfolg erzwingen, im Widerspruch zu den realen Mechanismen der Welt. Wer vor Problemen warnt, der bringt einen Fluch über die Angelegenheit, so sagt es der Aberglaube, den man »Positives Denken« nennt.
Ich mag, ich will gestehen, jene geistige Fingerübung, die darin besteht, zu Beginn und im Verlauf eines Projektes den Fall eines möglichen Scheiterns durchzuspielen.
In der Business-Welt nennt man diese Technik das »Pre-Mortem«.
In einem Post-Mortem analysiert man, was tatsächlich schiefgegangen ist; im Pre-Mortem dagegen spielt man bloß, dass es bereits gescheitert ist – eine kluge Übung.
Man stellt sich vor, dass das Projekt bereits in Trümmern liegt. Dann überlegt man, aufbauend auf Phantasie und Erfahrung, was mögliche Gründe fürs Scheitern gewesen sein könnten.
Und, siehe da, wenn einmal die »moralische Erlaubnis« erteilt wurde, sich das Scheitern vorzustellen, finden sich manche Faktoren, die plausibel zum Desaster führen könnten.
Der erste Zweck des Pre-Mortem ist aber nicht, schlechte Laune zu verbreiten! Das Pre-Mortem soll vielmehr die gute Laune später sichern. Man sucht die Lücken im Plan, um sie rechtzeitig zu schließen. So wird, durch negatives Denken der positive Ausgang des Projekts gesichert.
Am Ende gewinnt immer die Realität – nicht das Denken, wie positiv und motiviert es auch sein mag. Du kannst die Realität nicht durch dein Denken allein beeinflussen, egal was Löffelverbieger und Motivationstrainer dir sagen mögen.
Ja, es geht um gute Laune, auch beim strategisch negativen Denken! Der Unterschied liegt in der Frage, welche gute Laune dir wichtiger ist. Ist dir die gute Laune während der Planung wichtiger, oder die gute Laune beim Einfahren des Ergebnisses.
Alle erfolgreichen Menschen, die ich je kennenlernte, bestanden darauf, von Problemen schnell und ungeschminkt zu erfahren. (Wir denken hier an den fiktionalen Paten Don Corleone, der ebenfalls darauf bestand, schlechte Nachrichten sofort mitgeteilt zu bekommen – das ist eine Eigenschaft, welche er mit allen realen Machern teilt.)
Viele jener Menschen aber, die ihr Leben gründlich und kaum reparabel vor die Wand fahren, leiden unter der üblen Angewohnheit, reale Gefahren beiseite zu wischen, weil ihnen die Erwähnung und das Bedenken von Problemen schlechte Laune bereitet.
In unserer Sprache gesagt: Wenn deine gute Laune eine maximal relevante Struktur ist, dann ist die Erwähnung von Problemen logischerweise maximal böse.
Positives Denken kann wie eine Droge wirken, wie Alkohol oder Heroin. Wie andere Drogen auch verpfändet positives Denken das Gelingen in der Zukunft für das Wohlgefühl im Moment.
Ich habe Zweifel am positiven Denken – ich glaube ans zielgerichtete Handeln, das sich eines realistischen Denkens bedient. Und im Idealfall ist mein Handeln auf ein Ziel ausgerichtet, welches ich vor mir selbst als ethisch gut rechtfertigen kann.
Ich will realistisch denken und zielgerichtet handeln – auf ein positives, gutes Ziel hin.
Gute Laune ist eine gute Sache, aber nicht jede gute Laune hat Bestand. Mir ist die verdiente gute Laune im Ziel viel wichtiger als eine zwanghafte und nur oberflächlich gute Laune unterwegs.
Die gute Laune beim Erreichen des Ziels, die gibt uns echte Zufriedenheit, auch noch Jahre später.