Dushan-Wegner

17.03.2023

Ein heimlicher Amtseid

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Ein heimlicher Amtseid
Fingerübung für den mündigen Bürger: Wenn Sie aus dem realen Handeln der Politiker auf deren »tatsächlichen« Eid schließen müssten, wie würde dieser »heimliche Amtseid« wohl lauten?
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Wenn du ein Unternehmer bist, solltest du von deinem Produkt so gründlich überzeugt sein, dass du in tiefster Seele glaubst, es sei gar kein anderes Produkt deiner Kategorie auf dem Markt notwendig. Wenn du Politiker bist, solltest du so ehrenhaft und doch intelligent Politik treiben, dass du ehrlich sagen kannst, es sei doch eigentlich keine andere Politik und keine andere Partei notwendig als die deine.

Die Aufgabe von Markt und Demokratie besteht nun darin, den Unternehmern und Politikern, die auch tatsächlich meinen, dass außer ihnen kein anderer notwendig sei, darin dann doch zu widersprechen.

Unternehmer und Politiker finden aber immer wieder neue Wege, für sich den Markt beziehungsweise die Demokratie auszuhebeln.

Wir kennen Tricks wie Preisabsprachen hinter den Kulissen und diverse Geldflüsse an Berlins lupenreine Demokraten, mit denen Unternehmen den Markt zu ihren Gunsten verbiegen möchten.

Doch auch Politiker versuchen täglich, Demokratie und Rechtsstaat für sich auszuhebeln. Wir kennen etwa die wenig demokratischen Tricks, mit denen im Bundestag neue Konkurrenz bekämpft wird. Wenn sogar das Verfassungsgericht unter CDU-Mann Harbarth, das sonst eher durch Abnicken der Regierung auffiel, einmal der AfD (teilweise) recht gibt (tagesschau.de, 22.2.2023), muss die sonstige Schräglage recht gewaltig sein!

Der un-heimliche Vorwurf

Ein rhetorischer Trick, mit welchem Politiker die Werte und Erwartung der Demokratie für sich aufzuheben versuchen, ist der »Populismus-Vorwurf«.

Ein politischer Gegner, der naiv oder idealistisch genug ist, Politik im Geist des nicht-einklagbaren (und damit womöglich wertlosen?) Amtseids zu fordern, wird als »populistisch« abgewertet. (Das setzt natürlich voraus, dass der Begriff »Populismus« durch Propaganda zuvor negativ besetzt wurde.)

Ein Politiker soll seine »Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen«? »Seinen Nutzen mehren«, gar »Schaden von ihm wenden«? Populismus, übelster Populismus!

Der tatsächliche und heimliche Eid scheint heute ein ganz anderer zu sein.

Ich weiß nicht, ob es einen heimlichen Eid gibt, den Politiker heute schwören müssen, bevor oder damit sie trotz offensichtlicher moralischer und intellektueller Unfähigkeit zu höchsten Ämtern in der westlichen Welt aufsteigen.

Ich weiß nicht, ob dieser hypothetische Eid auf »ESG«, auf den »Great Reset« oder auf die große Eule im Bohemian Grove geschworen wird.

Ich stelle lediglich fest, dass falls es einen heimlichen tatsächlichen Eid derer-da-oben gibt, wir aus aktuellen Entwicklungen auf dessen Inhalt zurückschließen könnten. Aus den Spuren am Rand des Waldwegs schließt man ja auch, ob da ein Hirsch entlanglief – oder ein Wildschwein.

Im Postpopulismus

Im Buch »Talking Points« habe ich den Populismus-Vorwurf beschrieben als den Vorwurf, der Gegner würde die Angelegenheit unangemessen stark vereinfachen, auf »wir oder die« reduzieren. Es ist ein Vorwurf, der sich immer machen lässt, da politische Entscheidungen und Debatten immer für eine Vielzahl von Fällen greifen müssen, und also immer »vereinfacht« werden. Der Unterschied zwischen »Populismus« und »klaren, verständlichen und ehrlichen Worten« ist, ob es der politische Gegner sagt oder die eigene Mannschaft.

Jedoch, etwas hat sich die letzten Jahre über gewaltig verändert. Wir sehnen uns heute zurück nach den Zeiten, als Politiker noch »populistisch« waren!

Ich war damals geradezu erschüttert, als ich das makabre post-demokratische Schauspiel der Bundestagsdebatte um den UN-Migrationspakt erlebte (Essay vom 30.11.2018). Da wurde gegen Kritiker und Demokraten gegeifert und gehetzt, da wurde gelogen und verbogen. Wer zu widersprechen wagte, galt als »Feind« und wurde von der geschlossenen Front aus Presse und Propaganda niedergemacht.

(Nebenbei: Ein perfider Aspekt am Migrationspakt ist, dass er explizit verhindert, dass schlecht über seine Konsequenzen berichtet wird; siehe mein Essay vom 2.11.2018. Ich sage aber nicht, dass der aktuelle Rauswurf der Chefetage der zuletzt sympathisch kritischen Bild-Zeitung damit zu tun hat (n-tv.de, 16.3.2023). Ich weiß auch nicht, ob die amerikanischen Axel-Springer-Investoren einen hier relevanten Eid geschworen haben.)

Inzwischen bin ich es fast schon gewohnt, dass deutsche Politiker in kreischenden Tönen wie die wildesten der Populisten klingen – doch was sie sagen, klingt ganz und gar nicht »zum Wohl des Volkes« – ganz im Gegenteil!

Ich überlasse es Ihnen, zu erraten und hier einzusetzen, wen ich meinen könnte, wenn ich sage: Letztens erinnerte mich der Auftritt einer deutschen Politik-Fachkraft an die Theatralik eines Mussolini, und das Gesagte an die Hetze anderer uns von Schwarzweiß-Bildern bekannten Gestalten.

Das logische Problem an dieser Ähnlichkeit war allerdings: Dieser Mensch und auch die Kollegen dieses Menschen brüllen und fluchen und hetzen und diffamieren zwar ähnlich wie gewisse historische Gestalten – doch der Inhalt ihres Geschreis verteidigt nicht einmal der Wortlaut nach das Volk und sein Wohl, sondern die Interessen und Vorgaben der bekannten Eliten!

Ehrliche Fragen: Zu wessen Wohl – außer dem eigenen, klar – handelt die SPD? Oder die Grünen? Die FDP? Oder bis eben noch die Merkel-CDU? (Anmerkung: Ich meine Politiker auf Bundesebene – auf lokaler Ebene gibt es mehr als einen Anständigen.)

Die-da-oben behaupten, im Namen einer höheren Moral zu handeln, doch wer das glaubt, der glaubt auch, dass hinter Frau Thunberg oder Klimaklebern keine anderen Interessen als die Sorge ums Klima zugange sind.

Welcher wäre das?

»An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen«, so sagt Jesus (Matthäus 7:16). Wir lassen uns inspirieren, und wir fragen: Wenn man aus den tatsächlichen Handlungen der Politiker ableiten könnte, welchen Eid sie geschworen haben, welchen Eid würden wir bei diesen Politikern ableiten?

Ich frage mich seit gefühlten Jahrtausenden, ob es noch einen Sinn ergibt, über Politik zu schreiben, wenn ich »eh nichts dran ändern kann«. Und dann wird mir immer wieder neu bewusst, dass es nicht um »die Politik« geht, sondern um uns, die wir in einer von dieser Politik geformten Welt leben.

Du lebst in einer Welt, in welcher Menschen über dich herrschen, die ihre Lebensläufe und ihre Bücher fälschen, von denen du im Alltag weder ein Handy noch ein Auto kaufen würdest. Frei nach Frau Angela M.: Es ist egal, ob du sie gewählt hast oder nicht, jetzt sind sie halt da – und »da« bedeutet natürlich »an der Macht«.

Ja, es wäre eine interessante Fingerübung des mündigen Staatsbürgers, aus den Handlungen der Politiker ihren vermeintlichen tatsächlichen Eid abzuleiten, welchen Zielen sie sich tatsächlich verpflichtet fühlen.

Auf der Welt

Jedoch, viel wichtiger als das Innenleben der Politiker – so vorhanden – bleibt doch unser eigenes Seelenheil.

Wenn man aus meinem tatsächlichen Handeln meinen »privaten Amtseid« ableiten müsste, welcher wäre das?

Der Unternehmer soll so gründlich von seinem Produkt überzeugt sein, dass er glauben kann, es bräuchte in seiner Kategorie kein anderes als das zu sein. Der Politiker ist ohnehin überzeugt, dass es außer ihm keinen Politiker braucht, und dass alles außer Diktatur ein Makel im System ist.

Du aber weißt, dass du nicht der einzige Mensch auf der Welt bist, und auch dass die Welt noch andere Menschen außer dir braucht – nicht nur, um dich beschäftigt zu halten.

Und doch darfst du dir an den Weltenlenkern und Großkopferten ein Beispiel nehmen: Du darfst dich ernst nehmen – und du darfst dir selbst genug sein, denn mehr Du als dich selbst wirst du nie haben.

Weiterschreiben, Wegner!

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