07.07.2024

Türken in Deutschland, beim Fußball

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten
Der Wolfsgruß eines türkischen Nationalspielers war keine einmalige Ausnahme. Nun zeigten Türken in Anwesenheit von Erdogan und Özil das rechtsextreme Zeichen. Stellt euch mal vor, dass Deutsche bei einem Auslandsspiel … uff!

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Ich will über die Türken und die Deutschen reden. Halt, eine Korrektur, nein, Präzisierung: Ich rede nicht über »die Türken« im Sinne dieser oder jener konkreten Menschen. Ich rede abstrakter. Ich rede »nur« über ein bestimmtes Verhalten, das jüngst an den deutschen Tag gelegt wurde. Noch korrekter, noch präziser: Ich rede über einen Aspekt des Türkischen, insofern dieser aktuell als Aspekt des Verhaltens in Deutschland lebender Türken in Erscheinung tritt.

Gestern erst berichtete ich vom »Wolfsgruß« eines türkischen Fußballspielers in Deutschland.

Zur Einordnung, zusammenfassend: Es wird debattiert, ob der »Wolfsgruß« die türkische Variante jenes »römischen Grußes« ist – der Saluto Romano –, der vor einiger Zeit in Deutschland auf Betreiben eines österreichischen Kunstmalers populär wurde. Jener »römische Gruß« wird heute auch etwa in Palästina und der Ukraine praktiziert. Und doch ist er nicht als »Slawa-Ukraini-Gruß« oder als »Hisbollah-Gruß« bekannt, sondern, wohl zu »Ehren« jenes Österreichers, als »Hitlergruß«.

Einige in der Debatte meinen, der »Wolfsgruß« sei die türkische Variante des Hitlergrußes, weil er ja für sehr ähnliche Werte steht. Andere sagen, dies sei nicht so, doch ihre Begründung entspricht mehr dem Thunbergschen »How dare you?«, als einer im westlich-logischen Sinne kohärenten Argumentation.

Giftige Frucht aus Merkels Saat

Spätestens seit Gündoğan & Özil wissen wir, dass wesentliche Teile der türkischen Community in Deutschland Herrn Erdogan als »ihren Präsidenten« ansehen, als ihre höchste weltliche Autorität (siehe dazu auch meinen Essay »Wie soll man sich integrieren in ein Land, das nicht Heimat sein darf?« aus dem Jahr 2018).

Als nun diese Woche bei einem Fußballspiel von einem türkischen Spieler der rechtsextreme Wolfsgruß gezeigt wurde, wie reagierte Herr Erdogan, wie reagierte mit ihm die türkische Community?

Nun, die Deutschen erinnerten sich daran, dass das türkische Rechtsextreme in Deutschland nicht verboten werden kann, denn als eine der vielen giftigen Hinterlassenschaften der unseligen Deutschland-Kaputtmacherin Merkel ist Deutschland von Erdogan erpressbar. Und Erdogan will (wohl aus banalen innenpolitischen Gründen) nicht, dass die türkischen Rechtsextremen samt ihrer Symbole in Deutschland verboten werden.

Wie also reagierten Erdogan und seine deutschen Gefolgsleute?

Erdogan kam persönlich, übrigens in Begleitung des als türkischer Patriot bekannten Herrn Özil, zum Länderspiel nach Berlin. (Özil präsentierte jüngst übrigens sehr selbstbewusst sein Wolfstattoo auf der Brust; siehe bild.de, 7.7.2024. Das Tattoo stammt aus jüngerer Zeit; er trug es noch nicht, als Frau Merkel sich zum halbnackten Özil in die Kabine bringen ließ; siehe welt.de, 20.10.2010.)

Gute Hymne, böse Hymne

Als also nun die türkische Nationalhymne aufspielte, zeigten ungezählte »Deutschtürken« stolz und selbstbewusst den rechtsextremen Wolfsgruß (bild.de, 7.7.2024).

Der Text der türkischen Nationalhymne enthält in deutscher Übersetzung übrigens diese schließenden Zeilen: »O Halbmond, ewig sieggewohnt, scheine uns freundlich und schenke Frieden uns und Glück – dem Heldenvolk, das dir sein Blut geweiht.

Wahre die Freiheit uns, für die wir glühn, höchstes Gut dem Volk, das sich einst selbst befreit.«

Bewegende Worte, selbstbewusste Worte. In Deutschland gilt die Nationalhymne von »Einigkeit und Recht und Freiheit« derweil als »rechts«, also böse. Wer sie anstimmt, wird schon mal abgeführt (siehe Essay vom 23.1.2024) – und wir reden hier nicht einmal von der verbotenen ersten Strophe, welche sich zu sagen erdreisten wagt, dass einem das eigene Land mehr am Herzen liegt als andere.

Im verfluchten deutschen Staatsfunk dichtet man schon mal die deutsche Hymne um, natürlich im Geiste der von BlackRock und Larry Fink vorgegebenen »Diversity«, nämlich: »Einigkeit und Recht und Freiheit und vor allem Vielfalt« (siehe dazu meinen Essay »Ball rollt, Messer stechen«).

Die Türken besingen sich derweil ganz selbstverständlich als »Heldenvolk«, das dem Halbmond sein »Blut geweiht« hat, und »das sich einst selbst befreit«. Und sie zeigen wohl wissend den Wolfsgruß, und wir alle tun so, als wäre es nicht vergleichbar damit, wenn Deutsche bei einem Länderspiel im Ausland … ach, genug.

Das Große im Kleinen

Lasst uns kurz philosophisch werden, von asiatischer Weisheit inspiriert. Ich fühlte mich bei den Meldungen vom Wolfsgruß bei der EM an eine alte Weisheit erinnert: Das Kleine spiegelt sich im Großen, und das Große spiegelt sich im Kleinen.

Den Deutschen wird auch das bescheidenste positive Gefühl gegenüber ihrem Land ausgeprügelt. »Deutschland« soll für die Deutschen nur ewige Schuld und Pflicht sein, nie Anrecht und Heimat im vollsten Sinne.

Schon 2016 schrieb ich: »Die merkelsche Pflichtrepublik wird scheitern. Sie scheitert bereits.« »Wir müssen ›Wir‹ zurückerobern. Wir müssen Deutschland neu definieren. Ein Land muss mehr als ein Pflichtenkatalog sein.«

Die Aufregung um den Wolfsgruß bei der EM ist im weltgeschichtlichen Maßstab eher »klein« (und lenkt so schön ab). Doch diese »kleine« Ablenkung spiegelt das Große, den Alltag eines Landes, in welchem das Selbstbewusstsein-Vakuum bei der einst heimischen Bevölkerung durch das übergroße Selbstbewusstsein der einstigen Gäste ausgeglichen wird.

Nicht ewig so weiter

Doch mancher Bürger wird auch sagen, dass sich die kleinen Erlebnisse seines Alltags in genau diesen »großen« Ereignissen im Stadion spiegeln.

Ach, es ist nicht »nur« Poesie, dass das Große zum Kleinen wird. Der selbstbewusste Wolfsgruß im Stadion von Berlin wird das nationale Selbstbewusstsein mancher rätselhafterweise in Deutschland lebender Türken neu entfachen. Und diese kleinen Momente des Selbstbewusstseins summieren sich zum neuen Großen.

Ich glaube nicht, dass das ewig so weitergehen kann. Ich bin nicht sicher, ob die Deutschen gemeinsam dem Abgrund oder einem neuen Gipfel entgegengehen – dem Abgrund ihrer Existenz oder dem Gipfel neuer Selbsterkenntnis, neuen Wissens um sich selbst.

Etwas ändert sich, ob auf- oder abwärts. Wir wollen unser Bestes geben, das Morgen auch tatsächlich zu erleben – brüderlich mit Herz und Hand!

Weiterschreiben, Dushan!

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