05.07.2024

Meinungsumfragen und Propaganda

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten
Propagandakreislauf: Staatsfunk hämmert den Leuten ein, dass sie »XYZ« meinen sollen – und dass alles andere unanständig ist. Dann macht man Umfragen und – oh Wunder! – die Leute sagen »XYZ«. Sind wir wirklich so doof?

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Wir kennen sie doch, diese Kollegen, die wären niemals so verwegen, eine Meinung nur allein zu vertreten, sie zu verteidigen, für sie streiten, ob mit Florett oder Degen, wenn Masse und Mehrheit dagegen stehen.

»Der wichtige Herr Soundso, der hat Autorität, und der sagt das ebenso«, so hört man von denen. Oder: »Das meine nicht nur ich, das meinen die meisten hier. Das weiß man eben so, das tut man eben so.«

Ein solcher ist ständig damit beschäftigt, sich seines Teil-der-Mehrheit-Seins zu vergewissern. Wenn so einer mit dir spricht, wirst du immerzu Nachfragen ertragen müssen wie: »Findest du nicht auch?« und: »Das siehst du doch genauso, oder?«

In jedem von uns

Ach, etwas von diesem unsicheren Mehrheitssucher lauert doch in der Seele von jedem von uns – so wie sich in jedem von uns ein Mörder bereithält, ein Dieb, ein Heiliger, ein Prophet und manch anderes Gesindel. Zur Erziehung wie auch zur Weisheit gehört aber, die bösen Triebe im Zaum und Zügel zu halten (ein Leben lang) und dafür die produktiveren Triebe sprießen zu lassen (bevor ihre Gelegenheit vorüber ist).

Dieser schmierige, mehrheitssüchtige, unsichere, massenaffine, schwache und genau in seiner Schwäche gefährliche Homunculus in jedem von uns ist die Zielgruppe, das Herzenspublikum der Propaganda, der Meinungskonzerne, der Journaille.

Bei tagesschau.de, 04.07.2024 las ich: »Ein (sic!) große Mehrheit der Deutschen sorgt sich um den Zustand der Demokratie in unserem Land. Aber auch auf Frankreich und die USA – wo noch in diesem Jahr gewählt wird – blicken die Deutschen mit Besorgnis.«

Man lacht nicht mehr darüber, auch wenn es lächerlich ist. Man schnauft aber, schüttelt den Kopf, zuckt mit den Schultern.

»Sorge der Mehrheit« sichert die Macht

Diese bemerkenswerten Thesen zur »Sorge« von Millionen Deutschen wurden im Rahmen des »Deutschlandtrends« aufgestellt. Dieser »Deutschlandtrend« ist eine Meinungsumfrage der sogenannten ARD. Man will die politische Stimmung im Land erfassen, Zustimmungswerte zu politischen Parteien und Politikern und so weiter.

Ein Zyniker würde sagen: Auch diese Umfragen sind Teil eines Gesamtphänomens, das mit »Demokratiesimulation« vermutlich nicht offiziell richtig, aber gewiss auch nicht vollständig falsch beschrieben wäre.

Der Zweck des Begriffs »Demokratie« ist natürlich, den Bürger zu motivieren, die Mächtigen als solche zu akzeptieren. Das hat die Demokratie gemeinsam mit der Monarchie, dem Gottesstaat und anderen.

Wenn nicht gerade die CIA weltordnend eingreift, werden die Mächtigen immer dieselben bleiben, welches Etikett auch immer auf der Machtrechtfertigung klebt.

Mehrdimensional perfide

Ich hörte mal von einer Stadt, sehr weit weg hier, einmal um die Welt herum, da hatten sie ein Marionettentheater mit dem Namen »Diktatur«. Das benannte sich um in »Demokratie«, doch auf die Türen klebten sie Plakate: »Die Marionettenspieler sind noch immer dieselben! Die meisten Marionetten (bis auf einige Holzköpfe, derer wir uns bei Gelegenheit von Besitzerwechsel und Umbenennung entledigten) sowieso!«

Freunde, wenn die Propaganda »dies ist eine Demokratie« schreit, dann müsst ihr es in der ersten Stufe übersetzen als: »Die Macht, die jetzt über euch herrscht, ist gerechtfertigt!« In der zweiten und eigentlichen Stufe aber als Mahnung und Befehl – und damit als Drohung: »Füge dich!«

Wenn der Staatsfunk also nun den Bürgern versichert, dass eine »große Mehrheit der Deutschen« sich »um den Zustand der Demokratie in unserem Land« »sorgt«, dann ist das gleich mehrdimensional perfide – aber auch dechiffrierbar.

»Große Mehrheit« appelliert an den Trieb im Menschen, sich der Mehrheitsmeinung anzuschließen, wie hanebüchen oder schlicht sinnleer die Meinung der Mehrheit auch sein mag.

Und dann: Die Formulierung »sorgt sich um den Zustand« lässt uns natürlich fragen, was da wohl gefragt wurde – doch müssen wir das wirklich wissen? Natürlich hat jeder Mensch mit Puls und Verstand eine Sorge.

»Demokratie« vs. Demokratie

Ja, gerade die, die von Staatsfunk und Propaganda als Gefahr für die Demokratie und damit als Anlass zur »Sorge« um ebendiese diffamiert werden, können am gründlichsten Begründen, warum sie sich ebenso Sorgen um die »Demokratie« machen. Nur dass die Propaganda und wir Unterschiedliches darunter verstehen.

Die Propaganda versteht heute unter »Demokratie«, dass die etablierten Mächte ebensolche bleiben.

Ich verstehe unter »Demokratie«, dass ein Volk, eine Nation ihr Schicksal und ihre praktische Ordnung, ihr Rechtswesen und so weiter in freien Wahl selbst bestimmt. Ich glaube an die Wahrheit jenes Bonmots, dass die Politiker in einer Demokratie wie die Windeln des Säuglings regelmäßig ausgetauscht werden sollten – und zwar aus denselben Gründen. In der deutschen »Demokratie« gilt solches demokratische Denken als »delegitimierend«.

»Sorge um die Demokratie« ist Propaganda-Code für »Sorge um die Macht der Etablierten«. Man redet den Deutschen ein, dass sie Sorge haben sollen um die Macht der Etablierten.

Ihr mögt nun sagen, ich sei arg polemisch. Doch versucht einmal mit einem Staatsfunkgläubigen seinen Demokratiebegriff zu diskutieren – er wird herumeiern, denn »Demokratie« bedeutet für ihn »zu akzeptierende Macht«.

Wirklich so doof?

Angeblich sorgen sich, so sagt der Staatsfunk, 61 Prozent der Deutschen auch um den Zustand der Demokratie in Frankreich. Hahaha, kein Zufall: Marine Le Pen könnte dort künftig die Regierung anführen. Also macht der Staatsfunk schon mal Stimmung gegen die demokratische Rechtfertigung einer demokratisch gewählten Regierung.

67 Prozent sorgen sich angeblich um die Demokratie in den USA – Stichwort »Trump«. Und schließlich: 59 Prozent der Deutschen sorgen sich um den Zustand der Demokratie in Deutschland.

Ich halte diese Zahlen für lächerlich – sie sagen wenig über die Menschen und viel über die Absichten der Propaganda aus. Man beachte aber, über das Lustige hinaus, den Versuch der Propaganda, diesen deutschen Propagandakreislauf anzutreiben.

Die deutsche Propaganda erzählt den Menschen, dass X böse ist. Das macht sie mit Milliardenaufwand und über Jahre. Dann lässt sie eine Umfrage erstellen, deren Fragen gewiss nicht dumm formuliert sind. Diese Umfrage ergibt etwas, das sich »journalistisch« als »X ist böse« interpretieren lässt. Und dann speist die Propaganda als neue Erkenntnis in den Propagandakreislauf ein, dass die Mehrheit der Deutschen meint, dass X böse ist. Diese »neue« Nachricht aber appelliert an jenen Teil der Menschen, die Teil der Mehrheit sein wollen, selbst wenn es sie zu Lügnern und Schafen auf dem Weg ins Schlachthaus macht.

Nicht denken – „sorgen«!

Es gibt diese Leute, und sie begegnen uns überall, die laufen immer nur mit der Meute, die mögen nicht das Denken, außer das betreute.

Und diese Leute sind in Sorge, so lese ich, dass sich etwas verändern könnte.

Wenn die Bösen sich ärgern und die Dummen sich sorgen, dann dürfen wir etwas Hoffnung wagen.

Weiterschreiben, Dushan!

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