Dushan-Wegner

15.01.2017

Israelkritik

von Dushan Wegner, Lesezeit 2 Minuten
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Nehmen wir an, ein Arbeits-Kollege hackt immer nur auf Ihnen herum. Sie sind kein besonders schlechter Mitarbeiter. Im Gegenteil! In Ihrer Abteilung sind Sie einer der anständigsten, erfolgreich sowieso. Dieser eine Kollege aber kritisiert immer nur Sie. Er tut es laut. Er tut es öffentlich, täglich und leidenschaftlich.

Sie bringen dieses merkwürdige Verhalten zur Sprache. Der Kollege tut ganz erstaunt und macht gleich Ihre eigene Frage Ihnen selbst zum Vorwurf. Man darf doch mal korrigieren! Was haben Sie denn zu verstecken, dass Sie nicht kritisiert werden wollen? Sie aber fragen sich, ob alle bekloppt geworden sind.

So ungefähr ist die Situation mit Israelkritik. Es gibt ein Land im Nahen Osten. Es ist die einzige Demokratie in der Umgebung. Die Gründung des Landes war auch eine Reaktion auf den Holocaust. Obwohl es explizit ein jüdisches Land ist, sind 17 Mitglieder des demokratisch gewählten Parlaments Araber, darunter Muslime und Drusen. Die umliegenden Länder erlebten und erleben derzeit einen jüdischen Exodus, sprich: Flucht – oder das Land strebt sogar eine »Judenfreiheit« explizit an.

Dieses Land aber wird besonders häufig und laut kritisiert. Allein im Jahr 2016 hat laut UN Watch die UN-Generalversammlung ganze 20 Resolutionen gegen Israel erlassen, teilweise eingebracht von Menschenrechts-Vorreitern wie Saudi Arabien. Der Rest der Welt war in ganzen 6 Fällen kritikwürdig.

Die Israelkritikfrage ist also in Wirklichkeit mehrere Fragen. Inspiriert vom 3-D-Test für Antisemitismus, würde ich für Deutschland mindestens diese Fragen formulieren:

  1. Darf man Israel kritisieren? – Antwort: Ja, »man« darf. So wie man Arbeitskollegen kritisieren »darf«, siehe oben. – Die Fragen sind eher folgende:
  2. Kann der Kritiker begründen, wieso er gerade Israel kritisiert?
  3. Werden an übrige Länder der Region jeweils dieselben Maßstäbe angelegt?
  4. Wenn 2. oder 3. mit »Nein« beantwortet werden: Kann es sein, dass die »Israelkritik« in Wahrheit simpler Judenhass in dünnem Polit-Kleidchen ist?

In der Vergangenheit passierte es immer wieder, dass Fälle von Israelkritik bei näherem Hinschauen eher wie intellektualisierender Antisemitismus erschienen. Henryk Broder schreibt oft darüber.

Neu ist ein umgekehrtes Phänomen: Handlungen, die prima facie nach schlichtem Antisemitismus aussehen, werden zu Israelkritik umgelabelt und so, buchstäblich, »freigesprochen«. Jüngst wurde der Brandanschlag dreier Herren auf die Synagoge in Wuppertal vom Richter als »Israelkritik« zum politischen Statement gelabelt. Da braucht es keine Fragenkataloge. Es hat sich etwas verschoben in Deutschland.

 

Weiterschreiben, Wegner!

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