Dushan-Wegner

13.09.2017

Warum Wahlprognosen in 2017 so einfach sind

von Dushan Wegner, Lesezeit 3 Minuten, Foto von Michal Lomza

Die einen Parteien sprechen über Themen, die den Wählern wichtig sind. Die anderen wollen eigene Themen »wichtigmachen«. Das macht Prognosen einfach.

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Academia (gemeint: Universitätsbetrieb, nicht Wissenschaft) und die öffentliche Debatte haben zwei folgenreiche Eigenschaften gemeinsam. Sie verlangen immer wieder nach etwas Neuem. Und vor allem die Geisteswissenschaften sind fasziniert vom kompliziert Daherkommenden. (Manch deutscher Philosoph wirkt beinahe trivial, wenn man seine Texte in »normale« Sprache übersetzt.)

Die Sucht nach immerzu Neuem und die blöde Bewunderung des Komplizierten haben Einfluss auf die Debatte jenseits der Universitäten. Gesprächspartner (und Journalisten), die sich für »bildungsbürgerlich« halten, wollen neue Thesen hören, auch wenn die alten genauer sind. Sie vertrauen eher dem, den sie nicht verstehen, denn wer kompliziert redet, der wird doch wissen, wovon er redet – er ist ja »Experte«, sonst würde er nicht so kompliziert reden!

Ich habe mich vor ein paar Tagen mit einem fleißigen Nachrichtenleser über Talking Points im Wahlkampf unterhalten. Er hatte George Lakoff und Elisabeth Wehling gelesen. Frank Luntz hatte er leider verpasst. Er erzählte mir von Framing und Metaphern und Gehirnscans. Er bewunderte die digitalen Kampagnen Obamas (und seines hochkarätigen Teams) und hatte auch von der Kampagne Trumps gehört.

Er fragte schließlich, was man vom deutschen Bundestags-Wahlkampf 2017 zu halten habe.

Ich stellte eine einfache These auf: CDU und AfD sprechen über Dinge, die Wählern wichtig sind (Sicherheit, Ordnung, Grenzen etc.). Die anderen Parteien haben eigene Themen (Gerechtigkeit, Klima, Digitalisierung), die sie erst »wichtigmachen« wollen und müssen – eine meist unnötig schwierige Taktik. Im Endspurt des Wahlkampfs brauchen CDU und AfD nur ihre Linie weiter geradeaus zu fahren (und Angriffe abwehren), die anderen müssen entweder versuchen, die CDU/AfD-Themen selbst aufzunehmen, frontal anzugreifen, oder sie können, wie die Grünen, die Veganer-Partei et cetera, weiter »ihr Ding« machen.

Ich bewundere die Kampagne der CDU ob ihrer an Zen grenzenden, mutigen Einfachheit. Ich staune über die Kampagne der Grünen ob ihrer an Aktionskunst grenzenden Weltfremdheit.

Man könnte digitale Kampagnen und Strategien zur Wählersprache analysieren, man könnte die Farbpsychologie der Plakate und die Verbkonstruktionen der Slogans zerpflücken. Als jemand, der Solches lang und ausgiebig getan hat, meine ich, sagen zu können, dass es in diesem Jahr weniger nötig ist.

Der Bundestags-Wahlkampf 2017 ist spektakulär einfach zu beschreiben. CDU und AfD sprechen über Dinge, die den Menschen wichtig sind. Die anderen Kampagnen sprechen über Dinge, die zuerst der jeweiligen Partei wichtig sind.

Wenn wir aus den US-Wahlen in 2016 etwas gelernt haben, dann dies: Es gewinnt derjenige, der von Anfang an darüber spricht, was den Menschen wichtig ist.

Die zwei großen Gewinner werden am Abend des 24.9.2017 also CDU und AfD sein – wenn nicht bis dahin noch etwas passiert oder auftaucht, was den Bundestags-Einzug der AfD verhindert. Ein dritter, »gefühlter« Gewinner wird die FDP sein, da sie nach der Großen Katastrophe von 2013 wieder in den Bundestag einziehen wird. (Ihre Themen sind dann doch deutlich mehr Menschen wichtig als damals.) Alle anderen sollten sich fragen, warum sie über Dinge sprachen, die den Wählern nicht wirklich wichtig waren.

Ja, es ist so einfach.

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