04.07.2025

Warum bauen die Reichen keine Bibliotheken mehr?

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Bild: »Der Weg weg«
Ist euch schon mal aufgefallen, dass die Reichen keine Bibliotheken, Theater oder Museen mehr bauen? Diese Dinge stiftete man, als man noch an die Menschheit glaubte. Die Reichen haben uns aufgegeben – und manche wollen nur irgendwie wegkommen.
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In einem früheren Zeitalter, damals, als das Wünschen noch half, als der Sommer einfach nur Sommer war und das Freibad noch kein Risikogebiet, in jener mythischen Zeit, da haben die Reichen – man glaubt es kaum – Bibliotheken und Konzerthäuser gebaut.

Die wunderschöne New York Public Library. Das Guggenheim Museum. Baron Rothschild sponserte den Louvre. Warburg sponserte die Hamburger Kunsthalle. Städel das Städel. Thyssen die Sammlung Thyssen-Bornemisza in Madrid.

Heute aber, im noch frühen dritten Jahrtausend, hat sich etwas gründlich verschoben.

Sicher, durch ihre steuersparenden Stiftungen spenden die Reichen noch immer an Kultur und »gemeinnützige« Organisationen. Besonders euphorisch überweisen sie dann, wenn dort der Sohn, der Gatte oder der Schwippschwager eines relevanten Politikers »arbeitet«.

Und doch erlebten wir in den letzten Jahrzehnten nur selten, dass ein Superreicher etwa ein ganzes Museum oder einen Krankenhausflügel spendete. Früher spendeten die Superreichen neue Krankenhäuser, heute werden sie mit Krankenhäusern erst superreich.

Ausgehöhlt und inszeniert

Heute bauen die Reichen keine Bibliotheken mehr. Was aber tun sie dann?

Lasst mich zunächst zwei »typische« Arten notieren, wie sich überflüssige Milliarden loswerden lassen – und dann reden wir von einer dritten Weise, die mich mindestens stutzen lässt.

Nun, da wären jene amerikanischen Milliardäre, die ihr Geld an Stiftungen verschieben, die sie selbst kontrollieren. So eine Stiftung könnte – als rein hypothetisches Beispiel – ihr Geld wiederum etwa in Aktien einer bestimmten Sparte investieren, eine globale Panik inszenieren, die genau diese Aktien im Wert steigen lässt, und bevor die Panik kollabiert, diese Aktien rechtzeitig verkaufen.

Dann wären da jene Milliardäre, die in NGOs investieren, die via Propaganda, Fake-Demos, Politiker-Einbindung et cetera gezielt Gesellschaften destabilisieren, die Moral und den Selbsterhaltungswillen von Nationen aushöhlen und schließlich diverse »Revolutionen« inszenieren. Womöglich sind einige dieser bösen Superreichen in Wahrheit nur das öffentliche Gesicht anderer, noch viel reicherer und größerer Mächte, die den Westen von innen heraus zerstören wollen.

In den vergangenen Monaten und Jahren fiel allerdings eine dritte Weise auf, wie Superreiche ihr »überflüssiges« Geld investieren.

Ich meine eher Leute wie Peter Thiel.

Mit Woodstock und den Hippies

Das linke Magazin The Nation titelt dieser Tage: »Die Milliardäre verlassen die Menschheit« (thenation.com, 30.06.2025).

Peter Thiel wurde als Mitgründer von PayPal reich. Er investierte früh in Palantir und Facebook. Sein Vermögen wird auf über 20 Milliarden Dollar geschätzt.

In der Weltdeutung des Peter Thiel begann das Ende der geistigen Entwicklung der Welt in den Siebzigern mit Woodstock und den Hippies:

> We landed on the moon in July of 1969, Woodstock started three weeks later and, with the benefit of hindsight, that’s when progress stopped and the hippies won. (Peter Thiel im Interview mit nytimes.com, 20.6.2025)

Das Gegenargument des stramm linken Magazin »The Nation« lautet, dass sie darüber lachen müssen (»doesn’t even pass the laugh test«). Wenn man bedenkt, dass Lachen der Ausdruck schmerzhafter Wahrheit ist, spricht das wohl für Thiels These.

Sollen sie halt zum Mars fliegen

Laut Thiel wurde die (wohl geistige und auch technologische) Entwicklung des Westens – und damit wohl: der Menschheit – durch eine historisch nie dagewesene Fixierung auf Ideen von Frieden und (persönliche) Sicherheit abgewürgt.

Fragt man Peter Thiel und einige seiner ideellen Kollegen danach, ob die Menschheit überleben wird – oder auch nur überleben soll –, zögern sie und winden sich, um dann im gemurmelten Konjunktiv zu bejahen.

Der Autor in The Nation diagnostiziert, dass Peter Thiel und einige seiner Co-Tech-Milliardäre den Glauben an die Menschheit insgesamt verloren haben.

Jener Autor Jeet Heer ist politisch stramm links, und deshalb schließt er sein Geschmiere mit der Empfehlung, wenn sie die Menschheit aufgegeben haben, dann sollen sie halt zum Mars fliegen, damit die Menschheit sich von ihnen befreien kann.

(Wir fragen uns, wie desolat der geistige Zustand linker Schreiber sein muss, dass sie so einen dümmlichen Dreck formulieren und zur Veröffentlichung freigeben.)

Aktuell dringender

Manche Journalisten merken, dass die Tech-Bros um Thiel nicht nur in Künstliche Intelligenz investieren, sondern eine »natürliche« Rolle von KI im Transhumanismus sehen. (Transhumanismus ist die Idee, menschliche Fähigkeiten mithilfe von Technologie wie Neuralink zu erweitern.)

Solche Ideen habe ich bereits diskutiert (etwa im Essay »Ein Chip im Hirn für jeden« aus dem Jahr 2020), und wir werden sie weiter und bald auch gründlicher diskutieren müssen. Ja, es ist etwas monsterhaft. Und doch finde ich das, was schon jetzt im Kopf von Peter Thiel vorgeht und was der linke Autor in The Nation tatsächlich richtig feststellt, aktuell dringender.

Nicht (nur) dass Leute wie Thiel, Musk oder Zuckerberg absurde Summen in KI (oder Raketen) investieren, sollte uns zuerst Sorge bereiten, sondern dass sie es womöglich tun, weil sie die Menschheit aufgegeben haben.

Ein zu großer Kreis?

Die Superreichen bauen keine Bibliotheken für die Menschen mehr. Und noch länger ist es her, dass die Reichen sich mit Gott gut stellen wollten, indem sie den Bau wunderschöner gothischer Kathedralen finanzierten. Die Reichen haben nach Gott auch die Menschen aufgegeben. Zusammen mit dem Freimaurer Goethe rufen sie:

»Habet die Narren

eben zum Narren auch,

wie sich’s gehört!«.

Würdest du denn eine Bibliothek für fremde Menschen bauen?

Wenn ich mich dazu zwinge, jeden Zweckoptimismus abzulegen, kann ich eine Hoffnung für die Menschheit mit dem Verstand allein rechtfertigen?

Wenn die Menschheit mir ein zu großer Kreis ist, dann: mein Land?

Meinen Freundeskreis?

Meine Familie?

Mich selbst?

Ich schrieb 2018 den Essay »Das Lied der Innenhöfe«. Wohl dem, der sich erfolgreich seinen »Innenhof« einrichten konnte – und an dessen Fortbestehen glauben kann.

Dessen Teil ich bin

Falls ich nicht mit dem Verstand ehrlich an die Zukunft dieser oder jener größeren Struktur glauben kann, woran kann und will ich dann glauben? Glaube ich, vom Verstand gerechtfertigt, an das Fortbestehen der Menschheit? Dieses Landes? Einer Gesellschaft mit Werten, die auch nur in groben Zügen im Einklang mit meinen Werten sind?

Wir haben die idiotische linke Antwort gehört: »Wenn die schlauesten Leute dieses Planeten nicht mehr an die Menschheit glauben, sollen sie halt alle zum Mars fliegen.«

Eine klügere Antwort wäre, sich diese Peter-Thiel-Frage zu stellen und ehrlich zu erforschen: Auf welche Struktur, deren Teil ich bin, will ich meine Hoffnung legen? Was, dessen Teil ich bin oder werden kann, wird bestehen?

Weiterschreiben, Wegner!

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