Stellen wir uns vor, ein Restaurant würde öffentlich erklären, dass es aus moralischen Gründen keine Kopftuchträgerinnen mehr bewirten wird. – Die Begründung ging etwa so: Frauen im Iran protestieren gegen dieses Symbol der Frauenunterdrückung, und sie riskieren damit schlimme Strafen; aus Solidarität mit dem Kampf der Frauen in der islamischen Welt um Gleichberechtigung und volle Menschenrechte, wolle man das Symbol der weiblichen Unterordnung nicht in seinen Räumen ausgestellt sehen.
Wenn Linksgrüne, wie sie es behaupten, für moderne Moral, Gleichberechtigung und Frauenrechte stehen, dann müssten sie doch über einen so mutigen Schritt jubeln.
Würden sie jubeln?
Wer diskriminiert hier wen?
Eine etwas absurde und doch für die Demokraten unter uns irritierende Meldung wabert dieser Tage durch die Nachrichten.
Die Angestellte eines italienischen Restaurants in Berlin schrieb eine Frau Trúóng an, dass sie keinen Tisch bereithalten würde für die Partei, in deren Auftrag jene Frau Trúóng sie zuvor angeschrieben hatte. Anders als Frau Trúóng hatte die Angestellte des Restaurants einen sehr deutschen Namen, was sie nicht daran hinderte, Nachhilfe über Gut, Böse und Diskriminierung zu geben.
Die Begründung war, dass jene Partei angeblich Menschen aufgrund derer politischen Einstellung oder Herkunft diskriminiere (siehe etwa welt.de, 6.5.2019). Ja, es wurde politisch diskriminiert, als Zeichen gegen angebliche (aber keinesfalls belegte) politische Diskriminierung. Wenn ein Linker eine Wahrheit fühlt, muss er sie nicht begründen – was wahr ist, bestimmt der Applaus der Filterblase.
Wie ein Tretroller
So wie es muslimische Herrscher geben soll, für welche die Demokratie nur »der Zug« ist, auf den man »aufspringt, bis man am Ziel ist«, so sind Vernunft und Argument für die »gerechte Linke« wie ein Tretroller, den man fortwirft und liegenlässt, wenn man da ist, wo man hin wollte; so richtig wohl fühlte man sich ohnehin nicht auf diesem fremden Gerät – und die Gegenseite wusste ihn sowieso besser zu fahren.
(Ein Beispiel für linkes Unwohlsein mit Vernunft und überprüfbaren Fakten: »FakeNews« war zunächst ein linker Kampfbegriff, doch nur so lange, bis die Angegriffenen zeigen konnten, dass es eben die linken Angreifer waren, die täglich absichtsvoll Unwahres verbreiteten – berühmterweise etwa die Russia-Collusion-Verschwörungstheorie. Linke und Globalisten »lernten« dazu und ersetzten den Kampfbegriff »Fake News« durch »Hass«, denn anders als »FakeNews« ist der nicht überprüfbar und muss also nicht belegt werden – »Fake News« ist, was falsch ist, »Hass« dagegen ist, was einen Linken subjektiv stört.)
Linkes »Zeichen setzen« versucht nicht einmal mehr, kohärent oder nachvollziehbar zu sein.
Der Ausschluss ist ein PR-Gewinn für jenes Restaurant wie auch für die düpierte Partei, wenn auch nicht bei derselben Zielgruppe. Die einen können Applaus von linken Freunden des Gleichschritts einfahren, die anderen können ihrer Zielgruppe belegen, wie wenig demokratisch sich Linke verhalten – und sich damit als eine Alternative für Demokraten positionieren. – Für die Debatte und demokratische Situation in Deutschland insgesamt ist es ein weiterer Tritt vors Schienbein.
In den Sozialen Medien – wo sonst? – applaudieren die üblichen Propagandisten und GEZ-Opfer dem Ausschluss der Abweichler; ich erspare mir und Ihnen hier die Verlinkung des erwartbaren Zweitgeschirrs.
Würde die klickende Linke ebenso applaudieren, wenn ein Restaurant die Anhänger einer hypothetischen Religion ausschließen würde, weil ihrer Meinung nach im Kontext dieser Religion oft die Rechte von Frauen oder Schwulen missachtet werden? Wäre es okay, SPD-Mitglieder auszuschließen, weil SPD ihrer Meinung nach für Zensur, Lügen, Heuchelei, umstrittene Medienbeteiligungen und täglichen Schaden an Demokratie und Rechtsstaat steht? Wäre es okay, CDU-Mitglieder auszuschließen, weil Frau Merkel den Rechtsstaat ramponiert und ihre Politik der offenen Grenzen viel Leid übers Land brachte? Wäre es okay, Journalisten auszuschließen, weil – ach, das muss man nicht begründen – wäre es okay?
Wenn eine Frau mit sehr deutschem Namen die Anfrage einer Frau mit vietnamesischem Namen politisch diskriminiert, und wenn sie das dann damit begründet, dass jene irgendwas mit politischer Diskriminierung oder Rassismus zu tun habe, dann haben wir den Einzugsbereich rationaler Debatte schon länger verlassen. (Der anglophile Cineast mag hierzu den Film Wizard of Oz zitieren: »Toto, I’ve a feeling we’re not in Kansas anymore.«)
Der zitternde Feigling mit Haltung
Es geht denen nicht um Moral, denn dann müssten sie mit ganz anderen Gruppen und Themen beginnen.
Beispiel: Wann haben Sie gehört, dass ein Luxus-Restaurant alle Angehörigen des Königshauses von Saudi Arabien ausschloss, aus Protest gegen die Hinrichtungen in dem Land? Ohne Kunden aus dem Königreich mit Säbel und Glaubensbekenntnis in der Flagge müsste mancher deutsche Luxusanbieter die halbe Belegschaft entlassen.
Ein paar Schlagworte, die einem vom Staatsfunk eingeimpft wurden, sind keine Moral, höchstens ein moralartiger Affekt. Die wollen nicht Moral. Die wollen nichts weniger als die soziale Vernichtung von Andersdenkenden.
Wir werden kein Argument und keinen Vernunfthebel finden, keinen Appell an Verstand oder Gewissen, mit dem man einen Haltungsbürger zurechtrütteln könnte. Die sogenannten Guten wollten abweichende Meinung vernichten – sie wollen nicht kohärent oder in sich stimmig sein. Der neue deutsche Linke wird darauf dressiert, denjenigen »böse« zu finden, den der Staatsfunk ihm als »böse« präsentiert. Gestern war es die FDP, heute ist es die AfD, und stets treibt den Guten die Angst um, selbst bald in die Rolle des offiziell Bösen gestellt zu werden. – »Wenn ich nur laut genug ›Zeichen setze‹ gegen die Ausgestoßenen, werde ich selbst nicht ausgestoßen werden!«, so denkt sich der zitternde Haltungsfeigling – ach, hat er denn nichts aus Stalins Säuberungen gelernt?
Früher guter Usus
Linke wollen gleichschalten und ausgrenzen, bis es nur noch sie und solche wie sie gibt. Die Absurdität der sogenannten Guten zwingt uns selbst in eine Absurdität: Wer der Geschlossenheit und Verbitterung der gleichgeschalteten Linken entgehen will, muss sich selbst an einen Ort zurückziehen, den ich »Innenhöfe« genannt habe.
Es war früher guter Usus, seine Freunde zu Salons zusammenzurufen, und dann Künstler und andere Repräsentanten der großen weiten Welt in den Salon zu bestellen.
Linke sind wie Gefangene, die Angst haben, sich aus dem Gefängnis ihres Kleingeistes zu befreien, und also die ganze Welt zu Gefangenen machen wollen. (In Berlin feiert die linke Szene derzeit bei der »Republica« die große Gleichschaltung, wie der Deutsche aus der Auslandspresse erfahren kann: nzz.ch, 6.5.2019.)
In einer der berühmtesten Szenen der Zeichentrick-Serie »Futurama« wird der freche Roboter »Bender« aus einer Lokalität herausgeworfen, und er ruft: »Yeah, well, I’m gonna go build my own theme park with blackjack and hookers…« – sinngemäß will er sich selbst etwas bauen, das – meine Worte, nicht seine – in etwa Brechts »Netzestadt Mahagonny« entspricht. – Es könnte eine Inspiration sein, so ironisch und satirisch es auch gemeint ist.
Ja, es wäre schön, wenn linke Leitkultur offen und divers wäre, aber sie ist es nicht. Linke Leitkultur ist bitter und verschlossen, sie fordert Gehorsam und fürchtet die Abweichung.
Linke zwingen uns freiheitlich Denkenden in eine absurde Situation: Damit wir auch weiter fröhlich, offen für Ideen und mit Freude am Schönen leben können, müssen wir uns in Innenhöfe zurückziehen und unsere Innenhöfe dann schön einrichten.
Hayek hat einst vor dem Marsch des Westens in die Unfreiheit gewarnt – und es könnte gar nicht präziser in die Zeit passen, dass die Linke die Ausgrenzung feiert und gleichzeitig Sozialismus samt Enteignungen herbeisehnt.
Es braucht neue Orte der Freiheit. Es braucht Refugien, wo Ideen frei debattiert werden können, ohne Angst vor Haltung, Gleichschritt und Gesinnungsterror.
»Die da oben« haben kein Interesse an der Freiheit des Einzelnen, die wollen Haltung und Gehorsam. Es braucht Orte, wo der Mensch auch Mensch sein darf. Wir müssen die Innenhöfe der Freiheit selbst bauen, in der Welt aus Ziegeln und Steinen, wie auch in unseren eigenen Köpfen, in unseren eigenen Gedanken.