07.09.2024

Deutschland mag die Ampel nicht – was nun?

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten
Die Mehrheit der Deutschen ist mit Ampel unzufrieden. Und der CDU traut sie auch keine Besserung zu. Doch eine Alternative wird dem Wähler quasi »verboten«. Wie nennt man dieses politische System?

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In neuesten Umfragen des deutschen Staatsfunks wird dem Bürger bestätigt, dass er sehr unzufrieden mit der Regierung ist. Das »ZDF-Politbarometer« erklärt: »Eine Mehrheit der Befragten ist unzufrieden mit der Arbeit der Regierung, aber nur 38 Prozent sind der Meinung, die Union würde besser regieren.« (zdf.de, 6.9.2024)

Übrigens: Die Tatsache, dass der Staatsfunk den Bürgern bestätigt, dass sie unzufrieden mit der Regierung sind, widerspricht keinesfalls der Diagnose, dass ARD und ZDF wie Staatsfunk, Regierungsfunk und im Effekt postdemokratische Propaganda auftreten.

Es ist psychologisch perfide, wirklich perfide: Dem Bürger wird zugestanden, dass es akzeptabel ist und sogar die Mehrheitsmeinung spiegelt, mit der Regierung maximal unzufrieden zu sein.

Zugleich wird dem Bürger unmissverständlich klargemacht, dass keine Alternative existieren darf – besonders natürlich nicht die größte und einzige inhaltliche Oppositionspartei, welche ja buchstäblich »Alternative« im Namen trägt.

Merkel wurde einst für ihre »asymmetrische Demobilisierung« bekannt. Wikipedia beschreibt diese als Wahlkampfstrategie, die darauf zielt, »durch das Vermeiden von Stellungnahmen zu kontroversen Themen die potenziellen Wähler des politischen Gegners so weit zu demotivieren, dass sie vom Wahlgang absehen«.

Wir erleben heute auf gewisse Weise nicht mehr »nur« die »asymmetrische«, sondern die »totale Demobilisierung«.

Der Propagandastaat sagt: »Wir wissen, dass du sehr unzufrieden bist, in diesem Fall mit der Desaster-Koalition aus Kanzler Erinnerungslücke, der Trampolinspringerin und noch irgendwem. Und wir wissen, dass du auch Mr. BlackRock keine Änderung zum Besseren zutraust. Doch eine Alternative zu diesem Elend wäre moralisch unverzeihlich. Halt jetzt die Klappe, Bürger. Zahle Steuern, und dulde weiter, was deinem Land und also dir angetan wird.«

Mir wird in diesen Tagen schmerzhaft klar: Das Fundament, auf dem wir zu stehen meinen – auf dem wir zu stehen meinten –, ist eine Illusion.

Nicht »Illusion« in dem Sinne, dass es nie etwas gegeben hätte, worauf wir standen – wir standen ja auf etwas. Sondern Illusion in dem Sinne, dass das, worauf unsere Füße standen, etwas ganz anderes war, als uns versichert wurde.

Die Illusion bestand darin, dass getan wurde, als hätten wir eine Wahl, als existiere eine Auswahl, eine echte Wahlmöglichkeit.

Kapitalismus und Demokratie teilen sich einige der gleichen psychologischen Mechanismen.

Beide, Kapitalismus wie auch Demokratie, sagen dem Bürger, er hätte eine Wahl. Doch schaut mal nach, wie viele angeblich »konkurrierende« Lebensmittelmarken tatsächlich derselben Handvoll von Konzernen gehören.

Beispiel: Es gibt eine Wikipedia-Seite mit dem Titel »Liste von Nestlé-Marken«. Nestlé hat über zweitausend Marken!

Du magst »Nespresso« zum Frühstück nicht? Kein Problem, wähle doch das konkurrierende Produkt »Starbucks-Kaffee für daheim«. Du magst weder noch, denn du willst gesund leben? Kein Problem, wähle Caro-Kaffee! In allen drei Fällen kaufst du von Nestlé.

Ach, du willst lieber einfach nur Wasser trinken? Auch kein Problem, Wikipedia hat eine eigene Seite speziell für die Liste von Nestlé-Markennamen für Wasser).

Und selbst wenn du aus den Marken-Fängen des einen Konzern fliehen wollen solltest, so würdest du doch nur in der Markenwelt eines anderen Konzerns landest. Wenn du im Lotto gewinnen solltest und dir leisten kannst, einen Einkaufswagen bis zur Oberkante mit hundert Produkten zu füllen, so kannst du die tatsächlichen Hersteller und verantwortlichen Konzerne hinter den hundert Marken vermutlich an einer einzigen Schreinerhand abzählen.

Und mit der Politik ist es ähnlich, Thüringen ist überall. Ein milliardenschwerer Propaganda-Apparat wird dir einhämmern, dass du nur die austauschbaren Globalisten wählen darfst. Und solltest du dennoch jemand anderen wählen, wird man eben die von dir gewählte Partei ignorieren.

Wahlen sind eine Illusion, wie auch die Auswahl im Supermarkt nicht ganz so groß ist, wie die verschiedenen bunten Marken dir vorgaukeln wollen.

Die Illusion von Wahlfreiheit aktiviert einen wichtigen psychologischen Mechanismus. Ein Mensch, der ausgewählt hat, wird sich selbst dazu anhalten, mit seiner Wahl zufrieden zu sein.

Der gekaufte Keks oder Joghurt schmecken dir nicht? Es ist nicht die Schuld des Konzerns, weil er alle seine Marken mit billigeren Rohstoffen produziert – es ist deine Schuld, denn du hast es ausgewählt.

Die Politik zerstört dein Land, demotiviert Familien und vertreibt Spitzenleister? Beschwert euch nicht, denn ihr habt es so ausgewählt … angeblich.

Zu den moralischen Rechtfertigungen demokratischer Macht gehören Wahlmöglichkeit, Wohlstand, Sicherheit und Glück. Diese Macht-Rechtfertigungen waren ein Fundament jenes politischen Systems, das sie »Demokratie« und »soziale Marktwirtschaft« nannten. Doch dieses Fundament fällt nicht bloß auseinander – es sieht täglich mehr danach aus, dass diese Rechtfertigung schon länger bloß eine Illusion war.

Wir sind desillusioniert und enttäuscht – wir durchschauen Täuschung und legen Illusionen ab.

Diese Zeiten sind furchteinflößend, reden wir nicht drumherum. Doch wer die Desillusionierung nicht fürchtet, sondern sich ihr mit ganzem Herzen und vor allem ganzen Mut hingibt, der kann und wird auf gewisse Weise »Erleuchtung« finden.

Neue Klarheit wartet, und bis dahin wird es schmerzhaft werden. Ich selbst fürchte und freue mich zugleich.

Weiterschreiben, Dushan!

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