Es war einmal eine Wiese, und auf dieser Wiese weidete eine Kuh. – An einem besonders schönen Tag wollte die Kuh gerade in ein besonders saftig grünes Grasbüschel beißen, da sah sie auf ebendiesem Grasbüschel eine Feldmaus hocken.
»Oh, hallo Feldmaus«, sagte die Kuh, »was machst du denn da?«
Der Feldmaus aber war das peinlich, und sie war auch gerade zu sehr angestrengt, um überhaupt etwas zu sagen.
Die Kuh erkannte schnell den Grund: Die Feldmaus erleichterte sich.
Kleine, klitzekleine schwarze Kügelchen waren es, welche die Feldmaus hockenderweise auf dem Grasbüschel platzierte.
»Igitt, pfui!«, schimpfte die Kuh, »ich fresse doch hier!«
»Tut mir leid«, piepte endlich die Feldmaus und wollte fortlaufen.
Die Kuh aber sagte: »Halt, bleib da.«
Die Feldmaus war wohlerzogen, und so blieb sie da.
Die Kuh sagte: »Das geht so nicht! Wir brauchen Regeln, wer wann wo hinmacht.«
»Ja«, piepte die Feldmaus, »wir brauchen Regeln«.
Und also setzte die Kuh komplizierte Regeln auf, welche in allen Details bestimmten, wer wann wo hinmachen durfte.
Besser nur in einer bestimmten Ecke des Feldes. Nicht kurz vor, während oder nach den wichtigsten Essenszeiten. Auf keinen Fall in Nähe und Sichtweite anderer Tiere, und auf keinsten Fall da, wo sie jetzt waren, mitten auf der Wiese.
Und um sicherzugehen, dass die Regeln auch befolgt würden, bestimmte die Kuh drakonische Strafen für den Fall der Zuwiderhandlung, also falls jemand auf nicht erlaubte Weise sich erleichtern sollte.
»Halte dich genau an die Regeln«, drohte die Kuh, »dich niemals in der Nähe eines anderen Tieres zu erleichtern. Und niemals, niemals hier, mitten auf der Wiese!«
»Ja, ich werde mich daran halten«, piepte die Feldmaus, und sie meinte es ehrlich, »niemals in der Nähe der anderen Tiere, und niemals, niemals mitten auf der Wiese! Sonst wird der, der das tut, bestraft.«
»Richtig, sonst wirst du bestraft«, sagte die Kuh, drehte sich um und ließ einen großen Fladen genau auf den Kopf der Feldmaus fallen.
Die Feldmaus überlebte, und sie war wütend, und sie stellte die Kuh zur Rede.
»Gelten die Regeln, wer wann wo hinmachen darf, nun doch nicht? Oder sollen sie nur für mich gelten?«, fragte die Feldmaus.
»Nein, nein«, antwortete die Kuh amüsiert, »die Regeln gelten weiterhin, für alle. Und es ist unverschämt, dass du das in Zweifel ziehst.«
Die Feldmaus piepte ratlos: »Aber du hast dich doch selbst nicht dran gehalten!«
Die Kuh brummte: »Auch das ist unverschämt, dass du das sagst.«
»Aber dann musst du doch bestraft werden!«, verlangte die Feldmaus mutig.
Die Kuh aber lachte, und sie rief: »Von wem sollte ich bestraft werden? Von dir?«
Die Feldmaus wollte noch etwas sagen, doch ihr fiel nichts mehr ein. Außerdem sah sie, dass die Kuh den nächsten Fladen vorbereitete.
Die Lehre aber aus der Geschichte: Die Kuh darf kacken, wohin sie will, und du darfst es nicht. So ist die Welt, so war sie immer schon, also mach nicht so ein dummes Gesicht.