Jeder von uns hat einen Lehrer, der sein Leben prägte, hoffentlich auf gute Art. Vielleicht formte jener Lehrer weite Teile unserer Schullaufbahn. Vielleicht war es ein einziges Schuljahr, vielleicht nur wenige Momente, die wir bis heute nicht vergessen.
Sie und ich, und all die anderen Leute, die diese Zeilen lesen, wir sind verschiedene Menschen. Groß und klein, reich oder nicht so reich. Manche sind etwas älter, relativ am Anfang ihrer Lebenslaufbahn, andere sind gerade mittendrin.
Zu den Dingen aber, die wir gemeinsam haben, zählt die Tatsache, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer geformt hat, wer wir sind.
Wir alle aber sind die Gesellschaft. Lehrer formen die Gesellschaft.
Lehrer formen die Gesellschaft an der Stelle, an der sie sich am einfachsten und nachhaltigsten formen lässt.
Es gibt großartige Lehrer. Es gibt Lehrer, die für ein simples Lehrergehalt die Arbeit menschgewordener Engel leisten, geduldig, zäh und doch liebevoll, jeden Schultag im Klassenzimmer.
Nein, nicht alle Lehrer sind ideal.
Als ich Philosophie studierte, studierten gleich nebenan die Lehrer. Natürlich unterhielt man sich schon mal mit den Lehramtsstudenten und Lehramtsstudentinnen.
Sagen wir es ehrlich: Es gab die Überzeugungstäter, die Lehrer im Herzen. Doch es gibt auch jene, die nur deshalb diesen Beruf anpeilen, weil es der einzige Beruf ist, den sie kennen. Und also tun sie es eben auch. Lustlos. Keine Inspiration. Erstaunlich oft neigten sie zu einer bestimmten Partei, zu einer bestimmten politischen Pseudo-Einstellung – ich muss es nicht ausformulieren, Sie wissen es auch so. Der Weg des geringsten Widerstands bei der Berufswahl wird zum Weg des geringsten Widerstandes in der politischen Haltung. Aber auch solche Lehrer prägen die Kinder – und prägen damit die Gesellschaft.
Lehrer sollen Kinder stark machen.
Stark machen, auch im Sinne eines starken, trainierten Immunsystems. Lehrer sollen Kinder mit verschiedenen Ideen konfrontieren, nicht mit einer bestimmten Denkweise indoktrinieren.
Lehrer sollen Kinder im strukturierten Denken trainieren. Lehrer sollen den Kindern die Werkzeuge und dazu den Mut geben, selbst zu denken, wenig zu glauben und alles zu prüfen. Dafür aber müss(t)en sie selbst in diesen Künsten geübt sein.
Ja, es gab und es gibt sie, und es gibt sie noch: Lehrer, die Helden sind, die Helden, die trotz allem und trotz allen, mit Herzblut und Weisheit an die Sache gehen – eine wichtigere »Sache« gibt es nicht.
Es gibt sie, die Lehrer, denen unsere Kinder dereinst dankbar sein werden. Die Erfahrung lehrt, dass die prägendsten Lehrer jene mit Ecken und Kanten sind, also die Lehrer, die es vielleicht sogar etwas schwer im Schulalltag hatten!
Wäre es nicht die anständige Wahl, jetzt und heute die Lehrer zu identifizieren, die schon heute ihre Arbeit wirklich gut tun, und ihnen dann zu danken?
Die Zukunft eines Landes ist (auch) daran erkennbar, wie es mit seinen (guten) Lehrern umgeht.
Wie eine Gesellschaft ihre Lehrer behandelt, erweist sich bei näherer Betrachtung als Ergebnis eines anderen, größeren Wertes. Wie eine Gesellschaft ihre Lehrer behandelt, es zeigt, welchen Wert sie dem Lernen gibt.
Allgemeiner: Die Zukunft des Volkes ist daran erkennbar, wie wichtig ihm das Lernen ist.
Und, ganz konkret: Die Zukunft und Gegenwart des Einzelnen lässt sich recht präzise daran vorhersagen, wie er zum Lernen steht.
Nein, ich meine nicht die verbalen Bekundungen. Ich meine die wirkliche, tägliche Praxis.
Wir brauchen Momente, in denen wir lernen können. Jeder, ob Eltern oder nicht, ob im Beruf oder daheim, ob Rentner oder auch Student: Ein jeder Mensch kann hundert und tausend Ausreden finden, warum er angeblich gerade jetzt keine gute Zeit fürs Lernen hat.
»Heute habe ich keine Zeit zu lernen, aber nächsten Monat, spätestens aber im Urlaub« – es ist eine ähnlich häufige Lüge wie: »Ich habe die AGBs gelesen.« – Jedoch: Gegen AGBs mit überraschend fiesen Knebeln und unerwarteten Folgen gibt es Gesetze und Gerichtsentscheidungen. Die Konsequenzen für die Lügen in eigener Sache trägst du – plus natürlich deine Familie, deine Freunde und deine Firma, aber vor allem du selbst.
Ich spreche zuerst zu mir, wenn ich sage: Erkämpfe dir, täglich aufs Neue, die Momente der Ruhe, in denen du lernen kannst.
Lobe deine Kinder, wenn sie lernen. Das Lernen als Kind zählt zu den Dingen, die du nicht nachholen kannst. Meine Kinder sprechen vier Sprachen auf Muttersprach-Niveau, ich schaffe es gerade mal, auf Spanisch eine Gerstenkaltschale zu bestellen.
Ja, schätzt die guten Lehrer, seid ihnen dankbar, und zeigt ihnen eure Dankbarkeit noch heute, nicht erst in Jahrzehnten.
Jedoch, Lehrer können und wollen nicht an eurer Stelle das Banner des Lernens hochhalten – sie wollen euch »nur« dabei helfen, in eurer Familie die Kultur des Lernens hochzuhalten.
Lernt, ob ihr aktuell lernende Kinder habt oder nicht. Wenn ihr keine Zeit fürs Lernen habt, macht euch welche. Irgendwas wird sich schon finden, was sich aufgeben lässt.
Kurz gesagt: Lernt!