Eine weitere Woche geht ihrem Ende entgegen, und diese Woche habe ich – halb ironischer Trommelwirbel bitte! – vier frei gesprochene Videos veröffentlicht: vor 3 Tagen. Vor 2 Tagen. Vorgestern. Gestern. Es sind nicht vorgetragene Essays, sondern Kommentare zu aktuellen Meldungen und Phänomenen, mit Beispielen direkt auf dem Bildschirm.
Die Videos kamen, in YouTube-Zahlen, deutlich besser beim YouTube-Publikum an als die vorgetragenen Essays. Doch das (allein) ist nicht der Grund, warum ich einige Gedanken nur als Videos veröffentlichte und mich mit denen anders wohlfühle. Lasst mich etwas Kontext vorlegen!
Einmal aufgelutscht
Meine »meta-inhaltliche« Schwierigkeit mit einigen meiner öffentlich denkenden Kollegen – ja, auch einigen der Freien Denker – liegt in einer bestimmten logisch-praktischen Inkonsequenz auf deren Seite.
Es wächst der Konsens, dass bezüglich Deutschland »der Drops gelutscht« sei. Ein Bonbon, das du einmal aufgelutscht hast, kannst du auch mit bester Absicht und viel Händeringen nicht rekonstruieren. Der Drops, einmal gelutscht, ist vorüber, weil es keinen realistischen Weg zurück gibt.
2018 schrieb ich den Essay »Wird unsere Kraft reichen, den Weg zurückzugehen?« und im Intro: »Jeden Meter, den das Land mit Merkel geht, wird es nach ihr wieder zurückgehen müssen. Es wird hart werden.«
Heute, 2025, wissen wir, dass Deutschland nach Merkel keineswegs zum Weg zurück aufbrach – ganz im Gegenteil.
Eines modernen Landes
Habeck weitete Merkels Energiepolitik-Suizid auf die gesamte Wirtschaft aus. (Nach Habecks Abgang wird die Dimension des Schadens nur nach und nach sichtbar, die jener Herr anrichtete, den man nicht »Schwachkopf« nennen soll; siehe aktuell etwa welt.de, 18.06.2025.)
Mit willkürlichen und eines modernen Landes – geschweige denn eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats – unwürdigen Urteilen begibt sich das Land in politische Gewässer, die das Gefühl vermitteln, es wäre die DDR gewesen, welche die BRD unter ihrem politischen Dach aufnahm (siehe aktuell etwa nzz.ch, 18.06.2025).
Und was wurde aus Merkels offenen Grenzen, die das Unrechtsjahr 2015 prägten? Inzwischen fliegt Deutschland die »jungen Männer« einfach direkt ein (siehe etwa tagesschau.de, 17.04.2025). (Und von deutschen Mainstream-Medien brav verschwiegen, wird von der EU und »NGOs« kontinuierlich ein Strom junger afrikanischer Männer im wehrfähigen Alter auf Europa verteilt; siehe YouTube. Ist es Unfähigkeit der Behörden und »NGOs« – oder ist es Strategie?)
In Magensäften und Blutbahn
Ja, der Drops ist gelutscht, aber sowas von. Doch bezüglich einiger meiner schreibenden Kollegen beschleicht mich der Verdacht, dass sie sich in eine zweckoptimistische kognitive Dissonanz flüchten. Man sagt zwar, dass der Drops gelutscht ist – doch man redet und argumentiert und schreibt weiter so, als ließe sich die Schräglage des größeren Systems durch ein paar kritische Anmerkungen (oder Bundestagsreden) in den Zustand von vor 10 oder 20 Jahren zurücksetzen.
Wat nu? Der Drops ist gelutscht, aber mit ein paar scharfen Analysen gewinnen wir ihn wieder zurück, rekonstruieren quasi das Bonbon aus dem Zucker in Magensäften und Blutbahn?
Die wahre, aber heimliche Motivation der Fußnotenanbringer ist, so meine küchenpsychologische Vermutung, dass sie nichts anderes gelernt haben. Und ich meine: emotional nichts gelernt. Solche Kritik liegt innerhalb dessen, was die amerikanischen Self-help-Gurus die comfort zone nennen. Die System- und Vorgangskritik ist für sie komfortabel, dabei fühlen sie sich wohl.
Die Zeiten zu kritisieren ergibt aber nur dann einen äußeren Sinn, wenn die Kritik etwas bewirken kann. Kritik an Zuständen, die durch diese Kritik nicht verändert werden, weder direkt noch indirekt, ähnelt dem Schimpfen über den Regen oder der Panik ums Klima. Es ist menschlich und verständlich, bisweilen sogar unterhaltsam oder sogar einträglich, nur verändern tut es nix.
Beides gleich, nur anders
Es drängt mich in diesen Tagen, auch Videos mit »Live-Gedanken« zu drehen, die nur Videos sind. Ich gebe den Gedanken ein echtes Gesicht, und zusammen mit euren Reaktionen können wir uns zumindest allein versichern, bei diesen Fragen nicht allein zu sein. Es gilt nur das gesprochene Wort, und zwar im Kontext seines Gesprochenwerdens.
Die geschriebenen Essays aber sind Texte, in denen ich in mehreren Runden schürfe. Ich suche danach, was ich am gegebenen Tag für sagenswert halte. Ich gehe wiederholt über den Text, korrigiere und stelle um, Korrektoren korrigieren ein weiteres Mal. Ich füge Sätze und Erklärungen hinzu, an anderer Stelle wieder lasse ich ganze Blöcke weg.
Beides, Text und Video, ist echt, bin wirklich ich, doch auf unterschiedliche Weise. Ein Video ist die echte Reaktion auf ein Thema (wenn auch mit notierten Stichpunkten vorab). Der Essay ist die Reaktion und Analyse nach mehreren Durchgängen über den Text ebendieser Reaktion.
In beidem aber formuliere ich nicht (mehr), um etwas in größerem Maßstab zu verändern, so unkomfortabel dieses Eingeständnis ist.
Gegen das Gift
Es gilt noch immer das Niebuhr-Gebet: »Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.«
Wenn ich den Wahnsinn nicht ändern kann, so kann ich doch mich ändern, kann meine innere (und äußere) Reaktion kontrollieren, auf dass ich am Wahnsinn unserer Zeit nicht selbst wahnsinnig werde.
Ich schreibe nicht (mehr), um das Große zu verändern. (Sollte ich es doch tun, nehme ich diesen »Kollateralnutzen« eben in Kauf.)
Ich schreibe, um mich zu verändern. Und ich lege euch diese Texte vor. (Oder wie [Michael Jackson sang]: »I’m starting with the man in the mirror …« – ich beginne mit dem Mann im Spiegel. Und ich sage ihm, dass er sich verändern soll.)
Dies sind giftige Zeiten, und es braucht Kraft und Beharrlichkeit und inzwischen sogar Mut, sich nicht vom Gift der Zeit selbst vergiften zu lassen.