26.10.2024

Die Frage, ob die Brandmauer bröckelt

von Dushan Wegner, Lesezeit 3 Minuten, Bild: »Allianzen ohne Grenzen«
Tagesschau fragt panisch, ob »Brandmauer« in der EU bröckelt, ob »Christdemokraten« mit »Fraktionen des rechten Randes« »kuscheln«? – Die Staatsfunker interessiert null, wer das bessere Argument hat. Nur Parteienlager und Ausgrenzung von Andersdenkenden.
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Auf tagesschau.de fragt man gerade, in geradezu hörbarer Panik: »Bröckelt die Brandmauer im EU-Parlament?« und: »Kuscheln Europas Christdemokraten mit den Fraktionen des rechten Randes?« (tagesschau.de, 25.10.2024)

Die Staatsfunker regen sich darüber auf, dass die EVP-Abgeordneten, in welcher auch CDU- und CSU-Abgeordnete herumsitzen, für einen AfD-Antrag gestimmt haben.

Der Antrag verlangte »eine angemessene Finanzierung physischer Barrieren an den Außengrenzen der Union«. Ein weiterer Antrag verlangte die Einrichtung von »Abschiebelagern«. Und für beides stimmte die EVP mit. »Flirtet die CDU auf EU-Ebene mit rechts?«, so fragen die »zweiten« Staatsfunker (zdf.de, 24.10.2024).

Ich habe beide Artikel gelesen, bei tagesschau.de und bei zdf.de. Und ich bin zum Schluss gekommen, dass hier anti-demokratische Fake News vorliegen – lasst mich bitte erklären!

Nein, auf den ersten Blick ist nichts am Artikel sachlich falsch. Einzeln betrachtet stimmen die Fakten, nehme ich an. Kein Detail ist per se falsch. Und doch ist es eine perfide (und in Summe noch gefährlichere) Art von Fake News.

Finanzierung physischer Barrieren

Im Essay »Fake News, so oder so« beschrieb ich eine andere Deutung von Fake News. Viel zu viele Menschen nehmen immer noch an, dass in den Nachrichten das berichtet wird, was (zumindest an dem Tag) wichtig ist. Und »wichtig« bedeutet hier: was für ihr Leben und für unser aller Zukunft relevant ist.

Ich habe beide Artikel sorgfältig gelesen, und ich habe praktisch keine Informationen über die näheren Inhalte dieser Anträge gefunden. Nur, dass am Mittwoch über den EU-Haushalt abgestimmt wurde. Und über eine Absichtserklärung zur Verwendung des Geldes. Und eben über einen Änderungsantrag der AfD.

Darin ging es um »eine angemessene Finanzierung physischer Barrieren an den Außengrenzen der Union«. Aber das ist auch alles, was wir erfahren.

Worum geht es in dieser Debatte?

Welche Argumente der AfD waren so stark, dass CDU-Abgeordnete die Demokratie über die Ausschließeritis setzten?

Was sind die Zahlen und Rahmendaten dieser Problematik?

»Physische Barrieren« bedeuten wohl Grenzbauten, sprich: Mauern oder Zäune. Funktionieren sie denn aktuell, besonders an den östlichen Grenzen der EU?

Keine dieser Fragen wird vertieft oder auch nur angesprochen. Das große Thema, auf viele lange Absätze ausgedehnt, ist die schröööckliche Tatsache, dass die EU-CDU wohl diese Woche Herrn Kubicki zustimmte, der sagte, es sei »nicht alles Mist, was von der AfD kommt«.

Immer nur das Gegenteil

Ja, haben die denn nicht die Anweisung erhalten? Wer keine Haltung an den Tag legt, ist ein Faschist und ein Nazi – mindestens! Zur Haltung aber, wie ich schon 2018 schrieb, gehört zwingend, immer das Gegenteil dessen zu sagen, was die AfD sagt.

Oder, um den ersten Absatz jenes Textes zu zitieren: Im alten Russland gab es, habe ich gelesen, dieses Sprichwort: Wenn der Zar zu Mittag sagt, es sei Nacht, dann sieh nach den Sternen. – Heute scheint ein umgekehrter Satz zu gelten: Wenn die AfD im Juli bei Sonne und 30 Grad im Schatten sagt: »Puh, ist das heiß!«, dann zieht der Bürger mit »Haltung« seine Winterdaunenjacke fester zu und verkündet bibbernd: »Brrr, ist das kalt!«

Zu wenig, zu spät, zu langsam

Jene Nachricht ist Fake News, insofern als sie keine News ist. Es ist irrelevant für dein und mein Leben (und wenn es relevant ist, dann nur insofern, als endlich etwas Vernunft zu herrschen beginnt – nur leider zu wenig, zu spät, zu langsam). Der »Skandal« hier ist, wenn überhaupt, ein Anti-Skandal!

Und jene Nachricht ist anti-demokratisch, insofern sie den Zweck der demokratischen Debatte eliminiert und an dessen Stelle inhaltsunabhängige Parteienkonkurrenz stellt. Dieselbe Nachricht, im demokratischen Geist geschrieben, hätte vielleicht kurz das parteipolitische Gezänk erwähnt und dann die faktischen und praktischen Abwägungen nachgezeichnet.

Am Ende gewinnt immer die Realität. Eine Gesellschaft, die gewinnen wollte (und mit gewinnen meine ich hier: überleben), würde gut daran tun, weniger Politik und mehr Realität zu diskutieren.

Weiterschreiben, Wegner!

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