Dushan-Wegner

27.07.2019

Vom Verlust öffentlicher Orte

von Dushan Wegner, Lesezeit 8 Minuten, Bild von Lucas Albuquerque
In Düsseldorf wird schon wieder das Freibad geräumt, aus üblichen Gründen. Im Berliner Görli-Park will man Drogendealer mit Falafel versorgen, statt sie zu verhaften. Den Eliten ist das egal, die haben ihre privaten Parks und Pools.
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Wir sind alle Peripatetiker. – Das Peripatos ist die Wandelhalle, wo Aristoteles umherwandelte und im Gespräch mit seinen Schülern diese zur Klugheit anleitete. »περῐπᾰτέω!« – Ich wandle umher! – Das ins Gespräch vertiefte Umherwandeln als Synonym für tiefe Gedanken, fürs Lernen der Dinge, die den Menschen sich selbst erkennen lassen.

Hätte die Geschichte menschlicher Geistesbildung mit den alten Griechen ihr Ende gefunden, was würde denn gegenüber heute fehlen?

Ob Aristoteles oder dessen Lehrer Platon oder dessen Lehrer Sokrates – ihre Art des Philosophierens war das Gespräch, das Schleifen von Diamanten aneinander, nicht die einsame Spekulation in Königsberger Studierstuben oder das Augenaufschlaggeschwätz vor Staatsfernsehkameras.

Die Geschichte des Lernens ist die Geschichte öffentlicher Plätze. Wir denken an die Weisen aller Zeiten, nicht nur die antiken Philosophen, sondern auch an religiöse Lehrer, wie Jesus, der mal auf dem Berg (Matthäus) und mal auf dem Feld (Lukas) lehrte, je nachdem, welchen Ort die Zielgruppe des Evangeliums als heilig empfindet – und offensichtlich auch mal mitten in der Stadt und deren Gärten wirkte, was die Stadtoberen besonders kritisch sahen. Wir denken an einen Buddha, der 45 Jahre lang umherzog und vor Bauern wie Brahmanen lehrte, vor Angesehenen wie auch vor Ausgestoßenen, vor Reichen wie vor Räubern.

Es sind nicht nur die großen Lehrer, die ihre Lehre öffentlich lehrten und so zur großen Klugheit beitrugen – wir denken an die Namen der »Kaffeehausliteratur«! (Wenn Ihnen nicht alle Namen einfallen – Wikipedia listet einige davon.)

Wir dürfen den Spiegel von vor neun Jahren zitieren, welcher Stefan Zweig zu den Wiener Kaffeehäusern heranruft:

Es ist eigentlich eine Art demokratischer, jedem für eine billige Schale Kaffee zugänglicher Klub, wo jeder Gast für diesen Obolus stundenlang sitzen, diskutieren, schreiben, Karten spielen, seine Post empfangen und vor allem eine unbegrenzte Zahl von Zeitungen und Zeitschriften konsumieren kann. (Stefan Zweig über Wiener Kaffeehäuser, via spiegel.de, 13.10.2010: »Wiener Kaffeehäuser – Lieblingsort der Literaten«)

In Europas Großstadtcafés entstand zu Beginn des zwangzigsten Jahrhunderts zwischen Geschirrgeklapper und dem Geschnatter eines nervösen Bedarfsoptimismus jene Kunst, die uns noch heute, bald ein Jahrhundert später, als letzte Hoffnung glimmt, dass es nicht immer so dumm bleiben wird wie es heute wieder ist.

Es sind nicht nur die Cafés und Wandelhallen, wo Menschen in und an der Öffentlichkeit lernen und wachsen. Als ich noch regelmäßig nach Paris reiste, schloss ich mich gern den übrigen Lesern im Pariser Jardin du Luxembourg an, die auf den typisch niedrigen, nach hinten gekippten Metallstühlen im Pariser Frühling ihre Bücher lasen. Das öffentliche Lesen – eine nicht-einsame Einsamkeit – wunderbar.

Doch, die Bildung der Stadt muss wahrlich nicht immer mit einem großen Bildungsetikett versehen sein! Wo Menschen nach Regeln zusammentreffen, kann gelernt werden. Ich bin in den Straßen Kölns aufgewachsen, ich habe auf der Domplatte manche Nacht bis in den Morgen hinein inline-skatend verbracht. Ich habe auf den Ringen und in ihren Diskotheken manch andere Nacht durchgetanzt. Ich bin in manchem Schwimmbad schwimmen gegangen – nie werde ich meinen ersten »Sprung« vom 10-Meter-Brett vergessen, im Freibad am Müngersdorfer Stadion – ich schreibe »Sprung« in Anführungszeichen, da es mehr ein panisches Fallen war, das Bild der mir entgegenrasenden Wasseroberfläche hat sich in die ängstlicheren Regionen meiner Seele eingebrannt, und ich sehe sie jetzt, während ich diese Zeilen schreibe – und, ja, auch das war eine Form des öffentlichen Lernens.

Trillerpfeife und Badelatschen

Es ist 2019 und die Meldungen sind andere, als noch vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren, auch und besonders die von den öffentlichen Plätzen und Schwimmbädern. (Gibt es eigentlich »Shisha-Bar-Literatur« aus Wien, Paris oder Berlin? Wäre das dieser Sprachgesang, den und von dem man gelegentlich hört?)

Aus Düsseldorf lesen wir, wieder einmal, dass das Rheinbad geräumt werden musste:

Eine Gruppe von ungefähr 60 Jugendlichen, die laut Kettler aus Nordafrika stammen sollen, fügte sich nicht den Anordnungen des Personals und wollte offenkundig die Kontrolle im Bad übernehmen. (rp-online.de, 26.7.2019)

Früher genügte ein stattlicher Bademeister mit Trillerpfeife und Badelatschen, um für Ordnung zwischen Pommes Frites und Bauchplatscher zu sorgen, heute braucht es 20 Polizisten, das ist der Preis der Toleranz.

Nachtrag 28.7.2019: Inzwischen kann man lesen, dass im Düsseldorfer Rheinbad eine Ausweispflicht eingeführt werden soll. »Wer sich nicht ausweisen kann, wird nicht reingelassen«, heißt es (express.de, 28.7.2019). – Nachdem man die Sprache wiedergefunden hat ob dieser Absurdität, möchte man nur noch seufzen: »Ach, wären unsere Grenzen nur halb so gut gesichert wie demnächst unsere Weihnachtsmärkte und Freibäder!«

Die Freibäder von NRW sind nicht die einzigen Krisenzonen in einer Toleranz-Hochburg. Der Berliner Görlitzer Park gilt inzwischen als Drogen-Umschlagplatz, und aktuell versuchen die Zuständigen, etwas daran zu ändern – ohne etwas zu ändern:

Es dauert nicht lange, bis man im Görlitzer Park gefragt wird, ob man Drogen kaufen möchte. Die Grünanlage in Kreuzberg gilt als einer der größten Drogenumschlagplätze in Berlin. (…) . Doch in dem von den Grünen regierten Bezirk soll das Problem statt durch verstärkte Polizeipatrouillen auf unkonventionelle Weise bewältigt werden. Der Lösungsvorschlag: Mobile Imbissbuden sollen an den Eingängen des Parks platziert werden. (morgenpost.de, 23.7.2019)

Wer genug Falafel gegessen hat, der wird keine Drogen mehr verkaufen. Oder kaufen. Oder so. Nicht nur ignorieren Linksgrüne bestehende Kausalitäten, sie erfinden sich auch eigene dazu, und manchmal ist es geradezu erheiternd. Wofür haben wir überhaupt Polizei (außer natürlich um gegen »Hasspostings« vorzugehen), warum ersetzen wir nicht einfach alle Polizeiwachen durch Falafelstände? (Dann würden sich auch weniger junge Männer motiviert fühlen, Polizeiwachen zu stürmen.)

Auffangen und neutralisieren

»Wann wird’s mal wieder richtig Sommer, ein Sommer, wie er früher einmal war?«, so sang Rudi Carell, und er meint mit »richtig Sommer« den »Sonnenschein von Juni bis September«. Nun, wenn wir tatsächlich »Sonnenschein von Juni bis September« hätten, würden irgendwelche NGOs mit interessanter Interessenslage fordern, den Sommer zu besteuern und wahrscheinlich das Geld an Öko-Spekulanten zu verschieben. Man kann aber auch »Sommer, wie er früher einmal war« noch anders verstehen: Wann wird es endlich wieder Sommer, der uns nicht von den Folgen und aktuellen Auswüchsen linksgrünen Wahns vermiest wird?

Das Weltbild von Linken ist auf Lügen gebaut. Auch im Kontext anderer Nachrichten erleben wir aktuell einen Kampf zwischen denen, die Fakten sagen wollen, und denen, die das Aussprechen von Fakten aus »moralischen« Gründen verhindern wollen, der mehr ans Mittelalter oder DDR erinnert als an eine aufgeklärte, freiheitliche Gesellschaft im einundzwanzigsten Jahrhundert.

Es spricht für die Blätter aus dem Hause Springer, dass sie sich in der letzten Zeit immer wieder gegen totalitäre, anti-freiheitliche Angriffe wehren müssen. Journalismus bedeutet, das zu sagen, von dem ein Mächtiger nicht möchte, dass es abgedruckt wird – alles andere ist bekanntlich PR und Propaganda. – NGO-Aktivisten, Staatsfunker, linksgrüne Politiker und immer wieder einfach nur Bürger mit »Haltung« versuchen zu bewirken, dass Fakten und Meinungen verschwiegen werden, wenn durch diese die globalistisch-linke Ideologie in Frage gestellt wird (vergleiche etwa @jreichelt, 26.7.2019 oder @Luisamneubauer, 27.7.2019/archiviert).

Weniger zu wissen und seine Meinung weniger zu prüfen, das ist zweifellos hilfreich beim Entwickeln einer politisch korrekten »Haltung«, macht aber eben dümmer – womit wir wieder bei der Bedeutung öffentlicher Orte sind.

Eine Gesellschaft kann einige Trends abfedern, welche das Land dümmer machen, wenn genug andere Faktoren das auffangen und neutralisieren – doch wenn zu viele Faktoren gleichzeitig das öffentliche und private Denken niederdrücken, wird es gefährlich.

Es ist mir etwas unklar, wer die Akteure hinter mancher angeblichen Jugendbewegung heute sind, doch ich weiß, wer die mitlaufenden Kinder sind – es ist die »Generation Smartphone«, der das Verlangen nach schnellen externen Belohnungen antrainiert wurde, die es als geradezu schmerzhaft empfindet, selbst in Kausalketten zu denken.

Linksgrüne fürchten das Ausbuchstabieren der Konsequenzen ihrer Thesen und Forderungen, sei es die logischen Konsequenzen in der Zukunft (wie soll Deutschland weiter die Migranten der Welt einladen und versorgen, wenn die Industrie im Namen der Öko-Moral zerstört wurde?) oder der Konsequenzen, die schon jetzt eintreten (Islamisierung, Verlust der Freiheit und öffentlicher Räume).

Mit fragwürdigen Maßnahmen wie »NetzDG« und der Einschüchterung von Bürgern, negative Gefühle zu äußern (die Hate-Speech-Lüge), verlieren die Bürger neben den physischen öffentlichen Orten auch die virtuellen.

Die Macht der Moralpanik

Stadtleben bringt diverse negative Faktoren mit sich, sei es der Schmutz, der Lärm oder gelegentlich die Kriminalität, doch das öffentliche Leben in der Stadt bietet auch die Chance und Möglichkeit, klüger zu werden – eine Chance, die durch gefühlte Wahrheit und linksgrünes Augenschließen konterkariert wird.

Wir werden dümmer, durch Smartphones und Klickdreck, durch Propaganda und Staatsfunk, durch ideologisierte Schulen, politisch korrekte Universitäten und gefühlte Fakten, durch die Macht der Moralpanik, wo einst Argumente, Vernunft und Wissenschaft herrschten – und nun auch durch den Verlust öffentlicher Orte.

Das Leben wird ärmer und trauriger, wenn Menschen sich nicht mehr an die Orte trauen, wo sie auf Andersdenkende und Andersartige treffen können, wo sie das Zusammenleben trainieren (sollten).

Der Verlust öffentlicher Plätze macht uns einsam. Der Verlust öffentlicher Plätze fragmentiert die Gemeinschaft – die Eliten bleiben in ihren Clubs und Salons unter sich – die anderen gucken, was von den öffentlichen Plätzen übrig bleibt. Der Verlust öffentlicher Plätze und Orte der Begegnung macht uns dumm – denn sich Banden von »jungen Männern« auszusetzen ist nicht die Art von Begegnung, aus denen Kinder ihre »Klugheit« schöpfen werden, höchstens die »Klugheit der Straße« die sie selbst zu solchen »jungen Männern« werden lässt.

Cafés, Salons und Clubs

Eine einsame, fragmentierte und dumme Gesellschaft kann nur schwer glücklich werden – und nur schwer auf Dauer überleben.

Wir werden eine Art neuer »privat-öffentlicher Räume« brauchen. Schwimmbad-Vereine, die streng kontrollieren, wer aufgenommen wird. Cafés, Salons und Clubs für Menschen aller Hautfarben, aber ausschließlich positiver, nicht-aggressiver Gesinnung – nach strenger Aufnahmekontrolle.

Ja, ich weiß, man fragt sich: Wofür zahlen wir Steuern? Sollte das alles nicht der Staat leisten, den wir so fürstlich entlohnen? Nun, es ist nicht der erste Moment, an dem man sich das fragt. Solange Staatsfunk und Propaganda einen ausreichenden Teil der Bevölkerung motivieren können, aus angeblich »moralischen« Gründen gegen ihr eigenes Wohl zu stimmen, solange werden wir die Frage nach dem Sinn des Ganzen häufiger stellen können.

Die Gesellschaft wird einsamer, fragmentierter und dümmer – und so wird sie weniger glücklich.

Klug zu werden und glücklich zu sein – beides sollte nicht aufgeschoben werden.

Die Politik macht, was die Politik macht. Die Eliten verfolgen die Interessen der Eliten – und die Gehirngewaschenen unter unseren Nachbarn ebenso.

Es liegt nun an uns selbst, trotz Fragmentierung der Gesellschaft, die Suche nach Klugheit und Glück nicht aufzugeben.

Der Sommer lässt sich nicht aufschieben, und es gilt, den Sommer jetzt zu genießen – ebenso wie das Glück.

Weiterschreiben, Wegner!

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