Dushan-Wegner

18.10.2019

258 PS, Diesel und die Kunst des Reispflanzens

von Dushan Wegner, Lesezeit 9 Minuten, Bild von Ryo Yoshitake
Die Grünen fahren mit dickem Pick-Up-Truck zum Wahlkampf vor. Begründung: Sie mussten einen schweren Lehmofen transportieren. ???? Ja, die Grünen sind DIE Heuchlerpartei. Die grüne Heuchelei allerdings ist »nur« die Folge selbstgewählter Dummheit.
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Ein Schüler kam zum Meister, um über das Leben zu lernen. Der Meister hatte gehört, dass dieser Schüler ein Beamter war, der Gesetze zur Anpflanzung von Reis erlassen wollte.

Der Meister sagte: »Wer die Regeln des Lebens verstehen will, der sollte mit den Regeln der einfachen Dingen beginnen, bevor er sich an die großen Dinge macht. Beginnen wir mit dem Reis! Sage mir: Was sind die Regeln des Reises? Beherrschst du sie?«

Der Schüler sagte: »Selbstverständlich! Man soll vorm Essen danken: Ich empfange diese Speise! Man soll am Ende ein wenig Reis aufbewahren. Man soll nicht auf die Art essen, wie beim Begräbnis gegessen wird. Man soll zum Ende danken: Es war ein Festessen!«

»Gut«, sagte der Meister, »dein Wissen über den Reis ist ganz hervorragend. Komm doch mit mir mit, und wir bringen es zur Anwendung!«

Der Meister führte den Schüler zu einem Reisfeld. Eine Bäuerin hatte begonnen, Reis zu pflanzen, einen Korb voller Setzlinge im Arm haltend.

Die Bäuerin kannte den Meister und der Meister kannte die Bäuerin. Sie grüßte ihn, und er grüßte sie, und dann bat er: »Mein Freund ist ein Experte in Angelegenheiten des Reises! Gib ihm doch den Korb mit den Setzlingen, und er wird uns lehren, wie sie in der Stadt den Reis pflanzen!«

Der Schüler zögerte und wollte zurückweichen, doch der Meister war fröhlich und nicht aufzuhalten. (Ein Beobachter hätte vermutet, dass es nicht das erste Mal war, dass die Reisbäuerin dieses Spiel mitspielte.)

Der Schüler gehorchte. Er nahm den Korb mit den Setzlingen, doch er war auf geradezu lächerliche Weise hilflos. Kaum hatte er einen Schritt ins nasse Reisfeld getan, sank er ein. Er setzte die Setzlinge in die nasse Erde, doch er setzte sie krumm und schief, jeden zweiten Setzling ertränkte er gleich ganz.

Der Meister lachte, und er sagte schon bald: Es ist genug! Du verlierst ja noch alle Setzlinge, und woher soll dann der Reis kommen?«

Später fragte der Meister den Schüler: »Sag mir noch einmal, was weißt du über die Regeln des Reises?«

»Nichts«, sagte der Schüler, denn er hatte gelernt, »in Wahrheit weiß ich so gut wie nichts.«

Der Meister lächelte, und er sagte: »Gut, du weißt mehr als du heute morgen wusstest.«

»Soll ich mehr über den Reis lernen?«, fragte der Schüler schüchtern. 

»Nun«, sagte der Meister, »vor allem solltest du der Bäuerin den Schaden ersetzen, den du angerichtet hast, als du ahnungslos durchs Reisfeld getrampelt bist. Auch das ist eine Regel des Reises!«

258-Diesel-PS, 221 Gramm CO2/km

Wir wissen, wir erleben es im Alltag und wir lesen es in den Nachrichten: Je öko desto pfui.

Das bedeutet, als ein bekanntes Beispiel: Grünen-Wähler fliegen häufiger als andere. Das ist nicht eine einmalige Umfrage, ein Ausrutscher, ein »glitch in the matrix« – das bestätigt sich seit Jahren. spiegel.de, 12.11.2014 etwa: »Ausgerechnet die Wähler der Ökopartei steigen am liebsten ins Flugzeug«. Die Grünen Abgeordneten im Bundestag sind wahrlich würdige Vertreter ihrer heuchlerischen Klienten! tagesspiegel.de, 10.8.2019: »Ausgerechnet Abgeordnete der Grünen saßen am meisten im Flugzeug. Insgesamt sind die zurückgelegten Strecken im Vergleich zu 2017 noch gestiegen.« Der prototypischste der Grünen Prototypen ist wahrscheinlich der langhaarige Brüllkopf Anton Hofreiter, der allen Ernstes nach Grönland flog, um einmal persönlich zu sehen, wie Gletscher schmelzen (rbb-online.de, 21.3.2019). Wir sollten einen alten Demo-Slogan neu formulieren: Für den Umweltschutz zu fliegen, dass ist wie für Jungfräulichkeit zu vögeln!

[An dieser Stelle habe ich die Beschreibung von »grünen« Bekannten gelöscht, die jeden Meter mit dem Auto zurücklegen, sich im Alltag von Ausländern so weit wie irgend möglich fernhalten, in jedem Urlauben so weit wie finanziell möglich fliegen, aber den Rest der Zeit die Welt mit ihrer Moral nerven – sie wären möglicherweise identifizierbar gewesen. Ich denke, die Beschreibung ist nicht notwendig – wir kennen alle solche Leute, wie Sie mir auch in Zuschriften und Gesprächen berichten.]

In Thüringen findet der letzte große Landtagswahlkampf dieses Jahres statt. Am 27. Oktober 2019 wird gewählt. Thüringen hat mit insgesamt etwa 2.2 Millionen Einwohnern um mehr als eine Million weniger Einwohner als Berlin und nur etwa 700 Tausend mehr als München, doch es ist ein Bundesland mit Vertretung im Bundesrat, und in unruhigen Zeiten hat jede Wahl hohe Symbolkraft. Thüringen ist Wahlheimat (im doppelten Sinn) des AfD-Politikers Björn Höcke, für den das Etikett »umstritten« einmal passt (sonst wird es ja im Sinne von »stört das Establishment« verwendet, wobei das im Fall von Höcke auch richtig wäre).

Nach aktuellen Umfragen (siehe wahlrecht.de, Stand 18.10.2019) liegen CDU und AfD in Thüringen etwa gleichauf bei jeweils 22 – 24%, SPD und Grüne bei etwa 7-8%, und die neonbunte FDP knabbert auch in Thüringen an der 5-Prozent-Hürde.

Die Grünen kämpfen noch, und wie sie kämpfen!! Wer so richtig in den Krieg zieht, und sei es in den Krieg um die bessere Volksvertretung, der braucht auch heute noch einen Panzer – so scheinen die Grünen in Thüringen zumindest zu denken.

Wir lesen:

»Es gibt keinen Planet B«, steht auf dem Banner der Grünen Wahlkämpfer. Was es gibt, ist allerdings ein Mercedes X …. Klima-Wahlkampf mit dem Pick-up-Truck!
(bild.de, 17.10.2019)

Im weiteren Text erfahren wir, dass das Gefährt starke 258-Diesel-PS auf die Straße bringt und 221 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt. So sind sie halt die Grünen: Tretroller predigen, Diesel saufen.

Erklärung: Dumm, nicht böse

Die Vertreter der Thüringer Vielfliegerpartei wurden gefragt, wie sie es denn erklären würden, dass ausgerechnet sie, die selbsterklärten Feinde der SUVs, mit so einem Panzer von Fahrzeug zur Moralpredigt auf dem Marktplatz aufkreuzen: Die Begründung: Es sei »nötig gewesen, um einen Anhänger samt schwerem Lehmofen in die Stadt zu bringen« (bild.de, 17.10.2019).

Diese Begründung klingt zunächst banal, doch sie ist verräterisch, und es ist nicht das erste Mal, dass wir dieses Muster hören. Als ein anderer grüner Herumbrüller, Cem Özdemir, gefragt wurde, warum er mal eben auf einen anderen Kontinent fliegt, sagte dieser:

Stimmt, nach Argentinien rudere ich nicht, sondern wenn ich meine Familie besuche, fliege ich dahin. Das lässt sich nicht vermeiden. (bild.de, 17.10.2019)

Nun ist natürlich beides falsch. Beides ließe sich vermeiden, problemlos. Warum müssen die Thüringer Grünen denn einen großen Lehmofen auf den Marktplatz transportieren? Sie müssen nicht. Warum muss denn der Grüne Populist zu seiner Familie fliegen, statt etwa zu skypen? Er muss nicht.

In der Logik von Grünen und Gutmenschen sind ihre spontanen Ideen und Gefühle mit der Realität und absoluter Notwendigkeit gleichzusetzen – die Ideen und Gefühle von Abweichlern sind denen dagegen einen Dreck wert.

Es ist ja eher die Regel als die Ausnahme, dass Linke die Folgen ihrer Handlungen und Ideologien nicht überblicken. (Kleiner Test: Nennen Sie aus dem Stegreif fünf Länder, in denen Sozialismus zu einem besseren Leben der Menschen und nicht zu Leid und Elend führte. – Ein aktuelles, extra schräges und doch typisches Beispiel ist etwa das Projekt zweier TV-Aktivisten, die ein Schiff finanzieren wollten, das Migranten von Schleppern abholte (»Seenotrettung«) und scheiterten, so mein Stand der Informationen, laut krachend an der Komplexität des Vorhabens, siehe dazu etwa addendum.org, 22.9.2019; uebermedien.de, 23.9.2019. Linke Kompetenz und linker Anspruch sind einander abstoßende Pole, würden Kompetenz und Anspruch zusammengehen, wären sie ja nicht links.)

Die moralischen Gesetze der Grünen sollen für »die Anderen« gelten, nicht für sie selbst. »Die Anderen« sollen sich einschränken, denn die Bedürfnisse »der Anderen« sind unwichtig, die Bedürfnisse und Wünsche der Grünen Bessermenschen dagegen sind moralisch erhaben und haben den Status absoluter Notwendigkeit.

Vorm Essen des Reises

Man könnte Grünen und Gutmenschen maximale Heuchelei vorwerfen, Verlogenheit und Unehrlichkeit, und man läge wohl mit jeder Silbe richtig. Und doch greift es zu wenig, es ist mehr als »nur« Heuchelei.

Greifen wir noch einmal die Einstiegsgeschichte auf. Nehmen wir an, jener »Schüler« würde sich als großer Reisexperte ausgeben, aber seine Maßnahmen als hoher Beamter würden Reisfelder zerstören. Er wird Gesetze erlassen, etwa dass zum Schutz der Reispflanzen diese nicht mehr bewässert werden sollten, woraufhin der Reis stirbt und die Menschen hungern. Er wird vorm Essen des Reises besonders laut danken und er wird danach besonders laut vom Festessen reden, doch in Wahrheit weiß er nichts über den Reis, und was er tut, bringt viel Schaden und keinen Nutzen, wie erhaben er sich auch dabei fühlt.

Wir hörten in diesem Monat vom Grünen-Parteimitglied, der Öko-Produkte auslistete, weil der Bauer das falsche Parteibuch trägt (siehe »Deutschlands Einheit und die neue Mauer« und »Das ZDF und die Lügenlawine«). Viel zu wenig beachtet wurde die typische Rollenverteilung: Auf der einen Seite der kapitalistische Moraldealer mit abgebrochenem Studium, der in der »richtigen« Partei ist, auf der anderen Seite der Diplom-Landwirt, der unter persönlichem Einsatz viel für die Öko-Landwirtschaft in Deutschland geleistet hat, aber in der »falschen« Partei ist. Moral vs. Realität, Geschwätz vs. Getreide.

Wenn ich von »Dummheit« spreche, meine ich die Verweigerung, den Kontext und absehbare Folgen von Handlungen und Ereignissen zu bedenken und im Handeln zu berücksichtigen. Die Heuchelei der Grünen ist eine Folge ihrer Dummheit, gepaart mit sensationeller Selbstüberschätzung. Grüne sind das parteigewordene Dunning-Kruger-Syndrom.

Grüne fordern, Flüge einzuschränken – aber fliegen mehr durch die Welt als andere. Meine These: In dem Moment, in dem sie das fordern, sind sich Grüne und andere Öko-Schwätzer gar nicht der simplen Tatsache bewusst, dass solche Einschränkungen auch sie selbst betreffen. Grüne rufen zum Kampf gegen stärkere PKWs, doch im Moment ihrer Forderung sind sie sich einfach nicht dessen bewusst, dass auch sie selbst davon betroffen sein könnten.

Die monumentale Selbstüberschätzung des eigenen moralischen Gewichtes hilft den Grünen, ihre eigenen Verbotsforderungen zu umgehen. Der Denktrick ist lächerlich primitiv, aber für Grüne genügt es: X soll verboten sein für Leute, die keinen wirklich moralischen Grund haben.

  • Grüne sind »moralisch«, denn sie verbieten Dinge im Namen der Moral.
  • Damit ist alles, was Grünen spontan einfällt, automatisch »moralisch« und erlaubt.

Die Heuchelei ist nicht der Beginn grünen Denkens. Auch ein Grüner steht nicht morgens auf und sagt: »Hey, ich will heute den Leuten etwas verbieten und mich dann nicht an die eigenen Verbote halten.« – Grüne Heuchelei ist erst die Konsequenz aus Dummheit, Selbstüberschätzung und dem vollständigen Unwillen, sein Tun und Reden zu reflektieren.

In Einklang

Die Grünen wollen ihren Mitmenschen schwere Lasten aufbürden, doch in ihrer Dummheit haben sie nicht gesehen (oder es war ihnen egal, was kein Widerspruch ist), was ihre Verbote alles bewirken. (Und wenn Sie meinen, »Dummheit« und »Heuchelei« seien zu harte Vorwürfe, dann lassen Sie uns noch härter werden und über schmutzige Öko-Profite auf Kosten von Umwelt und ehrlichen Steuerzahlern reden.)

Die Thüringer haben in einer Woche die Gelegenheit, den Grünen zu zeigen, was sie von Dummheit und Heuchelei halten. Bevor ein Beamter irgendwelche Gesetze über Reis erlässt, sollte er wissen, wie man Reis pflanzt, wie man die Setzlinge in einer Reihe bekommt, wie man einen Tag lang den Reis pflanzt ohne den Rücken fürs Leben zu beschädigen.

Seid nicht wie die Grünen, denn sie fordern Verbote, an die sie sich nicht selbst zu halten gedenken. Das Weltbild von Linken, so wissen wir lange, ist auf Lügen gebaut. Wenn Wort und Tat auseinandergehen, dann wird das gesamte Leben zur Lüge. Das Leben des flugverbietenden Vielfliegers, des dieselverbietenden Diesel-Fahrers, des ach-so-toleranten Ausgrenzers, diese Leben drohen selbst eine Lüge zu sein.

Seid nicht wie die Grünen, denn sie wissen selbst nicht, was ihre Verbote bedeuten. Seid nicht wie die Grünen, sondern denkt, bevor ihr fordert.

Sei nicht wie die Grünen! Sei das Gegenteil der Grünen: Bringe Wort und Handlung in Einklang.

Weiterschreiben, Wegner!

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