Für einen König war es einst unvorstellbar, sich ohne Robe und Amtspracht der Welt zu präsentieren. Sogar seine Beamten, ja selbst seine Familie durften ihn nur in voller königlicher Montur erleben – so habe ich es zumindest gehört.
Und doch gab es Menschen, vor denen entblößte sich der König, die »durften« seine intimsten und wohl auch weniger ästhetischen Momente erleben.
Dass der König diesen Menschen ganz selbstverständlich offenbarte, was in anderer Situation einen Skandal mit Konsequenzen hervorgerufen hätte, das hat vermutlich einen schwierigen Grund: Die Stellung der »Diener fürs Schmutzige« war derart weit unterm König, er nahm sie als Menschen derart wenig ernst, dass es ihm deshalb vor denen nicht peinlich war. Dir ist ja auch nicht peinlich, wenn dir vor deinem Hund ein Lüftchen entfleucht.
Eine scharfe Anwendung
Herr Robert Habeck hat dieser Tage dies zu Protokoll gegeben:
Diese unregulierte Form dieser sozialen Medien ist nicht mehr akzeptabel. Wir können nicht zulassen, daß Milliardäre, die Donald Trump unterstützen… den Diskurs in Europa definieren. Eine scharfe Anwendung des DSA ist das Mindeste, was wir in Deutschland brauchen. (Robert Habeck, zitiert nach @tomdabassman, 24.10.2024)
Wer hätte gedacht, dass wir noch wehmütig zurückblicken würden auf die Zeit, als man zumindest behauptete, es ginge bei der Zensur um »Hass und Hetze«. Natürlich war es immer falsch, schon deshalb, weil diese Kategorien weder klar zu definieren noch illegal sind.
»Deine Meinung ist Hass, und Hass ist keine Meinung«, so schrieb ich schon 2018. Natürlich ist Hass erlaubt – es muss nur der »richtige« Hass sein. (Welche politischen Inhalte hat denn etwa der SPD-Konzern, außer dem Hass auf politische Abweichler, sprich: »Räääächte«?)
Zumindest taten sie bislang so, als sei der Hass, den sie meinen, eine Art »Vorstufe des Verbotenen«, also der Volksverhetzung (die ja auch immer weiter ausgelegt wird), der Beleidigung oder der Verunglimpfung. Nun haben sie auch dieses Mäntelchen abgelegt. Wie ein König, dem wir nicht wichtig genug sind, als dass er sich schämen müsste, wenn er vor uns seine Blöße in die Herbstluft hält.
Für den Minister Habeck (und damit für die deutsche Bundesregierung!) ist eine »unregulierte Form« der sozialen Medien »nicht mehr akzeptabel«. Meinung muss reguliert werden, so die Botschaft der grünen Postdemokratie.
Dass ein amerikanischer Milliardär (und einst Sonnyboy der Öko-Schikeria) es wagt, die Verbreitung unregulierter Meinungen in Europa zu bewerkstelligen, das passt dem Kinderbuchautor gar nicht.
(Mit anderen Milliardären, die in den EU-Meinungsmarkt hineingrätschen, haben die Grünen offenbar weniger Probleme. Ich darf in diesem Kontext, ebenfalls aus dem Jahr 2018, den Essay »Six Degrees of Soros« neu vorlegen.)
Der Geknebelte wird es nicht tun
Der »Digital Services Act«, den Herr Habeck schärfer anwenden will (»das Mindeste«!), ist das Zensurgesetz der EU. Im Essay »Deutschland, zensiert« erklärte ich letztens die »Logik«: Die Regierung zensiert nicht selbst, aber sie bestellt »Trusted Flagger«, die den sozialen Medien dringend nahelegen, welche Meinungen gelöscht werden sollen. Alle Beteiligten sind sich einig, dass gerade störende Meinungen »unterhalb der Strafbarkeitsschwelle« gelöscht werden sollen. (Der Geknebelte kann dann aufwändige Verfahren anstrengen, um das Freischalten seiner doch formal legalen Meinung zu erzwingen – in 99,9 % der Fälle wird er es nicht tun.)
Es hat sich herumgesprochen, dass die Verschwörungstheorie von gestern die schulterzuckend eingeräumte Nachricht von heute ist. Doch ich stelle zusätzlich (und wieder einmal) fest: Meine mahnende, dystopisch gefärbte Übertreibung von gestern ist die mit großmoralischem Augenaufschlag vorgetragene Regierungdevise von heute.
Man will also noch schärfer zensieren, damit Trumps Positionen nicht in Europa »unreguliert« präsentiert werden können. Gut, dass wir in der besten Demokratie aller Deutschlande leben!
Er tut nicht mehr so
Der König ist nackt, und er weiß es, und er weiß, dass wir es wissen, und er tut nicht mal mehr so, als wäre er nicht nackt. Ob man die bekannten Politiker nun als die wirklichen Mächtigen deutet oder doch nur als deren Marionetten, so oder so lässt sich sagen: »Die« verstellen sich nicht mehr (wirklich).
Der König kann sich vor seinem Diener entblößen, weil er diesen nicht in vollem Maße als Menschen ernst nimmt. Ähnlich entblößen sich die »Lupenreinen« vor uns, im politischen Sinne. Und sie tun es immer mit der frechen Implikation: »Ja, was wollt ihr denn tun? Was könnt ihr tun?«
Ich aber meine, diese unregulierte Metastasierung des Totalitären ist … nicht mehr akzeptabel.