Geht es euch auch manchmal so, dass ihr auf eure Mitmenschen einredet und sie einfach nicht »hören wollen«?
Ich meine nicht, dass sie euch mit Argumenten widerlegen. Das wäre ja noch super! Ich meine, dass sie euch klar zu verstehen geben, dass ihnen egal ist, ob das, was ihr sagt, wahr und plausibel ist oder nicht.
Es ist sehr frustrierend, ich weiß. Geht mir ähnlich – und in den letzten Jahren öfter als in den Jahrzehnten zuvor.
Ein bestimmter Bibelvers kommt mir zuletzt ebenfalls öfter in den Sinn, und zwar:
Wenn man euch aber in einem Haus oder einer Stadt nicht aufnimmt und eure Worte nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen. (Matthäus 10:14)
Als ich den Text vor vielen Jahrzehnten las, schockierte er mich. Und er ist schockierend.
Er ist deutlich, so finde ich. Und zugleich heilsam nüchtern. Die Zeit des Menschen auf Erden ist begrenzt, unsere Kraft und Mühe auch. Warum sollten wir sie auf Menschen verschwenden, die sie ohnehin nicht annehmen werden, ob sie nicht wollen oder nicht können, welche Erkenntnis oder Wahrheit auch immer wir mit ihnen teilen möchten? Andere warten geradezu auf uns – und Zeit mit Unwilligen zu verschwenden, ist letztlich Unrecht den Wartenden gegenüber.
Tote aufwecken, Dämonen austreiben
Jener Text fällt mir in den letzten Jahren immer wieder ein. Und ja, ich wende ihn auf Debatten um politische oder gesellschaftliche Themen an. Wenn ich meine, zu gewissen Entwicklungen eine wesentliche Deutung anbieten zu können, sich jemand dem aber vollständig verschließt – warum sollte ich meine begrenzte Zeit mit ihm, ja: verschwenden?
Zur Erinnerung:
»Wenn man euch aber in einem Haus oder einer Stadt nicht aufnimmt und eure Worte nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen.«
Der Kontext: Es ist der Auftrag an die Jünger, zu den »verlorenen Schafen des Hauses Israel« zu gehen – ausdrücklich nicht zu Heiden oder Samaritern. Die Jünger sollen verkünden, dass das Himmelreich nahe ist, Kranke heilen, Tote auferwecken, Dämonen austreiben. Und sie sollen nichts mitnehmen, sondern sich ganz auf die Aufnahmebereitschaft jener verlassen, die »es wert sind«.
Die Jünger sollen würdige Häuser würdig grüßen und dem Haus Frieden wünschen. Doch sollten sie sich in der Auswahl der gastgebenden Häuser oder Städte getäuscht haben, gilt eben dieser Vers.
Schauen wir genauer hin!
Außer Staub nicht viel?
»Wenn man euch … nicht aufnimmt«, heißt es. Dieses Aufnehmen, griechisch δέξηται, kann auch bedeuten: bewirten, aufnehmen im Sinn von versorgen.
Damit wird der Gedanke aus Vers 10 aufgenommen (wie auch Thomas von Aquin bemerkt), wo es heißt:
»Nehmt keine Vorratstasche mit auf den Weg, kein zweites Hemd, keine Schuhe, keinen Wanderstab; denn wer arbeitet, ist seines Lohnes wert.«
Flapsig gesagt: Wenn jemand zwar hören will, was du sagst, es ihm aber nichts wert ist – auch dann geh weiter. Außer Staub hatten sie dir nichts anzubieten, und den sollen sie dann auch behalten.
»Eure Worte« heißt im Griechischen λόγους – vom bekannten »λόγος«. Im altgriechischen Wörterbuch füllt das Stichwort mehrere Seiten. Logos kann auch heißen: die Wahrheit selbst, die vernünftige Rede, das göttliche Wort – was ihr zu sagen habt, ist nicht bloß Meinung. (Ihr wisst schon: Im Anfang war das Wort! Der Sinn! Die Kraft! Und getrost: die Tat!)
»Schüttelt« heißt ἐκτινάξατε. Das ist stark: abschütteln, loswerden, im Sinne von: vollständig entfernen.
Und was ist κονιορτός, der Staub? Das ist besonders spannend!
Staub ist, was am Fuß haften bleibt – unscheinbar, banal. Doch in der biblischen und patristischen Deutung steht dieser Staub für viel mehr.
Gerade im Licht unserer Debatten erinnert mich dieser Staub an jene Unreinheit, die aus der Ablehnung offenkundiger Wahrheit entsteht.
Es erinnert mich an Matthäus 12:31 – an die Sünde wider den Heiligen Geist. Wenn jemand im Gespräch Vernunft und Wahrheit ausklammert – was soll dann noch stattfinden?
Wie Rabanus Maurus deutet, steht dieser Staub für die leichtesten und feinsten Anhaftungen an das Weltliche – sogar bei den Aposteln. Es ist also ein Akt der inneren Reinigung, nicht bloß ein Signal an die anderen.
Mein kleiner Stolz
Die Füße der Jünger stehen für die Verkündigung, das Weitertragen der Wahrheit. Diese Füße müssen frei sein von Staub – frei von weltlicher Sorge, Verblendung, Ego. Legt es ab – wie Staub, der nicht mitgetragen werden soll.
Und wenn ich schon meine Sorgen abschüttle – dann vielleicht auch meine eigenen Widerstände: mein kleiner Stolz, meine Ängste oder Vermeidungstätigkeiten, die mich daran hindern könnten, Wahrheit zu erkennen und anzunehmen.
Wenn jemand nicht hören will, was ich zu sagen habe – wenn er es nicht einmal prüfen will –, schlicht weil ihn Wahrheit prinzipiell nicht interessiert, dann muss ich lernen, sein Haus zu verlassen und den Staub von meinen Füßen zu schütteln.
Denn es gibt andere Häuser. Und sie warten. Auf euch – guter Dinge und mit sauberen Füßen.