09.11.2024

Die »Guten« sind autoritär, Trump und Höcke sind es nicht

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten
Man hört, Trump und Höcke würden gewählt, weil sie zwar »autoritär«, aber Leute das »Establishment« satt seien. Das ist falsch. Die Wahrheit ist simpel: Weder Trump noch Höcke sind autoritär – aber »die Guten« sind es, und zwar sowas von!

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In Zeiten und an Orten universellen Wahnsinns ist Rationalität ein revolutionärer Akt. Jochen Bittner ist eine Art »kontrollierter Revolutionär« an dem Ort, den die Wochenzeitung »Die Zeit« in der Evolution Deutschlands einnimmt.

Bittner, obwohl für »Die Zeit«schreibend, sagt und schreibt regelmäßig banal vernünftige Dinge, echte Knaller altneuer Vernunft. (Wobei diese »Knaller« tatsächlich oft mehr so Silvesterböller als ein King-David-Hotel-Anschlag sind: unterhaltsam und aufmerksamkeitserregend, aber bei ordnungsgemäßem Gebrauch ohne größere Konsequenz.)

Jochen Bittner schrieb jüngst auf X (also am Ort revolutionärer Rationalität) zum neuesten Trump-Wahlsieg unter anderem dies:

Irgendwann schätzen Wähler die Gefahr, die von autoritären Charakteren ausgeht, kleiner ein als die Gefahren, die in einem selbstzufriedenen Establishment lauern. Dann wählen sie Trump trotz des 6. Januar – und die AfD trotz Björn Höcke.
(@JochenBittner, 9.11.2024)

Es ist das, was ich eine »Applauszeile« nenne. Eine Positionierung, die markant und voranpreschend klingt und dazu noch ihren Autor als Menschenversteher zeichnet. Ein wahres politfeuilletonistisches Demoplakat, um Viralität bemüht.

Doch finden wir es richtig? Applaudieren wir, nur weil die Formulierung von der Art ist, die zu beklatschen wir trainiert sind?

In deutschen Landen spricht man in diesen Jahren viel von Haltung. Als gute Haltung gilt noch nicht einmal mehr die gebückte, denn auch zum Bücken braucht es ein Rückgrat, nur eben ein gekrümmtes (und das könnte sich auch wieder gerademachen (und dann gilt der Bürger als »Rechter«)).

Es muss den Aufrechten wütend machen: Als gute Haltung, als die neue deutsche Haltung gilt die gänzlich rückgratlose. Der Bürger als zerfließende, frei formbare Organmasse.

Ich aber bin trotzig. Ich sage: Wer dazulernen will, der sollte als Haltung das prinzipielle Dagegen ausprobieren. Ich sage: Mehr Mut zur Existenz als »Contrarian«!

Wenn ein Herr Bittner also sagt, die Menschen würden Trump »trotz des 6. Januar« und »die AfD trotz Björn Höcke wählen«, dann will ich trotzig eine Gegenthese prüfen. (Ja, gut möglich, dass ich früher Ähnliches gesagt habe wie Bittner hier. »Prüfe alles …« – ich meine das ernst!)

Ich will widersprechen, und zwar gründlich. Eine Gegenthese, die die These schleift und argumentatives Salz in den frischen Acker streut, auf dass keiner die Dummheit einer Synthese versucht.

Trump würde »trotz des 6. Januar« gewählt, so sagt Bittner. Damit impliziert er die Bestätigung der Beschuldigungen, Trump sei direkt für den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 verantwortlich gewesen – es sei ihm geschenkt.

Und die AfD würde »trotz Björn Höcke« gewählt. Damit impliziert Bittner, Björn Höcke täte arg schlimme Dinge.

Bittner scheint zu sagen, die Wähler würden Trump und Höcke als »autoritäre Charaktere« bewerten (wie ein »Zeit«-Redakteur es vermutlich tun muss), also als ganz doll schlimm. Doch »die Gefahren, die in einem selbstzufriedenen Establishment lauern« seien aus Sicht jener Wähler noch schlimmer.

Mit Verlaub, Herr Bittner, Sie liegen gleich doppelt falsch. (Aber nicht auf die nützliche Weise einer doppelten Negation, die dann wieder zur Wahrheit wird. Mehr wie einer, der sich einmal verfährt und dann banal noch mal verfährt.)

Was Sie als »selbstzufriedenes Establishment« bezeichnen, wird von denen, die Sie als homogene Trump-Höcke-Wähler ausmachen, als die eigentlichen »autoritären Charaktere« bewertet.

Die »Guten« sind nicht »noch autoritärer« als Trump und Höcke. Dieses »Establishment« sind die eigentlichen und in diesem Kontext einzigen Autoritären.

Denn: Weder Trump noch Höcke sind autoritär.

Grenzen schützen, Illegale ausweisen und die Einhaltung des Amtseids fordern ist nicht »autoritär«, sondern Rechtsstaat und Demokratie. Unterlassung aber bedeutet, den Kollaps des Landes in Kauf zu nehmen – oder gar zu forcieren.

Autoritär ist es, Menschen vorschreiben zu wollen, wie sie leben und fühlen sollen, bis hin zur Ernährung und Erziehung ihrer Kinder.

Autoritär und dazu totalitär ist es, den Bürger in Propaganda einzuhüllen, nur eine Meinung zu erlauben und Propaganda-Lügen schon in den Schulen zu verbreiten.

Autoritär ist es, Meinungen kontrollieren zu wollen, Wahrheitsministerien zu errichten, strafende Hausdurchsuchung wegen abweichender Meinung anzudrohen und hanebüchene, aber zermürbende Prozesse gegen Regierungskritiker anzustrengen.

Herr Bittner ist vernünftig, kein Zweifel! Doch: Alle Vernunft nützt nichts, wenn der Vernünftige von falschen Prämissen ausgeht.

Die Fakten sind die Ziegelsteine, die Logik ist der Mörtel. Wenn die Ziegelsteine zerbröseln, nützt auch der beste Mörtel wenig.

Trump und Höcke werden gewählt, weil sie glaubwürdig rüberbringen, dass sie das Beste für ihr Land wollen. Und die, die sich »die Guten« nennen, bringen genau jene Eigenschaften mit, die einen eben als »Faschist« und »Autoritärer« qualifizieren.

Manchmal erschließt sich die Wahrheit wirklich einfach … man muss nur von richtigen Prämissen ausgehen!

Weiterschreiben, Wegner!

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