Es war einmal, weit fort und doch sehr nah, ein ganz bezauberndes Land, da war ein X immer auch ein U, fünf war gerade, und wenn man die richtigen Zauberwörter kannte, dann wurde der Schutzmann blind, das Geld kam auch ohne Arbeit ins Säckel, nur die gebratenen Hühner, die flogen einem nicht von selbst in den Mund, auch nicht die Hammel, die musste man sich schon selbst grillen, aber dafür waren die Parks ja da – wo dann auch für einen von fleißigen Geistern aufgeräumt wurde.
Genug geträumt – was mit »es war einmal« beginnt, das ist immer nur ein Märchen und keinesfalls jemals eine realistische Beschreibung – zurück zur knallharten Realität – den Nachrichten.(Wo-nach richten sich die Nachrichten eigentlich?)
Buchhandlungen und Shisha-Bars
Die deutschen Grenzen sind geschlossen, so heißt es. Wegen eines Virus. – Sind die Grenzen aber für alle geschlossen?
Wir lesen und erfahren heute, was »Rechtspopulisten« (wie man heute Realisten nennt) ohnehin ahnten: »Grenzschließung für alle – nur nicht für Asylbewerber« (welt.de, 5.4.2020)
Es scheint ein Zauberwort zu geben, mit dem sich in Deutschland manche Tür öffnen lässt, manches Gesetz aufgehoben zu werden scheint, ein Zauberwort, vor dem selbst die Polizei nach unbestätigten Gerüchten sich fürchtet (siehe auch »Folgen Sie uns – wenn Sie mögen«).
Ein Zyniker könnte meinen: Deutsch ist eine so konzise wie präzise Sprache, und »Abrakadabra, Sesam öffne dich«, heißt heute schlicht: »Asyl!«
Es sind ja nicht nur die Grenzen! In ganz Deutschland schließen in den Zeiten des China-Virus die Buchhandlungen – manche Shisha-Bar jedoch bleibt offen, gemäß dem alten Motto: »Legal? Illegal? Bissu Rassist, du Alman-Kartoffel?!«
Ein peniblerer Geist
Meine Familie und ich sind als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen, und wir saßen immer in einer Schublade mit »Asylanten« – und das war 100% okay so. Damals bedeutete der Begriff »Asyl« etwas anderes als heute.
Wir hatten alle Papiere vorab geklärt. Wir begannen schon Monate vor dem Umzug mit dem Erlernen der deutschen Sprache. Wir wollten uns einfügen.
In einem neuen Land leben zu dürfen, und von dem zu zehren, was die Einheimischen erarbeitet hatten, das war und ist eine Ehre, eine Liebesleistung der Gastgeber, für die man dankbar war – für die man dankbar zu sein hat. (Ein »Anspruchsdenken« erschiene mir persönlich moralisch verrottet – und das wäre noch euphemistisch ausgedrückt.)
Wir legten großen Wert darauf, uns an alle Regeln des Gastgeberlandes zu halten, in der Öffentlichkeit wurden wir Kinder angehalten Deutsch zu sprechen, aus selbstverständlicher Höflichkeit.
Heute aber bedeutet »Asyl« etwas anderes, heute ist »Asyl« das Zauberwort, das alle soziale Vernunft, mindestens gefühlt Teile des Rechtsstaats und, so fürchte ich, nicht selten auch die Würde der Deutschen abschaltet.
Ich bin im Herzen »Asylant« … allerdings in dem Sinne, den das Wort damals trug. Einer, der Zuflucht gefunden hat, und so immer in besonderer Pflicht, Dankbarkeit und Verantwortung stehen wird.
Wir wurden als Gäste aufgenommen. Wir erlernten die deutsche Sprache (und ich verliebte mich über die Jahre in diese Kultur und Sprache, in ihre Kraft, in ihre glitzernd scharfe und doch zutiefst menschliche Präzision, in die Tradition der Denker, deren Denken, Werk und Leben sie formte – was ja so weit mehr ist, als nur der »Träger« von Gedanken zu sein). Ich verstehe nicht, heute noch weniger als sonst, wie jene, die heute mit dem Zauberwort Asyl auf der deutschen Seele und Würde herumtrampeln dürfen, das mit sich vereinbaren können – und warum zur Merkel die Deutschen das mit sich machen lassen.
In Deutschland scheinen sich zwei Rechtssysteme zu entwickeln, mindestens im »moralischen« und »gefühlten« Recht, das in Staaten mit Neigung zur »Postdemokratie« an schlechten (und nicht ganz un-seltenen) Tagen noch schwerer zu wiegen scheint als das »für alle« Geltende.
Ein peniblerer Geist als der meine könnte die Fleißaufgabe auf sich nehmen, all die Fälle zu listen, in denen sich mit dem Verweis auf »Asyl« oder vielleicht sogar eine Religion, etwa den Zoroastrismus, das für die »Kartoffeln« geltende Recht de facto außer Kraft setzen ließe – dem Logiker in mir (um nicht »dem Faulen« zu sagen) genügt der Hinweis auf einen Fall, der bekanntlich genügt, um die Allgültigkeit einer Regel zu widerlegen, wie etwa der Regel, dass das (offizielle wie auch inoffizielle) Recht für alle gelten muss – und für alle gleich.
Bällebad der Hölle
Ich halte es weder für ein Schlaraffenland noch für ein Paradies, wenn sich mit diesem, jenem oder einem ganz anderen »Zauberwort« der Rechtsstaat, die Demokratie und überhaupt die Ordnung der Dinge aushebeln ließe.
Unter Belastung werden die mikroskopisch kleinen Risse im Material »plötzlich« zu den Bruchstellen, entlang derer auseinanderbricht, was nach den Regeln der Kunst gar nicht zusammengehört hätte.
Märchen sind für Kinder. Ich möchte Deutschland heute zurufen, und ich will es, wieder einmal, an den Schultern packen (natürlich nur metaphorisch, denn wir wollen alle brav »Social Distancing« praktizieren!), und dem Land in die (hoffentlich) geputzten Ohren rufen: »Ein Land, ein Recht!«
Wer akzeptiert (oder es sich sogar explizit wünscht), dass in und für Deutschland zwei Regelbücher gelten, der spaltet das Land, der schafft kein Mehr, kein Größeres, der zerstört vielmehr alles, was wir haben, was die Generationen bis hierhin mit Schweiß, Mühe und – nicht minder wichtig! – ehrlicher Absicht erarbeitet haben.
Bislang haben alle, die das »Paradies auf Erden« erschaffen wollten, uns die Hölle bereitet, und auch jene, die meinen, mit diesem oder jenen »Zauberwort« sollte man ein »alternativrechtliches« Zauberland entfesseln dürfen, werden nicht wirklich ein Paradies schaffen, und ihre Sonderstellung wird höchstens jene sein, eine extra absurde, extra lächerliche Form der Hölle geschaffen zu haben, nicht einmal den Vorhof, mehr ein »Bällebad der Hölle«. (Es scheint mir eine passende Metapher fürs linksgrüne Sehnen: Nicht den Vorhof, sondern die Spielecke der Hölle schaffen sie – aber Hölle eben doch.)
Greifbare Gerechtigkeit
Es war einmal, weit fort und doch ganz nah, ein Land, welches darin und dadurch mir und so vielen anderen als Ort der Hoffnung erschien, dass darin die Vernunft herrschte, dass die Gerechtigkeit greifbar war, und das Fundament eines, auf das ich und so viele andere ihr Haus bauten.
In der Krise und unter Belastungen wird zum schmerzhaften Graben, was bis dahin vielleicht nur ein Fadenriss war. Diese Frage, »Wer werden wir sein, wenn das alles hier vorbei ist«, sie setzt so vieles voraus! Dass es noch ein »Wir« gibt – und ein »das alles hier vorbei«!
Natürlich wird »das alles hier« nicht ohne Narben und Erinnerungen an uns vorbei gehen. Ja, einiges kann wieder »zauberhaft« werden, im Kleinen, im Privaten, im »Innenhof«, doch auch und gerade das wird Arbeit und Realismus erfordern.
Dem Land wäre es zu wünschen, dass wieder das gleiche Recht für alle gilt, nicht nur auf dem Papier, sondern auch in den Ahnungen und Erfahrungen der Bürger.
Ich sage – und nicht alle werden mir zustimmen: Vergesst die großen Märchen, die ätherischen Träume, die wenig greifbaren Schäume! Hegt und pflegt euren eigenen Garten, ob metaphorisch oder greifbar – den zu beschützen wird fürwahr genug Mühe sein!