Damit ein Gefängnis ein ebensolches ist, muss dem Häftling überhaupt erst bewusst sein, dass ihm eine Freiheit genommen wird.
Es genügt nicht, dass ein Häftling das Gefängnis nicht verlassen darf; er muss auch wissen, dass diese Unmöglichkeit willkürlich ist und eine Strafe darstellt.
Ein Schwerverletzter kann sein Krankenhausbett ja unter Umständen ebenfalls nicht verlassen, doch solange er und alle sonstigen Beteiligten die Notwendigkeit der Beschränkung einsehen, wird man nicht von Gefangenschaft reden. (Im metaphorischen und philosophischen Sinn kann eine Krankheit sich wie ein Gefängnis anfühlen, wobei dann die Willkür einer höheren Macht die Gefängnisschlüssel hält. Ja, einige fehlgeleitete Lehren beschreiben sogar den Körper des Menschen als ein solches Gefängnis.)
Das mit »Gefängnis« beschriebene Konzept setzt voraus, dass der Gefangene zumindest im Geist täglich an den Gitterstäben rüttelt, dass seine Seele ruft: Lasst mich hinaus! Ach, was ich alles tun könnte, wäre ich nur in der Freiheit!
Was aber, wenn der Gefangene nicht mehr an den Stäben rüttelt?
Wenn der Gefangene überhaupt nicht nach draußen will, wird das Gefängnis zur Gratis-Wohnung mit Verpflegung, Gesundheitsversorgung und vielen Kumpels in der Nähe.
Es soll ja tatsächlich Häftlinge geben, die wollen gar nicht freigelassen werden.
Nicht einmal Wahrheitsfreiheit
Nicht immer ist es nur die relative Sicherheit und die Vertrautheit der Zelle, die manche Gefangene zögern lässt, überhaupt in die Freiheit gelangen zu wollen. Oft ist es schlicht der Mangel an Fähigkeiten, die notwendig sind,
um das Leben in Freiheit zu bestreiten. Und das Bewusstsein dieses Mangels flößt dem Freizulassenden natürlich Angst ein!
In diesen Tagen und Jahren schimpfen wir bisweilen über den täglich enger werdenden Korridor der erlaubten Meinung.
Ach, wenn in Deutschland »nur« die Freiheit eingeschränkt wäre! In Deutschland werden ja nicht nur die bloßen störenden Meinungen zensiert, sondern nicht selten zuerst die störenden Wahrheiten. In Deutschland herrscht nicht einmal Wahrheitsfreiheit.
Es wäre nicht falsch, Deutschland als ein Gedankengefängnis zu beschreiben. Nur das Äußern der vom Staat erlaubten Gedanken ist erlaubt. Das Äußern unerlaubter Wahrheiten und Meinungen wird dich schnell ins Gefängnis aus Stahl und Beton bringen.
Wer von Kind auf
Es ist eine tragische Angelegenheit, wie viele Bürger sich in diesem Gefängnis derart dauerhaft eingerichtet haben, dass sie es gar nicht als Gefängnis wahrnehmen. In Deutschland werden Kinder ja bereits im Kindergarten indoktriniert und in der Schule dann gründlich am Gehirn gewaschen.
Wer von Kind auf lernt, dass das Leben im Gefängnis die einzige moralische Art zu leben und die Freiheit böse und rechts und rundherum fürchterlich ist, für den sind nicht die Gefängniswärter der Feind, sondern jeder, der ihn aus dem Gefängnis zu befreien anbietet.
Erlaubt mir aber eine persönliche Frage, geschätzte Leser!
Nehmen wir an, du würdest als Deutscher plötzlich ganz aus diesem Gefängnis entlassen. Wie präzise wärest du eigentlich darin, deine abweichende Meinung zu formulieren?
Wahrnehmung und Bewertung
Du weißt, dass du jetzt manche Wahrheit und Meinung nicht öffentlich aussprechen darfst. Man verbietet es. Man weiß und hofft, dass dadurch auch deine entsprechenden heimlichen Gedanken verkümmern. Es ist ganz natürlich, dass du einen Gedanken, den du eh nie aussprechen wirst, nicht allzu gründlich durchdenkst. Der Mensch ist ja doch ein von Natur aus faules Wesen, und Faulheit, so sagt man, ist ein anderes Wort für Effizienz.
Deine Wahrnehmung und Bewertung der Realität formt auch jene Gedanken, die deine Handlungen bestimmen. Wenn du aber wichtige Wahrheiten nur unvollständig durchdacht hast, werden deine Handlungen aufn noch unvollständigeren Informationen beruhen als ohnehin.
Das ist ja eines der Probleme an Meinungsgefängnissen: Vor lauter Schimpfen übers Eingesperrtsein, wissen wir womöglich gar nicht mehr, was genau wir denn tun würden, wenn wir frei und draußen wären.
Einmal zu überprüfen
»Wer sich nicht bewegt, der spürt seine Ketten nicht«, so sagten einst die Linken und Spontis. Nun, die Linken und Spontis von einst mutierten zu neuen Totalitären und Menschenfeinden. Die Freiheit weht heute auf den Fahnen der Rechten. Und es gilt: Wenn du keine Ketten spürst, bewegst du dich nicht genug!
Vielleicht wäre es eine gute Idee, sich mit einem Stift, einem Blatt Papier und einem Feuerzeug in einen Raum ohne Kameras zurückzuziehen.
Schreibe auf, was du wirklich für die Wahrheit hältst, was deine ehrliche Meinung dazu ist.
Und dann verbrenne das Blatt Papier. Die Gedanken sind frei – aber du wirst du nur so lange frei sein, bis die falschen Leute deine richtige, aber verbotene Meinung erfahren.
Schreibe auf, was du wirklich weißt, was du wirklich denkst und fühlst.
Dies sind Zeiten, in denen wir nicht einmal sicher wissen, was wir wissen. Es wäre eine nützliche Übung, einmal zu überprüfen, was wir überhaupt noch wissen.