Heuchelei ist die Totenschminke der Moral. Wo es in den Kellerräumen des Gemüts staubt und gar-nicht-mehr-gut riecht, da braucht es eben außen die ganz dicke Tünche, auf dass man vor den Schwachsinnigen und Leichtgläubigen – zumindest aber vorm eigenen Spiegelbild – ein wenig weniger hässlich aussieht.
Erlauben Sie mir, Ihnen einen Satz vorzulegen, der selbst dem ansonsten des Zahnfleischblutens unverdächtigen Zyniker das Blut in den Apfel tropfen lässt:
„Was zur Hölle ist in diesem Land los? Wieso sperrt Twitter den Account der @titanic. Meinen Sie damit dem barbarischen #NetzDG zu entsprechen?“
– @zeitonline, 3.1.2018
Obiger Tweet stammt vom Account „zeitonline“ – und das ist die Stelle, an der geradezu spektakuläre Heuchelei an die Oberfläche steigt.
Mindestens Teile des Hauses Die ZEIT kooperierten über Jahre hinweg mit der Amadeu Antonio Stiftung im Kampf – wie Kritiker und Realisten es ausdrücken – gegen Meinungsabweichler. Man sagte zu Selbstdenkern lange Zeit „Nazis“ (bis die Vokabel nicht mehr wirklich „zog“). Man muss sich das vergegenwärtigen: Die von einer Ex-Stasi angeführte Stiftung hatte sogar eine DDR-Bürgerrechtlerin im publizistischen Fokus – wohl weil diese den Kurs der Kanzlerin zu kritisieren wagte?
Die Stiftung und der Justizminister verstanden sich bestens. Kahane tritt bis heute im TV als „Expertin“ auf.
Die ZEIT half selbst mit, das gesellschaftliche und politische Klima zu schaffen, das den Boden für #NetzDG bereitete.
Und nun faseln sie davon, wie „barbarisch“ dieses NetzDG sei. Sie sind gleich Brandstiftern, die sich beschweren, wie heiß das Feuer sei. – Um des von allen guten Göttern entleerten Himmels Willen: Diese Heuchelei liegt in der Barbarismus-Liga locker zwei, wenn nicht drei Tabellenplätze noch über dem NetzDG!
Die Zensur gehört zu Deutschland
Seit dem 1.1.2018 gilt: Die Zensur gehört zu Deutschland.
Diejenigen, die auch nur eine Sekunde lang über „NoHateSpeech“ nachgedacht haben und vor den Konsequenzen warnten (korrektdeutsch: „Populisten“), hatten ganz Recht. Es kommt so schlimm und so absurd, wie man dachte und befürchtete.
Gestern quakten „die Guten“ noch ihren Lügenslogan: „Hass ist keine Meinung!“ – Heute wollen sie schon immer gegen Zensur gewesen sein.
Nee, das ist unappetitlich. Papierakten waren geduldig, wenn sie nicht geschreddert wurden, das Internet ist noch geduldiger. Erinnern wir die neuen Wendehälse laut und öffentlich immer wieder an ihre „Wendigkeit“ – schon aus Prinzip!