Kurz bevor ich zu meinem Büro einbiege, jeden Morgen, gehe ich an zwei Kiosken vorbei. Eigentlich sind diese Kioske ja eher kleine Supermärkte. In Berlin würde man wohl »Späti« sagen.
Die zwei Geschäfte sind in ihrem Angebot keinesfalls gleich. Das eine bietet täglich frisches Obst, das andere eine größere Auswahl an Energydrinks. Doch da ist noch ein Unterschied, eine Asymmetrie, und die amüsiert mich. Ich will mein Lächeln hier mit euch teilen!
Die beiden Geschäfte, das sollte man wissen, tragen unterschiedliche Namen.
Der eine Superkiosk heißt »24h-Markt«, und er ist wohl Filiale einer Kiosk-Kette.
Der andere Großkiosk heißt schlicht »Mini-Supermarkt«, und er wird von einer chinesischen Familie betrieben.
Nun ratet mal, welcher von beiden Märkten tatsächlich zu unmöglichen Zeiten geöffnet hat – und welcher immer wieder geschlossen ist.
Ihr ahnt es ja, weil ich frage. Ich kann euch verraten, dass es der »24h-Markt« ist, der regelmäßig verschlossen und verriegelt ist, wenn ich am Morgen daran vorbeigehe.
Es ist der von der Familie betriebene »Mini-Supermarkt«, der am Morgen lange vor mir aufwacht, wo wechselnde Familienmitglieder das Obst auslegen, die Regale nach draußen stellen und so weiter. (Und dieser ist es auch, wo die Bewohner des Stadtteils schon mal einen Plausch mit der Kassiererin halten. Für Leute wie mich bietet das die Chance auf eine wichtige Übung in Geduld.)
Ich schmunzle jeden Morgen aufs Neue, wenn jene Familie ihren Mini-Supermarkt längst aufgemacht hat, während der »24-Stunden-Markt« noch locker eine Stunde warten muss, bis ein Angestellter ihn aufschließt.
Ich denke mir: »24 Stunden«? Ha, von wegen! Ihr schlaft, wenn die anderen schon ihre frischen Früchte bereitstellen.«
Und spätestens an dieser gedanklichen Stelle, wenn es um Früchte geht, denke ich an einen ganz bestimmten Bibeltext.
An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen. (Matthäus 7:20)
Sonst fühlen wir uns ja an diesen Text erinnert, wenn sich Politiker wieder einmal sehr heilig geben, aber tatsächlich Böses tun. (In dieser Textpassage beschreibt Jesus übrigens falsche Propheten.)
Politiker, die von Toleranz und Vielfalt reden, aber Bürger für abweichende Meinungen verfolgen lassen. Politiker, die das Grundgesetz preisen, aber die Grundrechte aufheben. Politiker, die sonntäglich auf die Demokratie und den Rechtsstaat schwören, doch tatsächlich den Wählerwillen verhöhnen und die Opposition ausschließen.
All diesen Menschen will man sagen: »Egal, was ihr sagt, wir erkennen euch an euren Früchten! Falsche Propheten würden wir euch nennen, wie Jesus es tut, doch ihr seid keine Propheten, ihr seid einfach nur falsch.«
Aber ach, die beiden Großkioske sind keine Propheten! Es sind fleißige Leute, in beiden. Und ich gehe auch mal zum einen wie zum anderen.
Die Asymmetrie der Namen dieser beiden Kioske erinnert mich daran, mich nicht von Namen täuschen zu lassen.
Was ein Mensch über sich selbst sagt, kann gelogen sein. Und nicht immer ist die Angelegenheit bloß zum Schmunzeln, wie bei den beiden Kiosken, kurz vor meinem Büro.