Einmal im Jahr, jeweils am 25. April, ziehe ich ein Resumee – aus maximal naheliegenden Gründen.
Diesmal bin ich mit meinem Sohn unterwegs. Wenn alles funktioniert hat, hat das System euch über die letzten Tage immer wieder einen Essay von mir vorgelegt, inklusive Mails.
Wenn alles funktionierte, war ich in Rom. Ich habe mit Leo die Sixtinische Kapelle und das Kolosseum bewundert.
Am Ostersonntag waren wir beim Gottesdienst im Vatikan, inklusive »Orbi et Urbi«. Ob der Papst gesund genug sein würde, den Gottesdienst zu leiten, war während unserer Planung unklar – es sah nicht gut aus. (catholicnewsagency.com, 17.03.2025) (Einschub von unterwegs: Ja, der Papst war anwesend. Am folgenden Morgen aber kehrte Papa Francesco, wie man sagt, heim ins Haus seines Vaters. Ich postete eine kurze Reaktion dazu auf YouTube.)
Wenn ihr diesen Text am Tag seiner Veröffentlichung lest, dann stehen Leo und ich womöglich noch in der Schlange vor der Accademia in Florenz. Wir wollen Michelangelos David sehen und haben vorab keine Tickets mehr bekommen. Aber an diesem Tag ist der Eintritt frei – man muss halt nur anstehen. Der 25. April ist in Italien ein Feiertag, der Tag der Befreiung.
An diesem Tag, ja, meinem Geburtstag, schreibe ich üblicherweise einen Zwischenstand.
Ich schreibe denkwürdige Sätze wie diesen: »Wir fahren durch die Geschichte wie Autofahrer mit defektem Navi. Einige Daten stimmen, andere sind falsch, und wir hoffen, uns nicht allzu schlimm zu verfahren.« (Zwischenstand 2020)
2022 war ich immerhin etwas euphorisch, und zwar aus Gründen, die heute weiterhin Gültigkeit haben: »Doch mit KI kann schon heute jeder, der es will, täglich klüger werden – und, ja, das macht mich etwas euphorisch!« (Zwischenstand 2022)
Letztes Jahr schrieb ich eine ganze Zwischenstands-Woche, und diese mündete im Kampfruf: »Lüge nicht!«
Dieses Jahr ist (wieder) etwas anders. Mein Zwischenstand ist eine Anwendung und Fortsetzung von Niebuhrs Gelassenheitsgebet, nur wenige Sätze lang.
Jenes Gelassenheitsgebet kennt ihr gewiss, es geht so: »Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.«
Mein Zwischenstand lautet also: Ich sehe heute nicht, wo ich im Großen etwas ändern kann. Mein Glaube an die Demokratie ist zu schwach, als dass er mich zu großen politischen Worten oder gar Taten bewegen könnte.
Ich will hinnehmen, was ich nicht ändern kann. »Hinnehmen« soll hier bedeuten, sich einzugestehen, dass es ist, wie es ist. Es bedeutet nicht, dass ich mich Ereignissen passiv ausliefern muss. Ich will die Faktenlage als solche akzeptieren und dann aus der Faktenlage die notwendigen Konsequenzen ziehen – soweit es mir möglich ist.
Ihr habt es in den letzten Texten vielleicht gemerkt, dass sich mein Fokus verändert hat. Ich schreibe über die Dinge, die ich realistisch verändern kann. Also: Darüber, wie ich der Welt begegne, wie ich sie wahrnehme.
Denn: Ich will nützlich sein, euch nützlich und mir nützlich. Und wenn das in einem erzielt werden kann, dann habe ich etwas erreicht, was ich Sinn nennen darf.
Wir werden in nächster Zeit neu nach Sinn suchen müssen. Einige der Strukturen, die wir bis eben noch für maximal relevant und unverzichtbar hielten, werden zerstört, und wir können es nicht verhindern.
Wenn aber große Zusammenhänge gesprengt wurden oder einfach zerbröselten, werden wir neu aussprechen müssen, was noch geblieben ist.
Auch deshalb bin ich mit Leo nach Rom gefahren, wo, nach dem Auftakt in Griechenland, die westliche Zivilisation begann. Bevor es vorüber ist, will ich noch einmal fühlen, wie es begann.
Ab dem 28. April 2025 aber, will ich weiter mithelfen, weiter bauen, Stein um Stein.
Es genügt nicht mehr, am Wahnsinn der Zeit nicht wahnsinnig zu werden. Heute gilt es, eine neue, persönliche Ordnung aus dem Fels der Möglichkeiten zu meißeln.
Andere zerstören das Gute und nennen es »Neue Weltordnung«. Du und ich wollen das bauen, was wir die private Ordnung der Seele nennen können.