ESSAY HÖREN
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In der TV-Serie »Two and a Half Men« sagt Evelyn Harper: »Ich glaube, Gott gibt uns Kinder, damit der Tod nicht wie eine solche Enttäuschung kommt.«
Man könnte in ähnlichem Humor so formulieren: »Kinder machen das Leben einfacher – in etwa so wie ein Schwimmlehrer, der dich erstmal ins Wasser wirft, das Schwimmenlernen einfacher macht.«
Ja, es sei hier gestanden: Einige der großen Religionsgründer fühlen sich mir fremd an. Deren Leben hat oft wenig mit meinem zu tun. Wer wie der Buddha seine Familie in Stich lässt, um Meditieren zu gehen, oder wer die Mühe des Elternseins erst gar nicht aufnimmt, wie sicher bin ich, dass seine Spekulationen und Visionen nicht schlicht mit mangelnder Auslastung zu erklären sind?
Ich kann mich so viel besser in die Mühen etwa des biblischen Mose einfühlen.
Man kann es sich greifbar vorstellen, wie Mose die Israeliten vierzig Jahre lang durch die Wüste führte – als arbeitender Vater.
Mose kehrt nach der Arbeit ins heimische Zelt zurück. Abend für Abend begrüßt ihn seine Frau Zippora mit der Frage: »Sind wir schon da? Ist hier schon das gelobte Land?«
Mosche Rabbeinu antwortet geduldig: »Mein Schatz, Zipporlein, mein Sonnenschein und mein Augenlicht! Wir sind da, wenn wir da sind.«
Zippora seufzt: »Ach, ihr Männer, dass ihr auch nie nach dem Weg fragen wollt.«
Mose fragt, wenn auch nicht nach dem Weg, sondern nach Nahrung: »Zippora, du meine Freude, mein Glück, was gibt es zum Abendessen?«, woraufhin seine Gattin ihn zurückfragt: »Sag mal, Mose, hast du gehört, was dein Sohn Gerschom heute zum Lehrer sagte?«
Mose schüttelt den Kopf, und er brummt: »Ach, wenn er brav ist, dann ist er dein Sohn, aber wenn er frech ist, dann ist er plötzlich mein Sohn?«
Und so weiter, und so fort.
Ja, Kinder machen das Leben komplizierter und anstrengender – in gewissen Jahren auch anstrengend bis zur wöchentlichen Totalerschöpfung.
Doch eine Angelegenheit wird durch Kinder einfacher.
Ist es jene Sache, von welcher Charlie Harpers Mutter in »Two and a Half Men« halb scherzhaft spricht? Ist die eine Sache, die durch Kinder einfacher wird, dass der Tod nicht so eine Enttäuschung ist?
Sagen wir mal: Jein. – Definitiv nicht ganz ja, aber auch nicht vollständig nein.
Kinder zwingen uns zu einer Denkweise, die uns sonst alles andere als selbstverständlich wäre. Und wer keine Kinder hat, der kann diese Denkweise wählen – aber es wird für ihn nicht einfach.
Kinder zwingen uns, sehr viel Energie und nicht wenig Geld in Vorhaben zu investieren, die uns selbst nichts nutzen werden – ja, deren einige wir gar nicht erleben werden.
Die Philosophie lehrt uns, dass Glück zu finden einfach sei: Finde eine Sache, die größer ist als du, und die es wert ist, sich ihr hinzugeben – und dann gib dich ihr hin.
Wenn ich versuche, meinen Kindern eine gute Bildung zu sichern, oder wenn ich ihnen Bücher nahelege, die sie erst verstehen werden, wenn sie selbst Kinder haben, dann arbeite ich an einer Angelegenheit, die weit größer ist als ich selbst.
Das ist die eine Sache, die Kinder einem leichter machen, weil sie Kräfte und Motivationen aktivieren, die uns angeboren sind.
Ich arbeite für Zeiten, in denen ich nicht mehr hier sein werde – oder nur als beobachtender Alter, als hoffentlich lächelnder Greis.
Doch natürlich ist die Aufgabe eines jeden Menschen, ob er Kinder hat oder nicht, den Blick vom eigenen Bauchnabel zu heben – vom eigenen »Pupik«, wie man im Tschechischen und auch im Jiddischen sagt – den Blick zu heben und seine Kreise größer zu ziehen, weit größer.
Mose zog nicht ins gelobte Land ein, und doch war sein Leben erfüllt. Er starb alt und lebenssatt. Der Tod kommt nicht als Enttäuschung, wenn du an einer Sache gearbeitet hast, die größer ist als du.
Ich pflanze Bäume, in deren Schatten ich nicht sitzen werde, und diese Bäume machen mich schon heute froh.