Dushan-Wegner

10.12.2019

Sind Seismologen schuld an Erdbeben?

von Dushan Wegner, Lesezeit 10 Minuten, Bild von Karlis Dambrans
Wenn narrativ-störende Gewalt verübt wird, greifen Linke SOFORT alle an, die davor warnten. Wenn es in Deutschland regelmäßig größere Erdbeben gäbe, wäre Seismologe ein verbotener Beruf, denn vor REALER Gefahr zu warnen gilt als »rääächts«.
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Es entspricht nicht den üblichen Gewohnheiten von Geschichten, dass man gewisse alltägliche, aber nicht appetitliche und doch menschliche Vorgänge zum Teil der Erzählung macht. Wir wollen jedoch stets gewissenhafte Berichterstatter sein, und also berichten wir: Es kam vor, dass Schüler zum Meister kamen, die anderswo diese oder jene Weisheit gehört hatten, und bei Gelegenheit kam es sogar zum Streitgespräch unter den Schülern.

Einmal, als drei Schüler sich über die auffallend praktischen Philosophien zweier auffallend unpraktischer Lehrer stritten, hinderte diese derbe Geschmacklosigkeit den Meister nicht, unter sie zu treten, und zu fragen: »Was ist falsch daran, Suppe zu essen?«

Die Schüler verstummten. Es war eine überraschende Frage. Eine überraschende Frage zu stellen ist eine bewährte Art, eine unappetitliche Dummheit zu unterbrechen. (Doch Vorsicht: Dumme Leute benutzen eine ähnliche Technik, um eine Klugheit, die sie nicht verstehen, zu unterbrechen. Lügner verwenden diese Technik, um eine Wahrheit, die ihre Lügen zu entlarven droht, zu unterbrechen und verstummen zu lassen. Überraschende Fragen sind auf gewisse Weise wie Brotmesser – es kommt darauf an, wie man sie benutzt!)

Nach einem höflichen Schweigen und einer Neubesinnung antwortete ein Schüler an ihrer aller Stelle: »Wenn es eine gute und bekömmliche Suppe ist, dann ist doch nichts verkehrt daran, eine Suppe zu essen!«

»Und doch«, sagte der Meister, »würdet ihr nicht in einer Gaststätte einkehren, zwei mitgebrachte Töpfe auspacken, daraus die Suppen anderer Gaststätten essen, und dann noch laut darüber streiten, welche die bessere sei!«

»Nein«, sagte ein zweiter Schüler, »das wäre unhöflich.«

»Es wäre unhöflich«, sagte der Meister, »das ist richtig. Doch, noch mehr wäre es eine vergebene Gelegenheit, von der Suppe der Gaststätte zu probieren, bei der man zu Gast ist!«

Der dritte Schüler, ein gelegentlich vorlauter, aber nicht dummer und gewiss nicht böser Kerl, fragte: »Warum gibt es denn so viele Arten von Suppen?« (Er meinte damit natürlich die Vielfalt der Suppen.)

Der Meister lächelte. »Eine Antwort wäre«, sagte er, »dass alle Suppenköche nach der vollkommenen Suppe suchen, und da jeder aus einer anderen Richtung kommt, unterscheiden sie sich doch, und werden sich unterscheiden, solange Menschen verschieden sind. Eine andere Antwort ist aber diese: Die Suppenarten stehen für die Lehren und Denkschulen.«

Der Meister hob einen Stein vom Boden auf, und er fragte: »Wenn ich diesen Stein loslasse, was wird geschehen?«

Der erste Schüler sagte: »Der Stein wird fallen.«

Der zweite Schüler sagte: »Der Stein wird auf den Boden aufschlagen.«

Der dritte Schüler sagte: »Der Stein wird womöglich wegrollen, wenn der Boden abschüssig ist.«

»Alles richtig«, sagte der Meister, »und wir erwarten, dass es so passieren wird. Niemand von euch hat aber gesagt, dass möglicherweise, wenn wir die Götter anrufen, dieser Stein sich plötzlich in blauen Rauch auflösen wird. Niemand hat vermutet, dass der Stein sich beim Fallen in etwas anderes verwandeln wird; in einen Drachen, einen Reiskuchen, oder gar in die köstlichste aller Suppen!«

Der erste Schüler sagte: »Das wäre ja auch nicht zu erwarten.«

Der zweite Schüler sagte: »Nicht über diesen Stein, so weit es mir bekannt ist, aber über andere Angelegenheiten gibt es durchaus ähnliche Lehren, da greifen unsichtbare Mächte in die Dinge ein, und eines verwandelt sich in ein anderes.«

»Warum glauben die Leute denn so etwas?«, fragte der dritte Schüler frech, »sind diese Leute gar dumm?«

Der Meister ließ den Stein fallen. Es war gut, dass der Stein recht klein war, denn der Stein fiel dem dritten, frechen Schüler auf den Zeh.

Der Schrecken war größer als der Schmerz.

»Und was hat uns der Stein nun gelehrt?«, fragte der Meister, und er antwortete gleich selbst: »Die eine Lehre erklärt, dass der Stein fallen wird, und sie will auch erklären und berechnen, warum und wie er fallen wird. Andere Lehren erzählen, dass es nicht sinnlos war, dass der Stein fiel, und dass es einen Plan der Götter für die Steine gibt, und dass wenn wir diese anrufen, die Götter vielleicht sogar ihren Plan ändern. Jene Lehren sind wie eine warme Suppe, die den Magen und die Seele wärmen, und ich kann verstehen, dass Menschen von ihnen probieren.«

Der dritte Schüler, etwas in seinem Stolz beschädigt und ein wenig am Zeh angekratzt, aber noch lange nicht geschlagen, fragte auf seine besondere Art: »Wenn eure Lehre keine warme Suppe ist, Meister, was ist sie dann?«

Der Meister sagte: »Deren Lehren sagen: Ich bin eine warme Suppe, iss mich! Ich sage: Wenn der Stein in Richtung deines Zehs fällt, springe schnell zurück. Deren Lehren fragen: Wie können wir den Gott der fallenden Steine besänftigen? Ich frage: Wohin fällt der Stein, können wir ihm ausweichen oder ihn noch aufhalten? Deren Schüler erkennst du daran, dass sie von ihrer Suppe überfressen und doch zugleich immerzu hungrig sind. Meine Schüler erkennst du daran, dass ihre Zehen unbeschädigt sind.«

Der dritte Schüler rieb sich den Zeh. Der Meister lachte, und er sagte: »Nicht alle, nicht immer!«

Wenn es Erdbeben gäbe

Die Nachrichten lesen sich heute wie die Illustration des Ausrufs: »Ich habe euch doch gesagt, dass der Stein so fallen würde! Wie auch sonst?« (Ein anderer Ausruf wäre: »Nein! Doch! Oh!«)

Wer als Politiker von seinen tatsächlichen Handlungen – und deren Unterlassung – ablenken möchte, der schwätzt so larmoyant wie er nur kann von Klimarettung und Kohlendioxid. Wie ernst meinen es diese Herrschaften denn mit dem plötzlichen Kampf gegen Ausatemluft? Die Antwort steht jetzt fest – sie meinen es so ernst wie mit den offenen Grenzen, die sie ganz im Geiste eines Herrn George S. propagieren, während sie selbst, wie er, von Mauern und Security beschützt tun, was sie eben tun. »Kein einziges Politikerauto hält den CO2-Grenzwert ein«, lesen wir heute, und wir nehmen an, dass es halbwegs wahr ist, obgleich es das Relotiusmagazin schreibt (spiegel.de, 9.12.2019). Vielleicht nehmen wir es ja bloß deshalb als wahr an, weil es ziemlich genau das ist, was wir erwarteten, wohin »der Stein fallen wird« – ich fürchte aber, dass es einfach stimmt.

»Kriminelle Clans schüchtern Polizisten ein«, lesen wir (bild.de, 9.12.2019), von Clan-Mitgliedern, die einen Polizisten und seinen Sohn im Fitnessstudio, äh, besuchen. Am Ende gewinnt immer die Realität – Clans sind die neue Realität, werden sie also gewinnen? (Und wenn nicht, wie sollen sie daran gehindert werden? Rund um die Uhr hinter jedes Clan-Mitglied einen Polizisten stellen?) – Naiv gefragt: Was hätten wir denn erwarten sollen als Konsequenz von Toleranz und politischer Korrektheit? Was hätte man denn erwarten sollen als Folge der Aufgabe eigener Werte und des aggressiven Leugnens von narrativstörenden Fakten? Wohin hätten wir denn annehmen sollen, dass der Stein fällt? In den rosaroten Himmel?

Und dann gibt es jene Steine, von denen wir wissen, dass sie fallen werden und wie sie fallen werden, und doch dreht es uns immer wieder den Magen um. Dazu zählt: Wenn in Deutschland eine Gewalttat verübt wird, die das linke Narrativ als das entlarven könnte, was es ist, nämlich ein tödlich stinkender Lügenhaufen, treten sogleich linke Meinungsmacher auf den Plan und versuchen, die Wut ob der Tat auf jene umzulenken, die früh davor gewarnt haben. »Augsburg lässt sich nicht aufhetzen« heißt es in sueddeutsche.de, 9.12.2019, und dass die Opposition »die Tat für ihre ausländerfeindlichen Reflexe« »missbraucht«. Wenn es in Deutschland regelmäßig größere Erdbeben gäbe, wäre Seismologe ein verbotener und geächteter Beruf, denn vor realen Gefahren zu warnen gilt als »rechts« und damit bekämpfenswert.

Gute Modelle, bessere Modelle

Es gibt im Prinzip zwei Arten, über die Welt zu denken: Das eine Lager betrachtet die Dinge, wie sie sind, und versucht aufgrund dessen, was sich mit einiger Sicherheit sagen lässt, »sparsame« Modelle zu entwickeln und überprüfbare Vorhersagen zu treffen. Wenn die Vorhersagen nicht zutreffen und bereits schon wenn die Modelle unangenehm viele Hilfsannahmen voraussetzen, also nicht »sparsam« sind (was oft einhergeht mit unbrauchbaren Voraussagen), ändert man sein Modell oder wirft es ganz fort und entwickelt ein besseres.

Das andere Lager beim Denken über die Welt erfindet elaborierte Modelle der Welt, die sich nicht an dem ausrichten, wie die Welt wirklich ist, sondern daran, wie es sich gut anfühlt, über die Welt zu reden. Es fühlt sich für eine bestimmtes Publikum besser an, zu glauben, dass Krankheiten von Dämonen und Schwingungen ausgelöst werden als von kleinen Lebewesen und zufälligen Mutationen (bis heute, was den Erfolg von Esoterik erklärt). Es fühlt sich besser an, zu glauben, dass alle Kulturen und Menschen im Herzen edel sind, als die Realität anzuerkennen, dass es einen Grund gibt, warum so viele Menschen aus ihrer eigenen Kultur fliehen wollen (siehe auch »Ja, es gibt Kulturen, die sind »besser« als andere«). Es fühlt sich besser an, wie im Wahn anzunehmen, dass Unterschiedliches nicht mehr unterschiedlich ist und dass böse Menschen nicht mehr böse handeln, wenn man nur politisch durchsetzt, all diese Probleme zu ignorieren – ja, wenn man diejenigen verfolgt und bestraft, die es wagen, nicht so zu tun, als ob es keine Probleme gäbe, außer jenen, die auf eben diese hinweisen.

Die neuen Prediger

Wenn ich einen Stein loslasse, wird er mir auf den Fuß fallen – oder jemandem, der in meiner Nähe steht.

Die Prediger alter Schule waren wenigstens schlau genug, die Erfüllung ihrer Versprechen auf die Zeit »nach dem Tode« zu verschieben, und noch ist nicht belegt, dass einer von der Wolke herabstieg und von den Toten zurückkehrte, um sich zu beschweren, dass seine Harfe weniger Saiten aufwies als er erwartet hatte. Die neuen Prediger versprechen paradiesische Zustände, die sich schon in unseren Jahrhunderten als linker Lug und totalitärer Trug erweisen. Der braune Sozialismus brachte Leid und Verderben. Der rote Sozialismus brachte Leid und Verderben. Fragen Sie eines der vielen Opfer von Gutmenschentum und Toleranz, wie es sich anfühlt, für die totale Toleranz zu sterben.

Wenn ein Stein fällt, kann man darüber philosophisch-spekulativ behaupten, dass das Fallen des Steines nur Einbildung ist. Wenn der Stein fällt, kann man das Fallen des Steines für der Götter heiligen Willen erklären, womit es unmoralisch wäre, über die Schmerzen zu klagen, die der Stein bewirkt, wenn er auf deinen oder meinen Zeh fällt. Ich aber stehe hier, und kann nicht anders, und wenn der Stein fällt, dann frage und sage ich: Wohin wird der Stein fallen, aller Erfahrung nach? Ich will schnell meinen Fuß wegziehen! Und dann frage ich: Wie können wir verhindern, dass wieder irgendjemand den Stein hochhebt und fallen lässt? Kann es uns gelingen? Wird es uns gelingen?

Noch alle dran

Die warmen Lügen vermeintlicher Toleranz und behaglicher Realitätsleugnung, sie versprechen wie eine schmackhafte Suppe zu sein, wohltuend und wärmend gegen die kalte Realität von Wirkung und Ursache – es ist kein Fleisch in dieser Suppe und auch sonst wenig Nahrhaftes. Süße Lügen sind eben das – süße Lügen.

Ich rate ab, wenn der Stein fällt, die Götter um Hilfe zu bitten oder den fallenden Stein zu ignorieren, was ja praktisch fast gleich ist. Ich rate dazu, erst den Fuß aus der Fallbahn des Steines zu nehmen, und fürs nächste Mal zu überlegen, ob und wie sich diese Gefahr ganz vermeiden ließe.

Die Schüssel mit der Lügensuppe ist in Wahrheit leer – weshalb sich die Lieferanten daran auch so eine goldene Nase verdienen, denn bezahlt wird sie in echtem Geld. Die Opfer linker Propaganda gestehen es sich nicht ein, dass ihnen leere Lügen serviert wurden, also werden sie umso schneller löffeln, je hungriger sie werden. Nicht nur, dass sie es sich selbst nicht eingestehen, dass sie betrogen wurden – sie zwingen auch noch ihre Mitmenschen dazu, ebenfalls aus leerer Schüssel leere Lügen zu löffeln und laut zu schmatzen, wie lecker es doch sei, und was für ein rääächter Trottel doch jeder sein müsste, dem die linke Lügensuppe nicht schmeckt.

Seid nicht wie die Linken, welche die Lügen aus den Schüsseln der Propaganda löffeln! Gesteht euch ein, zumindest heimlich und für euch, dass 2+2=4 ist, dass der Apfel nicht bergauf rollt, dass der Stein euch auf den Zeh fallen wird, weil Steine eben nach unten fallen – und dass es dem Stein erfrischend egal ist, welche Flugbahn unsere Moral sich für ihn wünscht.

Nehmt in Kauf, dass man euch heute etwas schräg anschaut, dass ihr nicht nur Zustimmung findet. Entscheidend ist, wie und wohin der Stein fällt – und ob eure Zehen am Ende des Tages noch fröhlich und genug am Fuß zappeln, da wo sie hingehören.

Weiterschreiben, Wegner!

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