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Essen Sie auch gerne Chips? Ich meine die gebratenen Kartoffelscheiben, die in luftgepolsterten Tüten geliefert werden. – Natürlich essen Sie gerne Chips! Sogar Leute, die nicht Chips essen, würden im Prinzip gerne Chips essen, sie essen die Chips nur aus anderen Gründen nicht!
Das Essen dieser Chips betreffend habe ich dieser Tage einen ungewöhnlich spezifischen Ratschlag gelesen. Es war einer jener Ratschläge, wo man sich fragt, ob da jemand die Absicht des Kantschen Imperativ missversteht – womöglich sogar absichtlich missversteht.
Wir sollen handeln, so sagt der Philosoph, als ob aus unseren Handlungen jederzeit eine allgemeine Maxime abgeleitet werden könnte. Der Kantsche Imperativ ist aber keinesfalls die Empfehlung, tatsächlich aus jeder eigenen Handlungen auch allgemeingültige Maximen abzuleiten!
Nebenbei: Ich finde sie schlimm, diese Leute, die ihre jeweils aktuelle Lebensabschnittsmode gleich allen Leuten zum Gesetz machen wollen. Noch schlimmer sind aber die Pharisäer und Heuchler, oder wie man heute sagt, sogenannte Gutmenschen, welche uns Regeln aufstellen wollen, an die sich selbst am wenigsten halten. – Zurück aber zu den Chips.
Der Ratschlag, den ich zum Essen der Chips hörte, er lautete… sind Sie bereit?
Wenn du Chips isst, dann iss sie nicht direkt aus der Tüte, sondern schütte zuerst einige davon in eine kleinere Schale! (Quelle: Reddit)
Die Logik und der Grund dieser besonderen Chips-Maxime scheint zunächst denkbar einfach zu sein: Chips sind darauf optimiert, deine Sinne positiv zu reizen mit Fett, Gewürzen, Salz und vor allem mit dem typischen Geräusch beim Zerbrechen zwischen deinen Zähnen.
Ja, das Zerbrechen der Chips zwischen den Zähnen ist denkbar wichtig! Stellen wir uns nur vor, wie eklig Chips schmecken, wenn sie weich wurden und labbrig sind – wohlgemerkt bei exakt gleicher Zusammensetzung der Gewürze.
Es geht beim Essen von Chips nicht um körperliche Sättigung oder gar um Vitamine. Es geht um Psychologie. Es geht um das Versprechen von Zufriedenheit. Wir werden nicht zufrieden sein mit unserer Chipsmahlzeit, bis wir nicht alle Chips aufgegessen haben.
Der Trick mit der kleineren Schüssel besteht darin, für sich neu festzulegen, wie viele Chips »alle Chips« sind.
»Alle Chips« soll nicht mehr »die ganze Tüte« bedeuten, sondern »die ganze kleine Schüssel«.
Wenn man philosophisch sein wollte – und wir wollen das! – dann könnte man diesen Ratschlag auch so formulieren: Lerne, mit weniger Kartoffelchips zufrieden zu sein!
Freiheit ist, so unsere Hausdefinition, wenn ich mit meinen Möglichkeiten zufrieden bin.
Wenn ich mich begrenze, wenn ich meinen Chips eine sichtbare, fühlbare Grenze setze, und wenn ich diese Grenze als solche für mich akzeptiere, dann bin ich womöglich glücklicher mit meinen Chips-Möglichkeiten, als wenn ich die Grenzziehung der Chipsfabrik akzeptiere – sprich: die ganze Tüte auffresse.
Das ist der logische und also wahre Grund, warum einer, der Chips in eine Schüssel schüttet und derart weniger Chips verspeist, sich zufriedener und damit freier fühlen kann.
Was sollte das auch für eine Freiheit sein, wenn ein Mensch gedankenlos die Chips in sich stopft bis die Tüte leer ist? Seine Grenze ist ja nicht selbstgewählt, sondern eine faktische. Er isst nicht so lange, bis er zufrieden ist, sondern bis keine Chips mehr da sind – und dann ist er unzufrieden, aber chipslos – und wahrscheinlich ist ihm auch etwas übel – es ist nicht Zufriedenheit, es ist ein Sichabfinden. Zu viele Bürger verwechseln das.
Wer sich selbst Grenzen setzt, und wer dann innerhalb dieser Grenzen zufrieden zu sein lernt, der ist nicht nur wirklich frei in seinem Handeln, der ist auch – Achtung! – frei in seiner Freiheit.
Freunde, lasst uns frei sein. Lasst uns Freiheit kosten und uns am Leben freuen.
Ja, lasst uns Chips essen – aber immer nur eine kleine Schüssel voll.