»Und ich sah ein Tier aus dem Meer steigen«, so lesen die Christen in Offenbarung 13, »das hatte zehn Hörner und sieben Häupter und auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Häuptern lästerliche Namen.« – Aha. Eine wohl internationale Macht soll da also aus dem »Meer« steigen, deren Herrschaft sich über mehr als ein Königreich erstreckt.
Und was tut diese Macht? Ab Vers 16 lesen wir:
Und es macht, dass sie allesamt, die Kleinen und Großen, die Reichen und Armen, die Freien und Sklaven, sich ein Zeichen machen an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn und dass niemand kaufen oder verkaufen kann, wenn er nicht das Zeichen hat, nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens. (Offenbarung 13, 16f)
Seit Christen sich trauen durften (und dann auch die Mühe auf sich nahmen), ihre Bibel selbst zu lesen, fragten sich die extra-neugierigen unter ihnen, was mit diesem »Zeichen des Tieres« gemeint sein könnte. Die einen sahen das Bekenntnis zum Papst darin, die anderen eine Art Balkencode.
Es scheint recht deutlich, dass jenes mit Zahlen zusammenhängt. Was aber ist aus nichts als Zahlen aufgebaut? Richtig: Computer-Software, oder wie man heute kürzer sagt: Apps.
Wenig mehr als ein kleiner Schritt
In Tübingen werden seit letzter Woche die Personalien von Menschengruppen an öffentlichen Plätzen aufgenommen (offiziell zumindest), welche nicht die »Corona-Warn-App« auf dem Handy installiert haben (tag24.de, 15.10.2020).
Es ist technisch wie debattenlogisch an diesem Punkt wenig mehr als ein kleiner Schritt zum Verbot von Versammlungen, die nicht via dieser oder der nächsten Regierungs-App überwacht werden. Sobald es eine Impfung gegen das Virus gibt (oder etwas, was als solche bezeichnet wird), ist davon auszugehen, dass Ungeimpfte ähnlichen Repressalien ausgesetzt werden – begleitet von entsprechender Propaganda seitens Regierung und der ihr zuarbeitenden Medien.
»des Tieres, einer endzeitlichen Macht«
Die obige Passage der biblischen Offenbarung ist auch als »Malzeichen des Tieres« bekannt. Wissend um die Schwächen der Wikipedia, aber auch um ihre Stärke als Dokumentation der politisch eher linken und damit debattenbestimmenden aktuellen Definition des Begriffs, will ich hier die Einleitung des entsprechenden Artikels zitieren:
Malzeichen des Tieres, in anderen Übersetzungen das Zeichen des Tieres, wird eine thematische Einheit in der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament der Bibel genannt, die mehrfach erwähnt und der eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird. Die erste Erwähnung des Malzeichens ist im Zusammenhang mit der Beschreibung des Tieres, einer endzeitlichen Macht, die allen Bewohnern der Erde bestimmte Verhaltensregeln aufzuzwingen sucht. (Wikipedia »Malzeichen des Tieres«, Stand 15.10.2020, Hervorhebung von mir)
Eine internationale Macht mit »vielen Häuptern«, die allen Menschen bestimmte Verhaltensweisen aufzwingt, und wenn man diese nicht befolgt, darf man weder »kaufen« noch »verkaufen«? Hmm.
Nicht notwendigerweise pfeilartig
Nein, ich halte auch die Corona-Warn-App nicht für die »Erfüllung« dieser Prophezeiung, zumindest nicht in dem Sinne, dass der Autor der Offenbarung vor zwei Jahrtausenden ins Jahr 2020 blickte und das Geschaute in seinen damaligen Begriffen codierte. – Aus einer anderen Perspektive aber ließen sich aktuelle Entwicklungen dann doch als Erfüllung jener apokalyptischen Vorhersage deuten.
Damit Menschen produktiv über die Möglichkeiten und Fähigkeiten des Einzelnen hinauswachsen können, muss ihr Zusammenleben verwaltet und gesteuert werden. Es trifft sich gut, dass einige der Menschen von einem »Willen zur Macht« (Nietzsche) getrieben werden. Der vom Machtwillen getriebene Mächtige bietet den Menschen ein Geschäft an: »Ihr lasst mich herrschen, dafür verwalte ich euer Zusammenleben derart, dass ihr vor euch selbst wie auch vor äußeren Feinden geschützt seid und sogar gemeinsam Wohlstand schafft!«
Es wird (und muss wohl) immer ein Tauziehen zwischen den Mächtigen und den Untergebenen stattfinden. Die Macht des Mächtigen, so es an diesem liegt, strebt immer zum Absoluten. Sollte es einen Mächtigen geben, der nicht heute mächtiger sein will als er es gestern war, und morgen mächtiger als er es heute ist, einen der nicht immerzu vom Willen zur Macht getrieben ist, wird er bald durch einen ebensolchen ersetzt werden.
Jeder Zentimeter gelebter Freiheit des einzelnen Untergebenen ist in den Augen des Mächtigen eine potentielle Bedrohung seiner Macht.
»Die Freiheit ist einzuhegen«, so sagt der, der über den Tag hinaus mächtig sein will, »und die Macht ist auszuweiten!«
Das »Malzeichen des Tieres« beschreibt in meiner Deutung die Eigenschaft jeder Macht eines gewissen Totalitätsgrades, zulässige Verhaltensweisen vorgeben zu wollen. In einem Detail allerdings hege ich gewisse Zweifel auch an der metaphorischen, symbolischen Allgemeingültigkeit der in der Offenbarung festgehaltenen Beobachtungen: Die Offenbarung könnte uns glauben lassen, es sei ein sicheres Zeichen des bevorstehenden Endes und einer darauf folgenden Seligkeit, wenn »niemand kaufen und verkaufen« kann ohne das »Malzeichen des Tieres«. – Es ist mir zu optimistisch.
Sowenig wie die Menschheitsgeschichte unser eschatologisch geprägtes Weltbild erfüllen muss (dass die Geschichte sich pfeilartig auf ein Ziel zu bewegt), sowenig muss die vermeintlich plötzlich stark zunehmende Vorgabe von Verhaltensweisen notwendigerweise das Zeichen eines bevorstehenden Umsturzes sein. Ein lernendes System könnte Wege finden, Verhaltensweisen derart zu kontrollieren, dass die relevante Mehrheit es hinnimmt (oder sogar aktiv dankbar ist).
Produktives Misslingen
Ich lese die Offenbarung als jemand, der sich relativ entspannt sicher ist, dass das Bewusstsein und damit das »Ich« faszinierende, aber doch biologische Funktionen des Gehirns sind, dass es kein »Danach« gibt außer dem, was kommende Generationen aus unserer Vorarbeit leisten, und ich lese die heiligen Schriften als jemand, der glaubt, dass der Sinn des Lebens in eben diesem zu finden ist (und mit Glück und relevanten Strukturen zu tun hat).
Ich lese weiter, bis zum letzten Kapitel. Ich lese (Offenbarung 22:15): »Draußen sind die Hunde und die Zauberer und die Hurer und die Mörder und die Götzendiener und alle, die die Lüge lieben und tun.«, und ich habe so meine Deutung – und ich behalte sie dann doch für mich.
Ist es statthaft, diesen oder jenen Akteuren ein Misslingen ihrer Absichten und Pläne zu wünschen? Auch hier gilt wohl: Es kommt drauf an!
Ich wünsche all diesen Drachen, die sich aus dem Meer erheben und ihre Macht ins Totale und Absolute anwachsen lassen wollen, ich wünsche denen etwas, das sich »produktives Misslingen« nennen ließe.
Ihnen und mir jedoch wünsche ich, dass wir klug, mutig und stark genug sind (und bleiben!), unsere Kreise selbst zu ordnen. Allen Menschen, denen Macht kein Selbstzweck ist, die gar nicht erst nach ihr streben, die einfach nur ihr Leben in Freiheit leben möchten und also täglich darum ringen, am Irrsinn nicht selbst irrsinnig zu werden, uns wünsche ich gutes Gelingen.