Es bricht auseinander. Wenn es keinen anderen Grund gäbe, zu protestieren und laut zu sein gegen die deutsche Regierung und das Berliner Narrativ, dann diesen: Das Land bricht auseinander.
Ein Topf kocht nicht plötzlich und ohne Warnung über, außer natürlich man ließ ihn unbeobachtet, doch auch dann gab es ja Warnungen, man sah sie nur nicht. Bevor der Topf überkochte, stiegen Blasen hoch. Das kochende Wasser sprudelte und zischte, und dann war es schon zu spät.
Die vielen kleinen Meldungen aus der deutschen Republik, die es nicht in die Abendnachrichten schaffen, weil sie angeblich nur »regionale Bedeutung« haben, sie sind wie die Luftblasen des immer heißer werdenden Wassers.
Etwa, als ein Twitter-User die Polizei Westhessen fragt:
@Polizei_WH was war denn heute im #MTZ in #Sulzbach los? Ich wollte ein #Eis holen, jedoch war die Eisdiele abgesperrt und neben ca. 14 PolizistInnen noch der NA…
– @einsteinffm, 14.7.2018
Die Polizei Westhessen antwortet lapidar:
Hallo!
Da wurde uns eine größere Schlägeei gemeldet und daher sind die Kollegen vorsichtshalber mit mehreren Streifen hingefahren. Stellte sich dann aber nicht so dramatisch dar, wie es gemeldet wurde.
Viele Grüße PvD
– @Polizei_WH, 14.7.2018
Doch, einige Twitterer waren dort gewesen und hatten mit dem Smartphone die Szene gefilmt. Andere kannten die Beteiligten. Sie widersprachen der Polizei.
Einer schreibt:
Nicht so dramatisch? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?! Der Herr in Blau ist der Vater eines guten Freundes und wird von knapp 5-6 rumänischen Kellnern angegriffen, dass wird als „nicht so dramatisch“ betitelt?? Absolute Frechheit!!
– @hmzaerd, 14.7.2018
Er fügt ein Video bei. Auf dem Video sieht man, wie eine Gruppe von Herren in schwarzen Hosen und weißen Hemden auf einen Herren in einem blauen Hemd einprügelt. Einer schwingt einen Stuhl. Wir hören Schreie. Menschen haben Angst. Oder, wie die Polizei sagt: »Nicht so dramatisch.« (Die Polizei bestreitet die Einwände nicht. Später sagt sie, das »nicht so dramatisch« hätte sich auf die geringe Zahl der Prügelnden bezogen.)
Entgegen allem, was man uns weismachen will, ist das kein »Einzelfall«. Die Gewalt zieht in die Innenstädte, Wohngebiete und Ausgehzonen. Eine kleine Auswahl aktueller Meldungen: Lübeck, Kassel, Freiburg, Bonn, Leipzig, Soest – und so weiter.
In jenem Deutschland, in dem ich groß werden durfte, waren öffentliche Schlägereien nicht an der Tagesordnung. Es war nicht normal, dass die Polizei den Angriff von Kellnern auf eine Familie lapidar als »nicht so dramatisch« abtut. Früher, wenn ein Mann seine Frau angezündet hätte, so dass Ärzte um ihr Leben kämpfen und sie im »besten« Fall entstellt überlebt, dann wäre das eine große Schlagzeile gewesen, ein Schock, ein Tagesthema. Heute versandet es als eine fürchterliche Meldung von vielen (bild.de, 17.7.2018).
Und dann gibt es jene andere Klasse von Bürgern, jene, die von all dem nichts mitbekommen – oder nichts mitbekommen wollen. Einige hatten schlicht Glück, weil sie in den richtigen Städten oder Stadtteilen leben. Ja, es gibt sie noch, die anderen Teile von Deutschland, in denen die Es-ist-doch-alles-super-Stories des GEZ-TV noch wahr sind. Die denken, all die anderen, die Angst haben, seien nur »Rechte« und sie halten deren Berichte aus dem eigenen Leben für »FakeNews«. Andere könnten ihren gut dotierten Job verlieren, wenn sie die Realität als solche anerkennen würden. Vielleicht fürchten sie – aus gutem Grund – dass wenn sie vom offiziellen Narrativ abweichen, auch an ihnen ein Exempel statuiert wird (vergleiche z.B. achgut.com, 18.7.2018).
Während erste deutsche Rentner aus Armut ihre Heimat verlassen und in billigere Länder wie Bulgarien auswandern (siehe z.B. focus.de, 16.5.2018, bild.de, 17.7.2018 (€), bild.de, 20.7.2018 (€)), gönnt sich die Elite Chemo-Therapien für ihre 14 Jahre alten Hunde, hält auf Galas tränenreiche Reden gegen den Hass oder verleiht einander Orden fürs Gutsein. Es ist leicht vom »Mutland« zu schwärmen, wenn ein Hund dein »Lieblingsmensch« ist, und du ohne Gewissensbisse dir ein königliches Gehalt überweisen lässt, das eiskalt sogar alten Müttern von ihrer ohnehin unwürdigen Rente abgepresst wird.
Der Graben in der Weltwahrnehmung zwischen Berliner Eliten und den Menschen in den von Gewalt und Verrohung betroffenen Teilen Deutschlands wird das Land zerreißen. Man möchte anfügen: »… wenn nichts dagegen getan wird«, doch die Hoffnung wird nicht stärker. Gestern bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass das GEZ-TV verfassungsgemäß sei. Niemand war überrascht. Die deutsche Regierung handelt heute zum Nachteil von Volk und Land; wirklich freie und von der Politik unabhängige Leitmedien könnten in Deutschland 2018 zur Staatskrise führen. Das wird kein Verfassungsrichter riskieren wollen, vermute ich. Überraschend ist die kindische Offenheit, mit der sich die Verfassungsrichter als Medienkritiker betätigen. Sie schwärmen in der Begründung davon, dass das GEZ-TV durch »authentische, sorgfältig recherchierte Informationen Orientierungshilfe bietet« (bundesverfassungsgericht.de, 18.7.2018). Zwischen den Eliten und der Realität in Teilen des Landes klafft ein Graben. Das Urteil des Verfassungsgerichts hat diesen Graben vertieft und verfestigt. »An der Wirklichkeit vorbei geurteilt« urteilt Torsten Krauel in der Welt (18.7.2018) und er hat recht damit.
Wenn ein Topf überzukochen droht, nimmt man ihn vom Herd oder dreht die Temperatur herunter; man beschimpft aber nicht denjenigen, der verhindern möchte, dass ein Mensch verbrüht wird – und schon gar nicht dreht man die Temperatur weiter hoch!
Das Land zerbricht. Die Risse werden mit Propaganda und Moralsprüchlein überklebt, solange es noch irgendwie geht. Fragen Sie sich bitte selbst: Haben Sie, wie ich, den Eindruck, dass in letzter Zeit auffällig viel Moral durch alle Medienkanäle gepumpt wird? (Die Philosophen unter uns winden sich ob der amateurhaften »Argumentation« mancher ethischen Zeigefinger – je Chefredaktion desto ungelenker.)
Es hat seinen Grund, warum der Morallärm lauter und klebriger wird in den letzten Tagen: Je größer die Risse, um so mehr Spachtelmasse braucht es. Doch, denken wir die Metapher einmal zu Ende:
Ich bin gegen Merkel und gegen das GEZ-TV weil ich dagegen bin, dass das Land zerbricht. Unter Helmut Kohl wurde vereint, was in Folge des Dritten Reichs getrennt worden war. Der nächste Kanzler wird vereinen müssen, was unter Angela Merkel zerbricht.
Deutschland nach Merkel wird eine neue Wiedervereinigung brauchen. Das Problem ist nicht, dass es »die da oben« gibt und dann noch den Rest von uns. Das hat es immer gegeben und es ist nicht unbedingt schlecht. Ich will weder 14 Stunden am Tag arbeiten noch will ich Hunderte oder Tausende von Angestellten beaufsichtigen müssen. Das Problem entsteht dann, wenn Meinungsmacher sich mit den Bürgern verbünden, denen es noch gut geht, und sie dann gemeinsam auf jene einprügeln, die Pech hatten, denen es nicht mehr gut geht, oder die schlicht Angst haben vor dem, was sie auf das Land zukommen sehen.
Während Deutschland sich selbst zerreißt, wird anderswo in der Welt an der Zukunft gearbeitet. Jeff Bezos hat schon mal die Preise für private Reisen ins Weltall bekanntgegeben und auch China ist ins Zeitalter der privaten Raumfahrt eingetreten. Computer-Firmen bieten Regierungen emotionale Überwachung an und anderswo sehen Instanzen wie Google und Musk sich genötigt, zu versprechen, niemals Künstliche Intelligenz in tödliche Waffen einzubauen. Und Deutschland?
Es bricht auseinander. Lassen Sie uns geduldig und täglich all den Moralisten und Propagandisten widersprechen, denn ihre Verharmlosungen und Lügen zerreißen das Land. Es liegt an uns, es wieder zusammenzufügen. Nach Merkel wird es eine neue Wiedervereinigung brauchen, doch wir können schon jetzt beginnen.
Die Realität zu verdrängen und die Angst zu ächten spaltet und zerreiß das Land.
Wir wollen das Land vereinen, eine Wahrheit nach der anderen.