09.08.2024

Warum Beran A. auf Taylor-Swift-Fans wütend ist

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten
Beran A. wollte offenbar möglichst viele Taylor-Swift-Fans töten. Weil sie glücklich sind und er nicht. Vergesst nicht: Die Ideologie, die ihn dazu trieb, lebt und wirkt weiter.

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Mittlerweile habt ihr von Taylor Swift gehört. Taylor Swift ist ein sehr erfolgreicher weiblicher US-Popstar. Und diese Woche wurden drei ihrer Konzerte in Österreich abgesagt, wegen sehr konkreter Terrorgefahr. Wir müssen darüber reden, und deshalb etwas Kontext für alle »Nicht-Swifties«.

Der Mensch Taylor Swift ist eine Tochter aus reichem Hause. Der Vater handelte mit Aktien, die Mutter war Marketingmanagerin eines Investmentfonds. Swift verlebte Teile ihrer frühen Kindheit auf einer Weihnachtsbaum-Farm, die ihr Vater einem seiner Klienten abgekauft hatte. Ihre Sommer verbrachte sie im Sommer-Ferienhaus ihrer Familie, in Stone Harbor, einem bildhübschen Küstenstädtchen in New Jersey.

Heute aber ist Taylor Swift ein milliardenschwerer Popstar. Und die Karriere der Taylor Swift liefert den Beweis, dass ein Mensch alles werden kann, wenn er sich anstrengt – und wenn außerdem die Eltern richtig reich und gut konnektiert sind.

Musik wie Plastikjacken

Ich habe versucht, die Musik von Taylor Swift zu hören. Es fällt mir schwer. Es ist Musik-Imitation, die nur dadurch nicht als Imitation auffällt, dass das Publikum anderthalb Generationen vom Original entfernt ist.

Taylor Swift macht Musik, also »Kunst«, für Menschen, die sich bei Globetrotter eine teure Plastik-Funktionsjacke kaufen – idealerweise im Partnerlook – und sich damit für Outdoor-Freunde und Bergsteiger halten.

Swifts Songs und Alben tragen Titel wie »The Tortured Poets Department« – »Abteilung für gequälte Poeten«. Was bitteschön wissen Taylor Swift und ihr Publikum von der Seelenlage eines gequälten Poeten?

Das Leben der heute 34-jährigen Taylor Swift hat mit dem Leben durchschnittlicher Menschen absolut nichts zu tun. Swift zählt zu den größten VIP-CO2-Produzenten der Welt. Swift fliegt mit ihren Privatjets von Termin zu Termin. Ein Artikel vom Februar dieses Jahres ist ironisch betitelt (meine Übersetzung): »Taylor Swift und die Abteilung der größten Umweltverschmutzer« (carbonmarketwatch.org, 13.2.2024). Da Flugdaten öffentlich sind, ließ sich nachrechnen, dass allein Swifts Beziehung zum Football-Spieler Travis Kelce stolze 138 Tonnen CO2 generierte (dailymail.co.uk, 17.12.2023).

Eine Künstlerin mit besten Verbindungen in sehr reiche Kreise, deren Kunst »richtige« Kunst eher imitiert. Ein Top-Umweltverschmutzer, der Verständnis für Klimapanik vorgibt. Eine superreiche, supererfolgreiche Frau, die noch immer gegen das »Patriarchat« zu rebellieren vorgibt. Moral als Modegag.

Wenn ihr meint, das alles klingt ganz nach dem heuchlerischen Herzen der Grünen, dann liegt ihr natürlich richtig.

Swift, die »Grüne«

Die Grünen Claudia Roth und Ricarda Lang besuchten jüngst ein Swift-Konzert, als »Swifties«, sprich: zahlende Taylor-Swift-Fans (t-online.de, 29.7.2024). Wo Heuchelei, Fake und massive Umweltverschmutzung stattfinden, da sind die Grünen begeistert dabei.

Die österreichischen Grünen mussten in dieser Woche aber sehr tapfer sein. Die dortigen Sicherheitsbehörden haben konkrete Anschlagspläne auf die Besucher eines Taylor-Swift-Konzerts in Wien vereitelt.

Zwei Verdächtige wollten vor dem Wiener Ernst-Happel-Stadion »so viele Menschen wie möglich töten«, wie sogar der deutsche Staatsfunk berichtet (tagesschau.de, 8.8.2024). tagesschau.de versteckt aber Hinweise auf die Motivation der Täter weiter unten im Text. »Ein 17-Jähriger und ein 19-Jähriger« werden verdächtigt, so schreibt man. Und einen Absatz weiter erfährt man immerhin, der 19-Jährige habe einen Treueschwur auf ISIS geleistet. Der 17-Jährige verweigert bislang jede Aussage, doch man hat in seiner Wohnung wohl Material von ISIS und Al Kaida gefunden.

Eine bestimmte Ideologie

Anderswo finden wir mehr Informationen, etwa bei kurier.at, 8.8.2024.

Der 19-jährige Verdächtige »Beran A.« wurde demnach in Österreich geboren und wuchs auch dort auf, aber geistig ist er nicht wirklich »im Westen« zu Hause. Er ging in Österreich zur Schule und machte bis vor kurzem eine Ausbildung. Und das Reihenhaus, in dem die Familie lebte, ist durchaus schmuck.

Doch sein wahres geistiges Zuhause ist eine bestimmte Ideologie. Und diese Ideologie beinhaltet offenbar den Auftrag, »Ungläubige« zu töten. »Ungläubige« oder wie »Beran A.« sagen würde: »Kuffar«.

Wie auch sein Vater arbeitete Beran A. in einem Ternitzer Edelstahlwerk, so die aktuellen Berichte. Er sollte Einzelhandelskaufmann werden – hatte dort aber vermutlich auch Zugang zum Labor des Stahlwerks, also zu gefährlichen Säuren und anderen Chemikalien. Und ja, nach der Festnahme wurden bei ihm daheim Chemikalien gefunden, die für einen Bombenbau verwendet werden können.

Am 25. Juli aber, also vor Kurzem erst, schmiss Beran A. seinen Job hin, weil er »noch Großes vorhabe«.

Man mag nun schmunzeln, dass Beran A. wohl doch nicht das große »Terror-Mastermind« ist, für das es sich hält. Doch man ahnt, dass der nächste »Beran A.« sich weniger doof anstellen wird.

Denn natürlich geht es im Fall von Beran A. nicht wirklich um ihn als Person. Es geht um die Ideologie, die sich seiner bemächtigt hat wie ein Virus. Und diese Ideologie ist ja mit der Festnahme des einen Beran A. nicht beendet.

Beim Konzert großen Spaß

Ich habe mich hier und heute etwas über Taylor Swift lustig gemacht, inklusive des obligatorischen Seitenhiebes auf die Grünen und ihre Heuchelei.

Doch lasst mich auch dies sagen: Ich habe keinen Zweifel daran, dass jeder einzelne »Swiftie« beim Konzert großen Spaß hat. Menschen, die ein Taylor-Swift-Konzert besuchen (und die anders als ich diese Plastikmusik ertragen können), haben eine »gute Zeit«.

Ihr wisst ja, wie ich zu mahnen pflege: Jeder Tag und jede Stunde unseres Lebens kommen nur einmal. Und ich bin überzeugt, dass Swifties ihre Stunden in einem solchen Konzert als gut investierte Lebenszeit bewerten.

Es gibt unterschiedliche Philosophien bezüglich der Frage, was ein »gut gelebtes Leben« ist, was den »Sinn des Lebens« ausmacht.

Es ist explizit nicht meine Philosophie, doch eine recht populäre Lebensphilosophie besagt, das lebenswerte Leben sei eine Ansammlung schöner Momente. Wenn das Erlebnis eines Taylor-Swift-Konzerts für Swifties einen solchen »schönen Moment« bedeutet, dann ist jedes einzelne dieser Konzerte mit Zigtausenden im besten Sinne glücklicher Menschen besucht.

Es ist nicht meine Art von Glück – meine Glückstheorie ist etwas weniger hedonistisch und hat dafür mehr mit relevanten Strukturen zu tun –, aber wenn Menschen auf diese »glitzernde« Weise glücklich und zufrieden sind, bin ich froh für jeden einzelnen Swiftie, und ich bin sicher, dass ihr es auch seid.

Das unterscheidet uns von Beran A. und allen, die der gleichen Ideologie anhängen wie er.

»Glücke« gleichen sich nicht

Wir erkennen problemlos an, dass es verschiedene Art des Glücklichseins gibt. Ich bin auf meine Weise glücklich, und »Swifties« sind es auf ihre. Deren Glück funktioniert auf deren Weise und meines auf meine. Diese »Glücke« gleichen sich nicht – und das ist sehr okay so.

Auf einer unausgesprochenen Ebene ist uns allen bewusst, dass das Leben einzigartig und endlich ist. Die Endlichkeit ist es, was wir (bislang …) alle gemeinsam haben. Also versucht jeder Einzelne von uns, das maximale Glück aus seinem einen Leben zu gewinnen.

Beran A. und seine ideologischen Kellegen denken aber anders. Beran A. ist nicht glücklich in seiner Ideologie. Seine Ideologie funktioniert nicht nur für uns nicht – sie funktioniert auch für ihn nicht.

Doch statt sich einzugestehen, dass seine Ideologie nicht funktioniert, verrennt sich Beran A. in den Wahn, er wäre dann glücklich, wenn er alle Menschen tötet, die nicht seiner Ideologie anhängen und dabei glücklicher sind als er.

Beran A. ist wie einer, der einen Kuchen isst, der ihm nicht schmeckt. Doch statt das Essen dieses Kuchens abzubrechen und einen anderen Kuchen zu wählen, hat er sich davon überzeugt, dieser Kuchen würde ihm schmecken, wenn er alle besser schmeckenden Kuchen vernichtet. (Und psychologisch ist sogar eine gewisse Logik darin.)

Es ist eine auf böseste Art brillante Eigenschaft jener Ideologie, ihre Anhänger unzufrieden zu halten und ihnen zu versprechen, sie würden glücklich werden, wenn sie nur dafür sorgen, dass keine andere Ideologie geglaubt wird.

Nie wirklich zufrieden

Auf gewisse Weise ähnelt jene Ideologie dem Konsumkapitalismus, der dir verspricht, du würdest mit dem nächsten Kauf glücklich werden. Und zwar immer mit dem nächsten, nie mit dem, den du bereits getätigt hast.

Eine viral erfolgreiche Ideologie ist wie ein Gedankenvirus, das dich zu seiner Verbreitung motiviert. Eine virale Ideologie muss versprechen, das Glück stünde jederzeit »kurz bevor«, wenn der Befallene nur die Ideologie stärkt und verbreitet. Dem Kapitalismus wie auch einer Ideologie wäre es ein »Wachstumshemmnis«, wenn sie das versprochene Glück auch wirklich bewerkstelligen.

Insofern ist die Hyper-Kapitalistin Taylor Swift tatsächlich ehrlicher und anständiger als so manche Religion. Selbst fanatische Swifties wirken nach einem Konzert – so es denn stattgefunden hat – viel zufriedener, als irgendein religiöser Fanatiker jemals wirklich zufrieden war. Damit könnte zusammenhängen, dass ich nicht fürchte, von Taylor-Swift-Fans ermordet zu werden, selbst wenn ich – wie hier getan – öffentlich das ganze Taylor-Swift-Projekt für sympathisch, aber doch etwas doof erkläre.

Hütet euch!

Was aber ist nun die »Moral von der Geschicht’«? Vielleicht dies: Freunde, werdet euch bewusst, was euch wirklich glücklich macht.

Ob euer Glückskonzept eine Religion beinhaltet oder nicht, ob euer Glück auf viele schöne Momente gebaut ist oder auf große Ziele und Werte: Arbeitet bewusst und selbstbewusst auf euer Glück hin! Und stellt sicher, dass euer Glückstheorie keine Ideologie ist, die fordert, dass auch alle übrigen Menschen derselben Ideologie anhängen.

Hütet euch vor denen, die wahnhaft glauben, nur dann glücklich werden zu können, wenn sie euch zu ihrer Art von Glück zwingen.

Hütet euch vor den Ideologen, und doch lasst euch nicht von der Angst vor denen verschlingen! Es gilt auch weiterhin: Jeder Tag kommt nur einmal.

Weiterschreiben, Dushan!

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