Dushan-Wegner

13.06.2018

Hoffe und arbeite

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Bild von Joel Bengs
Wir kennen weder Weg noch Stunde, wann ein neuer Kapitän einen neuen Kurs setzt. Bis dahin treibt das Schiff auf Klippen zu. Ich kämpfe dafür, dass es MORGEN besser wird – doch ich stelle mich darauf ein, dass es noch JAHRE dauern kann. Hofft und arbeitet!
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Ist es diesmal schon vorbei? CSU und Merkel sind wieder im öffentlichen Clinch. Wird diese Koalitionskrise endlich zu Merkels Sturz führen? Wird Seehofer diesmal auf seinem Standpunkt bestehen, Merkel zur Einhaltung ihres Amtseids zwingen? – Gregor Samsa wachte einst aus unruhigen Träumen auf und fand sich zum ungeheuren Ungeziefer verwandelt. Wird Horst Seehofer dieser Tage aufwachen und sich in einen Mann mit Rückgrat verwandelt finden? Wäre Seehofer von seiner Verwandlung ebenso überrascht wie Samsa von seiner?

Es wird nicht passieren. Seehofer wird so viel Widerstand wie eine warme Weißwurst leisten. Die Frage ist doch bloß, ob Merkel ihn vorher mit Messer und Gabel aus der Haut dreht, oder ob sie ihn wie früher aus der Haut zuzelt – und zwar rechtzeitig vorm 12-Uhr-Läuten. (Es ist nur metaphorisch gemeint, falls Sie Zweifel hatten.)

Es gibt Bürger, die – und wer kann es ihnen verdenken! – die hoffen seit Jahren schon, diesmal stünde nun wirklich, endlich, tatsächlich der Sturz Merkels zuvor. Als sie vor den letzten Wahlen zögerte, ihre neue Kandidatur bekanntzugeben, da wurde schon gehofft. Quotenkonservative verkündeten das baldige politische Ende der Frau M., immer wieder und stets zu dankbarem Hoffnungsapplaus.

Selbst im Haus, das den Nachnamen mit Friede Springer teilt, ich meine etwa BILD und WELT, fühlen wir zarte Zweifel an der politischen Ewigkeit der Dame, die für alles die Verantwortung und für nichts die Schuld trägt. »Wer hat Lust auf Neuwahlen?«, titelt Poschardt, der bravste Frechdachs der Republik. In der Reichelt-BILD heißt es milde, dass »der Rückhalt für Merkel schwindet und schwindet«. Es bleibt noch Raum zum Hochschalten, doch einige Leser schöpfen Hoffnung. Ist die Hoffnung gar gewollt? Verdient die BILD gar ihr Geld durch die Zahl ihrer Leser? Es wäre möglich. Ich sehe noch nichts, was sich nicht durch eine schnelle Schlagzeile im Stil von »Merkel wieder da – die Rückkehr der Power-Kanzlerin« zurück auf die Haltungsschiene setzen ließe.

Leser sagen mir: »Herr Wegner, ich spüre es, jetzt ist es wirklich so weit! Die CSU kann nicht zurückweichen!«

Ich spüre vorsichtige Euphorie aus den Zeilen, doch es ist traurige Euphorie. Es ist nicht Euphorie von der Art, wonach jetzt alles gut wird. Ihre Euphorie ist wenig mehr als die Hoffnung, dass es aufhören möge, schlechter zu werden.

Bürger, die es nicht ertragen können, was Merkel, ARD, SPD und ZDF dem Land und den Menschen antun, rufen zu Demonstrationen am 17. Juni 2018 auf. (Informationen und Termine z.B. bei Dr. Berger.)

Um den 17. Juni 1953 demonstrierten Bürger der DDR gegen die Politik der SED. Es war der erste anti-stalinistische Aufstand. Er wurde von Sowjet-Truppen niedergeschlagen. Der 17. Juni galt bis 1990 als Tag der Deutschen Einheit und Nationalfeiertag der Bundesrepublik Deutschland. Am 17. Juni 2018 wollen Bürger ihn wiederbeleben.

Ist es endlich so weit? Wird endlich der Druck auf diese Kanzlerin, die so schlimmen Schaden bewirkte, groß genug, dass sie zum Rücktritt gezwungen wird? Die CSU, heißt es, »steht hinter Seehofer«, doch es ist nicht nur ein Scherz, dass sie es auch tut, um ihn daran zu hindern, umzufallen. Die SPD, heißt es, arbeitet am eigenen Asylkonzept, doch wer rechnet der SPD noch etwas zu?

Das System Merkel besteht ja nicht nur aus Merkel selbst. Die CDU scheint derzeit Annegret Kramp-Karrenbauer zur Merkel 2.0 aufzubauen. Die Strukturen, die 2015 die Propaganda für Merkel betrieben, sind ja nach wie vor im Amt. Die Journalisten haben Orden bekommen oder gut dotierte Aufträge. Ihre Netze sind dichter, ihre Konten sind voller. Merkel-treue Journalisten haben sich längst in ihr Narrativ einbetoniert; sie werden Frau M. gern durch Frau KK. ersetzen, so sie nur weiter von den Mächtigen übers Köpfchen gestreichelt bekommen. Denen ist egal, wie der nackte König heißt, dessen Ornat sie bejubeln. Je weiter eine Lüge von der Wahrheit entfernt ist, umso abhängiger ist der Lügner davon, sie auf ewig zu betreiben.

Mein Ratschlag ist: Arbeitet daran, dass es besser wird – doch hofft nicht, dass es bald ist, oder dass es auf die Art und Weise geschieht, die ihr euch jetzt wünscht und ausrechnet.

Wir sehen ja durchaus Zeichen der Hoffnung, in Europa und den USA. Doch nicht alle diese Zeichen sind 1:1 übertragbar. Das Personal ist anders, die Mentalität auch.

Der Erfolg Trumps kam nicht »über Nacht«. Trump hat sich buchstäblich Jahrzehnte lang als zukünftiger Präsident positioniert. (Auf YouTube finden sich viele Videos dazu.) Und bis zuletzt fand das Establishment das auch großartig! Erst als klar wurde, dass er anders als Obama seinen Job, zum uneingeschränkten Wohle Amerikas zu handeln, ernst nehmen würde, setzte die bis heute andauernde Hass-Kampagne gegen Trump und seine Wähler (»deplorables«) an. Selbst für den Milliardär Trump, der es gewohnt ist, in New York erfolgreich mit Bau-Gewerkschaften zu verhandeln, war es keine einfache Selbstverständlichkeit, erfolgreich zu kandidieren. 2016 war nicht sein erster Anlauf!

Hofft und arbeitet! Doch hofft nicht auf einen Tag oder auf einen euch bekannten Weg, auf welchem Deutschland und Europa den Merkel-Wahnsinn hinter sich lassen. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Natürlich scheinen sie unrealistisch (etwa dass die AfD ihre »Problembären« los wird und eine Spahn-FDP-AfD-Regierung sich bildet), kein Zweifel. Doch wenn Ihnen jemand in besseren Zeiten gesagt hätte, dass das Land der Ingenieure und Wissenschaftler vom Geist grüner Studienabbrecher getrieben wird, sich selbst abzuschaffen, dass es Antisemitismus importieren und seine Töchter in Lebensgefahr bringen wird, dass es sich selbst islamisiert und seine Grenzen aufgibt, so wäre das auch nicht »realistisch« gewesen.

Falls und sobald es besser wird, dann anders, als wir es jetzt erwarten. Steter Tropfen höhlt den Stein und am Ende zerspringt der Stein, doch niemand kann anhand der einzelnen Tropfen vorhersagen, wie der Stein zerspringen wird und wie die Stücke fallen werden. Dass wir aber nicht wissen, wie der Stein zerspringt, darf uns nicht davon abhalten, der stete Tropfen zu sein!

Sagt nicht: »Jetzt wird sie zurücktreten!« Auf welche Gewissheit baut ihr denn, wenn ihr das sagt? Auf ihren Anstand? Auf ihr Gewissen? Auf das Recht? Auf den Eid, den sie geschworen hat? Ich bitte euch – dann wäre sie längst zurückgetreten, aus dem Amt gejagt und aus Respekt vor den Opfern für immer geschmäht.

Schärft eure Argumente. Werdet nicht müde, mit dem Nachbarn zu reden. Sagt den Einzelnen, dass sie sich entscheiden müssen, für Leben und Zukunft – oder für Ideologie und Gefahr. (Siehe auch mein Text: Die Krise wird tiefer werden, doch immerhin sind die Fronten klar)

Ich weiß, wie ermüdend das Gespräch mit Bürgern sein kann, die, vom Staatsfunk indoktriniert, Merkel lieben und die Vernunft hassen. »Frau Merkel wird schon wissen, was sie tut«, hört man, und man denkt, was Kafka in »Elf Söhne« sagt: »Man würde ihm abwinken, wenn man Hoffnung hätte, daß dieser mit Schlaf gefüllte Blick es bemerken könnte.« – Doch, Abwinken ist genauso gefährlich wie Durchwinken. (Es steht übrigens die Fußball-Weltmeisterschaft an, eine gute Zeit zum Durchwinken, während der Bürger mit Bier und Spielen abgelenkt ist. Die SPD möchte eine Erhöhung der Parteienfinanzierung durchwinken lassen. Guter Kurz-Text dazu von Susanne Gaschke bei Welt.de.)

Ich glaube an den steten Tropfen des besseren Arguments. Ich glaube an die positive Kraft des alltäglichen Gartenzaungesprächs. Die Stimmung der Gesellschaft, weg von Ideologie, hin zum Leben wird Nachbar für Nachbar gedreht.

Leser schreiben mir, dass meine Formulierungen ihnen helfen, ihre Gedanken auf den Punkt zu bringen. Ich entdecke meine Formulierungen in Zeitungen wieder – und nicht nur dort. Das freut mich, denn das ist meine Arbeit. Ich schreibe jeden Tag dafür, dass es morgen besser wird – ich richte mich aber darauf ein, dass es noch einige Jahre dauern könnte.

Arbeitet daran, dass der Verstand nach Berlin zurückkehrt; doch wisst, dass es noch einen Monat oder noch ein Jahrzehnt dauern kann. Verbessert eure Technik- und Medienkompetenz. Lernt politische Sprache und Grundlagen des Marketing. Übt euch in Moderation und Video-Produktion. Bildet Netzwerke, die auch dann funktionieren würden, wenn euch via Zensur-Gesetzen wie »NetzDG« der Social-Media-Account gekappt würde. Arbeitet dafür, dass Deutschland wieder ein sicheres Land mit Perspektive wird, statt nur der zahlende Depp vom Dienst, wo man abends besser nicht in den Park geht; doch wisst, dass die Rückkehr zur Hoffnung anders aussehen wird, als ihr sie jetzt vor Augen habt.

Es wird besser werden; doch wir kennen weder Weg noch Stunde. Dieses Schiff treibt auf Klippen zu. Der Kapitän will die Klippen aussitzen. Um die Klippen herum liegen die Trümmer andrer Schiffe, drei Lagen hoch.

Richtet euch darauf ein, dass es ein weiteres Jahrzehnt dauern kann, bis ein neuer Kapitän einen neuen Kurs setzt – und arbeitet mit all eurer Kraft daran, dass es schon morgen geschieht!

Weiterschreiben, Wegner!

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