Der Meister und ein Schüler gingen zwischen den Feldern.
Sie sahen einen Ochsen, der zog seinen Pflug gerade. Dieser Ochse war stark und sein Joch schien ihm leicht.
Auf dem nächsten Feld war ein Ochse, der zog seinen Pflug in krummen Linien. Der Ochse war schwach und trug schwer an seinem Joch.
Der Meister fragte: »Welcher Ochse ist mehr zu bewundern?«
»Natürlich der, welcher gerade Furchen zieht«, sagte der Schüler.
»Nein«, sprach der Meister, »der schwache Ochse ist zu bewundern, denn seine Schultern sind schmal und seine Last ist schwer.«
Der Schüler nickte.
Der Meister fragte: »Von welchem Ochsen sollen wir lernen?«
»Von dem schwachen Ochsen«, sagte der Schüler vorsichtig, »denn er wendet größere Mühe auf.«
»Nein«, sprach der Meister wieder, »wir sollen vom starken Ochsen lernen, denn er zieht gerade Furchen!«
»Schließung Jan – Jun 2021«, so lesen wir auf einer Website im Internet, und es ist Deutschland gemeint, und, ja, es geht um Corona, und, ja, ich lese es mit Vorsicht, denn die Kanzlerin hat uns gewarnt, nicht alles zu glauben, was irgendwelche Verschwörungstheoretiker ins Internet stellen. (Die Website ist übrigens bundesfinanzministerium.de, 15.12.2020. Zyniker munkeln, dass die Impfungen und Lockdown sich bis kurz vor die Bundestagswahlen ziehen werden – ein ermüdetes Volk in Angst wählt, was die Propaganda ihm sagt, dass es wählen soll.)
Das neue Jahr beginnt tatsächlich, als wäre 2020 nur sein Auftakt gewesen!
Anfang des Jahres hat die New Yorker Börse drei chinesische Telekommunikationsfirmen verbannt (heise.de, 4.1.2021), womit sie eine Anweisung Trumps umsetzten, wonach US-Bürger nicht in Firmen investieren dürfen, die auch für die Chinesische Armee arbeiten. Es sollte nicht lange währen! Kurz vor Einsetzung des greisen Lügners Biden mit den guten China-Beziehungen in der Familie als »Präsident« der USA, wurde die Entscheidung wieder revidiert (bbc.com, 5.1.2021).
Es wäre spannend, zu wissen, was hinter den Kulissen passierte; man hört, dass sich die »guidance« änderte, also der Ratschlag der Juristen. Zyniker dürfen vermuten, dass jener Rat denkbar einfach klang; sinngemäß wohl: »Der Sumpf hat gewonnen, ›Trump‹ und damit ›America first‹ sind vorbei – investiert euer Geld in China! Lang lebe die Partei!«
Eine andere Angelegenheit, in der nicht nur wir »kleinen Leute« wirklich gern hinter die Kulissen schauen würden, ist der aktuelle Aufenthaltsort von Jack Ma. Zur Erinnerung: Jack Ma ist Mitgründer der Alibaba Group, zweitreichster Chinese und aktuell siebzehntreichster Mensch der Welt (laut forbes.com, abgerufen 5.1.2021). Am 24. Oktober 2020 wagte Jack Ma es (damals noch der reichste Chinese…), im Rahmen einer Rede in Shanghai die Regulierung der chinesischen Regierung zu kritisieren – und seitdem wurde er nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen (yahoo.com, 3.1.2021), selbst sein Twitter-Account ist seit zwei Monaten verwaist (@JackMa, Stand 5.1.2021). Niemand weiß, was genau passiert ist, doch alle vermuten, dass es mit der Kommunistischen Partei Chinas zu tun hat. Alleine dass so viele Beobachter davon ausgehen, dass selbst Superreiche wie Jack Ma nicht vor der Kommunistischen Partei sicher sind, wenn sie diese kritisieren, zeigt deren Macht. Ich müsste lügen, um zu bestreiten, dass ich manchen plötzlichen Kotau westlicher Politiker vor China zu verstehen beginne – auch sie sind Menschen, irgendwo unter ihrer Schale aus Lügen, Intrigen und hohlen Phrasen, und sie könnten dieser Tage schlicht blanke Angst spüren. Donald Trump war der Einzige, der »wahnsinnig« genug war, China die Stirn zu bieten – tja.
Mir würden eine Reihe von Metaphern für unsere Situation heute einfallen. Wir könnten vom Seemann reden, der die Orientierung auf dem Meer verliert, weil ein magnetischer Sturm seinen Kompass verwirrt. Wir könnten uns als Menschen verstehen, die plötzlich blind wurden wie die Figuren in José Saramagos »Stadt der Blinden«. Es wäre alles nicht falsch, doch ich will einen Schritt weiter gehen.
Das »Fundament, auf dem Europa steht, wackelt« (Essay vom 6.10.2019). Wo eben noch die Paläste unserer Gewissheiten und die Wolkenkratzer unserer Hoffnung standen, ist plötzlich nur noch Ackerland, es ist steinig und von unbekannter Fruchtbarkeit, und wir Ochsen geben unser Bestes, eine gerade Furche zu ziehen.
Ja, wir sind wie der Ochse, der sein Bestes gibt, um in einem steinigen Acker eine gerade Furche zu ziehen. Ich bin mir in keinem einzigen Augenblick sicher, dass meine Arbeit sich wirklich als gut erweisen wird, sei es die private und oder die öffentliche. Wann weiß der Ochse denn, dass er die Furche gerade zog? Doch nicht zu Beginn der Arbeit, doch auch nicht mittendrin!
Am 20. Januar 2021 wird Xi Jinping via Joe Biden der vorläufig inoffizielle Präsident der USA, und man könnte es dereinst in den Geschichtsbüchern als den Punkt notieren, an welchem Chinas Aufstieg zur einzigen Supermacht unumkehrbar wurde.
Etwa einen Monat später, am 21. Februar 2021, beginnt dann das chinesische Jahr des Ochsen.
Der Ochse steht symbolisch für Kraft, Ausdauervermögen und Geradlinigkeit. Der Ochse hat seinen Geist und seine Gefühle im Griff, sein Blick ist aber auf sein Ziel gerichtet, wohin er eine gerade Furche zieht, ob die Sonne scheint oder Wolken den Himmel verdunkeln, ob der Wind bläst oder der Nebel einem die Sicht nimmt. Der Ochse als Mensch ist einer, der eine Familie gründet, seine Schulden bezahlt und dann die Früchte seiner Arbeit genießt. Der Ochse weiß den Acker zu bestellen, und das Glück ist ihm hold, denn er hat harte Arbeit geleistet.
Niemand bezweifelt mehr, dass China weltweit »ackert« – und zwar auf den Feldern, auf die es wirklich ankommt. Es gilt, von China zu lernen, auch und besonders in der so wichtigen Kunst der Beharrlichkeit,
Ich wünsche uns Kraft wie ein Ochse, und dazu etwas Glück! Möge es uns gelingen, gerade Furchen in einem steinigen Acker ziehen.