11.01.2017

Kampa 2017

von Dushan Wegner, Lesezeit 8 Minuten, Foto von Hai Nguyen
Erstens: Jeder einzelne der Vorstöße gegen kritische Medien lässt sich als Angriff auf Demokratie und Freiheit deuten. Und zweitens: Es sind allesamt Ideen und Initiativen aus dem Umfeld der Bundes-SPD, plus der von der SPD besetzten Ministerien.
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Dieser Text erschien zuerst am 11.01.2017 bei tichyseinblick.de.

Was haben Vorratsdatenspeicherung, Facebook-Überwachung, Wahrheitskommission, Legalisierung von Kinderehe, NoHateSpeech, Scharia-Verständnis, Annäherung an Saudi Arabien, Islamisten-Bekämpfung mit Augenmaß, Boykott-Kampagnen gegen kritische Medien und Denunzierung der Oppositionswähler bei Arbeitgebern gemeinsam?

Wissen Sie es? Na? Ich helfe Ihnen gern.

Zuerst einmal: Jeder einzelne dieser Vorstöße lässt sich als Angriff auf Demokratie und Freiheit deuten. Und, zweitens: Es sind allesamt Ideen und Initiativen aus dem Umfeld der Bundes-SPD, plus der von der SPD besetzten Ministerien.

Ich möchte mit Ihnen, auch aus aktuellem Anlass, über eine Teilmenge davon sprechen. Wir müssen reden über die immer aggressiver geführte Kampagne gegen regierungskritische Medien.

Kampagne

Der Duden schlägt als Definition für »Kampagne« vor: »gemeinschaftliche Aktion für oder gegen jemanden, etwas (bei der ideologische, politische Ziele im Vordergrund stehen)«.

Der Duden verlangt interessanterweise nicht, dass eine Kampagne zentral gesteuert sei, um eine solche zu sein. Es ist wohl impliziert. Was sonst würde eine Kampagne von einem sich selbst findenden »Mob« unterscheiden?

Bei der Kampagne nun, von der ich heute reden will, ist es völlig egal, ob sie zentral gesteuert wird oder ob sie sich spontan bildete. (Ich denke, es ist eine besondere Art »ideeller Steuerung«, doch der Effekt bleibt derselbe.) Betrachten wir einige Aspekte!

Eigenschaften

Im Vorlauf des Wahlkampfs zum Bundestag 2017 finden gehäuft Maßnahmen und Aktionen statt, die zwei Eigenschaften verbindet:

1. Sie richten sich gegen Meinungs- und Pressefreiheit, indem sie…

1.1. regierungskritische Meinungen via Vernichtung wirtschaftlicher Grundlage ausschalten wollen, oder

1.2. Zensurmechanismen in sozialen Medien einzurichten planen, oder

1.3. Vorgaben für »akzeptable« und inakzeptable Formulierungen (Neusprech: »Hass«) erstellen, oder

1.4. »offizielle« Wahrheit festlegen und davon abweichende »FakeNews« unter Umgehung des Rechtswegs zensieren möchten.

2. Sie werden häufig aus dem Dunstkreis der SPD heraus lanciert.

Diese Maßnahmen werden begleitet von einem rhetorischen Teppich, der bei kursorischer Rezeption eine Legitimation für berufliche Vernichtung des politischen Gegners liefern könnte.

Betrachten wir einige Maßnahmen!

Hensel und Richel

Gerald Hensel ist ein politisch aktiver Digital-Stratege. Im November 2016 kündigte er seine Absichten für das kommende Wahljahr an. Er spricht über Front National und über AfD, und sein Fachurteil lautet: »Da mutiert etwas.« – und Donald Trump ist für ihn ein »obskurer Milliardär«. Seine Boykott-Kampagne gegen Achse des Guten und andere unabhängige Medien ging bekanntlich nach hinten los. (Er findet aber Trittbrett-Fahrer, die ihm nacheifern, der Freiheit vors Schienbein zu treten.)

Interessant an der Sache ist aber: In Berlin lechzen alle Agenturen, also auch Hensels (inzwischen: »ehemaliger«, mal sehen wie lange) Arbeitgeber »Scholz & Friends« nach dem Riesen-Etat zur Bekämpfung falscher Meinung (Neudeutsch: »Rechts« oder »Hass«), den das Familienministerium zur Bundestagswahl verteilen wird. (Jeder Berliner Dackel bellt an der Ecke, dass diese Kampagnen sich gegen die AfD richten. Habe ich so gehört, aber wer versteht denn schon, was das Bellen der Dackel uns sagen soll?) Und die Familienministerin Manuela Schwesig ist Mitglied der SPD. Nun gut, ist ein Zufall, alles weit hergeholt. Kein Grund, am demokratischen Kompass der SPD zu zweifeln. Sie kann ja nichts dafür, wer sich für den Etat ihres Ministeriums zu bewerben scheint.

Im Jahr 2017 versuchte sich dann auch Herr Mathias Richel am Online-Aktivismus gegen kritische Medien. Auf Twitter postete er mit Pathos und in Worten, die er größtenteils beherrschte, seine Kündigung des XING-Accounts. Dazu der ermunternde Aufruf: »Kurz und schmerzlos, das könnt ihr auch.« Ein Boykott, if there ever was one. Sein Ziel: XING zu bewegen, sich von Roland Tichy als Herausgeber zu trennen. Seine Erpressung schien erfolgreich. Die tatsächlichen XING-Kündigungen waren kaum spürbar, doch auf XING und Tichy prasselten Drohungen ein. Roland Tichy legte den Posten von sich aus nieder, um Schaden von XING abzuwenden. Der Zorn der Linken richtete sich ja gegen ihn, nicht gegen das Netzwerk.

Und jetzt wird die Sache wieder pikant: Mathias Richel schwebt keineswegs im politisch luftleeren Raum. Er ist kein bloßer »besorgter Bürger«. Richel war 2013 im Willy Brandt Haus für die SPD als Online-Aktivist tätig, aktuell ist er unter anderem mit D64 verbunden, dem SPD-nahen Digitalverein. Und ebenso wie Gerald Hensel hat auch Mathias Richel einen Plan für das Wahlkampfjahr 2017. Seiner ist immerhin von Michael Moore inspiriert. Richels Plan ist länger, Sie können ihn selbst nachlesen. Zwei Perlen daraus: »Jedes einzelne Bundestagsmitglied, das sagt, man müsse auf die AfD und Pegida zugehen und sich deren Argumente zu eigen macht, muss in einem Sturm aus Scheisse stehen.« »Es gibt eine Mehrheit links der Mitte im Land und alle, die in Zukunft diese realistische Mehrheitsbildung im Vorfeld ausschließen, gehört die Stimme entzogen.« (Für alle Richel-Zitate gilt: [sic])

Abgeordnete in einen »Sturm aus Scheisse« stellen? Diesen oder jenen gehört »die Stimme entzogen«? Besonders demokratisch hört sich das für mich nicht an. Auch der Rest nicht.

Aber jeder kann mal »mausrutschen«, und sei es viele Absätze lang. Doch spätestens wenn er sich auf seinem Blog dazu bekennt, die Autoren missliebiger Kommentare bis in die Schulen hinein zu verfolgen, wird es haarig.

Okay, das kann alles Zufall sein. Ein zu eifriger SPD-ler. Ein Genosse, auf der Suche nach Gerechtigkeit. Aber Moment. Herr Richel arbeitet für die Agentur TLGG, und zu deren Kunden zählt das Wirtschaftsministerium. Im Wirtschaftsministerium sitzt derzeit wer? Wichtige SPD-ler, unter anderem Sigmar Gabriel. Und Matthias Machnig. Letzterer ist »Erfinder« der berüchtigten »Kampa«, des SPD-Wahlkampfs nach US-Vorbild. Machnig ist vermutlich glücklich ausgelastet mit seiner Arbeit als Staatssekretär und hat keine Ambitionen, einen harten, halbverdeckten Online-Wahlkampf im Trump-Stil zu führen. Allerdings wäre das eine glatte Verschwendung seiner Fähigkeiten. Denn eigentlich ist er kein besonders qualifizierter Wirtschaftler; auch zum ranghöchsten Beamten hat er sich weder hochgedient noch qualifiziert. Er ist ein ziemlich kluger Mann und begabter Kampagnenschmied im Dienste seiner Partei. Und bekanntlich lässt die Katze das Mausen nicht und Beamte hat Gabriel in seinem Ministerium ohnehin genug. Wem will Herr Richel gefällig sein? Ich will keine Motive unterstellen. Um Renate Künast zu zitieren: »Fragen!« – Es wäre nur der Ordnung halber gut für den demokratischen Stil, wenn Herr Machnig sich von solchen Machenschaften distanzierte.

Herr Hensel und Herr Richel sind aber nicht allein. Gestern etwa fiel mir die Bundestags-Abgeordnete Saskia Esken auf. Sie ist Mitglied der – ach, Sie wissen schon welcher Partei. Und Sie hatte Air Berlin angemotzt, man möge keine Werbung mehr auf Breitbart schalten. Ohne Begründung, einfach mit Hinweis auf das anonyme Boykott-Projekt »Sleeping Giants«. Einen Tag später beugte sich Air Berlin. Das Wording: »FYI, blacklist ist angeordnet. VG Mario« – Die »neue SPD« würde mir Angst machen, wenn ich wüsste, dass es noch mehr Genossen gibt, die betreiben, was Frau Esken betreibt.

Liebe SPD, Ihr demokratischer Kompass ist bestimmt intakt, aber vielleicht wollen Sie bei ihren Wahlkämpfern und, ja, auch einigen Abgeordneten!, die Aufhängung der Kompassnadel neu ölen. Da hakt es gerade stellenweise.

Herr Maas

Aber gut, die SPD-Connection des Herrn Hensel war bemüht und die SPD-Connection des Herrn Richel war gewiss Zufall.

Reden wir über Herrn Maas. Der ist doch zweifellos SPD. (Obwohl einige Genossen das auch bei Herrn Maas gern bestreiten würden.) Es war Herr Maas, der einst gesagt hatte, Vorratsdatenspeicherung sei unvereinbar mit dem Grundgesetz – und sie dann einführte. Seit vielen Monaten nun arbeitet Maas darauf hin, Online-Medien insgesamt und Facebook im ganz Speziellen an die Online-Kandare zu legen. Sein Kampf gilt »HateSpeech« und den »FakeNews« – beides weit weg davon, juristisch definierte Begriffe zu sein. Maas träumt von der Wahrheitskommission. Dabei stammte eine der tödlichsten »FakeNews« dieser Legislatur-Periode eben von ihm.

Es war Maas, der im November 2015 sagte, es bestünde kein Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und Terrorismus) – während bereits im September 2015 gegen Terrorverdächtige in Flüchtlingshäusern ermittelt wurde.

Der demokratische Kompass der SPD existiert gewiss, aber ich bin nicht sicher, ob Herr Maas nicht den seinen irgendwo verlegt hat. In so einem Ministerbüro kann es ganz schön chaotisch zugehen.

Familienministerium

Doch unser Justizminister ist nicht allein. In seinen politischen Zielen scheint er sich bestens mit Frau Manuela Schwesig zu verstehen.

Frau Schwesig haben wir bereits kennengelernt als Auftraggeberin der zig Millionen schweren Kampagne »Demokratie leben!«. Diese Kampagne gilt unter den Spatzen von Berlin als Anti-AfD-Kampagne, aber wer weiß schon genau, was das Gepiepse der Spatzen so bedeutet?

Die Kampagnen der Frau Schwesig inkludieren spannende Projekte wie das sektenartige »NoHateSpeech«. »NoHateSpeech« aber schlägt auf alles ein, was nicht regierungskonform Hurra schreit.

Fazit

Wahrscheinlich sind das alles nur Zufälle. Wahrscheinlich hat nichts davon mit irgendwas zu tun, wie heute so oft.

Sollte doch etwas mit etwas zu tun haben, würde ich die SPD inständig bitten, diese experimentelle »Kampa 2017« bald wieder abzublasen. Sie haben Angst vor »AfD über 25%«. Ich auch. Es wäre eine Revolution und diese Revolution wäre nicht minder »messy« als alle anderen Revolutionen. Doch was Sie treiben, ist »Selbstmord aus Angst vor dem Tod«. Sie fürchten, dass die AfD die Demokratie beschädigt. Doch im Moment wären Sie es, die mit Hammer und Sichel die Grundpfeiler der Freiheit malträtiert.

Doch ich gehe davon aus, dass dies alles »Einzelfälle« sind. Liebe SPD, pfeifen Sie ihre Mitglieder und Sympathisanten zurück. Sie werden die Wahlen ohnehin nicht gewinnen. Sie und ich wissen, dass Merkel so lange regieren wird, wie sie, ARD und ZDF es wollen. Sie könnten es aber vermeiden, in die Geschichtswikis einzugehen als diejenigen, deren Wahlkämpfer der Unfreiheit den Weg bereiteten.

NACHTRAG

Liebe Leser, danke für Ihre Kommentare, für Lob und für Anmerkungen! Ich habe auch die Kritik an meiner Einschätzung des Effektes von »>25% AfD« sehr genau gehört.

Erlauben Sie mir bitte zwei Anmerkungen:

1. Ich bleibe respektvoll bei meiner Einschätzung. So ein Ergebnis würde den Parlamentsbetrieb erstmal auf den Kopf stellen. Wir reden wohlgemerkt von einer Partei, die niemand, größtenteils auch sie selbst nicht, für eine Rolle in der Regierung bereit sieht. Niemand kann vorhersagen, wie sich Politik danach aufstellte. Und was niemand vorhersagen kann, das macht mir Angst, da bin ich offen mit Ihnen.

2. Ich darf uns allen einmal auf die Schulter klopfen. Es hat mich sehr gefreut, zu sehen, wie viele von uns sagten: »X stimme ich zu, aber Y lehne ich ab, und hier ist wieso…« – Das ist Debatte und Meinungsvielfalt. Ich werde Ihnen nicht nach dem Mund reden. Sie werden mich kritisieren. Ich lese Ihre Kritik und bedenke was Sie sagen. So werden wir zusammen hoffentlich klüger.

Gerade in diesen Tagen, wo Freiheitsfeinde jede freie Debatte unterbinden möchten, weiß ich unseren Austausch hier zu schätzen!

Weiterschreiben, Dushan!

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