Es ist einfach, lautstark zu fordern, was dem Menschen angeboren ist. Man wird lauten Applaus ernten, wenn man sich stark macht für das, was die Leute sowieso begehren. Schützt die Natur! Fleisch für alle! Weniger Arbeit!
Wer etwas fordert, das selbstverständlich erscheint, der muss nicht begründen, warum er es fordert. »Schützt die Kinder!« – wer dafür eine Begründung fordert, ist der nicht ein Barbar?!
Warum aber tun Journalisten so etwas? Es ist einfach: Wer viel Applaus bekommt, der macht Karriere. Wer allzu oft Gegenwind bekommt, der wartet bald vergebens auf Rückrufe. Sie werden von einem erfolgreichen Journalisten nie einen wirklich neuen Gedanken lesen.
Letzte Woche hatte bei einer bekannten Wochenzeitung eine Journalistin gewagt, einen neuen Gedanken zu denken. (siehe zeit.de, 12.7.2018) Ihre Kollegen fielen über sie her wie Boko Haram über einen Apostaten. Auch die Zeitung hat Angst vorm eigenen Mut bekommen. Jetzt schreiben Herren, teilweise bereits über ihr auf der Karriereleiter, von Empathie und Moral, als ob sie wüssten, was die Worte bedeuten. Sie hat argumentiert wie eine Erwachsene. Ihr Chef argumentiert jetzt zurück, mit Küchenpsychologie aus der Plätzchenform und ganz viel Rauch von billigen Räucherstäbchen.
»Gewiss kann man sich moralische Kälte antrainieren. Doch wer das tut, sollte sich nicht wundern, wenn er den Empathie-Schalter auch dann nicht mehr findet, wenn Mitgefühl gebraucht wird.«
– @berndulrich, 18.7.2018
Es triggert so schön. Es bekommt schon jetzt Applaus. Hach, endlich sagt mal wieder einer, was sich ohne Nachdenken fühlen lässt, statt immer nur Kontext und Konsequenzen aufzuzeigen! Widersprüche und Widerlegungen, ist das nicht, was diese Populisten tun?
Solche Argumentation – er und dies stehen ja nur stellvertretend – hat kaum das Niveau einer Ethik-Stunde in der Quinta oder auch nur Sexta, doch es bringt Applaus von all jenen, die gerne gut wären, ohne für die Folgen ihres Handelns geradestehen zu müssen. Mit Applaus macht man Karriere. Der kindische Großethiker hat es weit gebracht und er wird es noch weiter bringen – die Frau aber, die einmal selbst dachte und damit nur kurz durchkam, wohl eher nicht so.
Diese Leute machen Karriere, indem sie Applaus triggern.
Unsere Aufgabe, als Leser, ist es, uns nicht »triggern« zu lassen. Lasst euch nicht zur Wut triggern – aber auch nicht zum Applaus!
Sucht die Argumente, die euch widersprechen. Ich bin gern der Mensch, der die Gegenargumente sucht, auch wenn der Weg steiniger und der Gegenwind beißender ist.
Hier ist die Liste meiner Essays: www.dushanwegner.com/liste
Wenn Sie mir in allem zustimmen und nirgends widersprechen, hören Sie bitte jetzt auf, mich zu lesen, und lesen Sie jemanden, der Ihnen und mir widerspricht.
Automatismus im Denken und Meinen ist ein demokratisches Problem. Wer sich »triggern« lässt – positiv wie negativ – reduziert sich selbst auf einen willenlosen Mechanismus und wird zur Verfügungsmasse der Meinungsmacher.
Je geifernder und emotionaler die Meinungsmacher werden, um so ruhiger und bedachter müssen wir als Leser sein.
Lasst euch nicht triggern!