Ein SPD-Bundestagsabgeordneter, ohne Zweifel ein freundlicher und gutmeinender Mensch, ließ sich gestern mit folgender „magischen Wahrheit“ zitieren:
„Ich bin überzeugt es warten viele junge Menschen auf eine mutige, konsequent proeuropäische, soziale, klimabewusste – ja feministisch ausgerichtete Sozialdemokratie.“
– twitter.de, 26.11.2017
Beim ersten Hören klingt der Satz bloß, als hätte ein unerfahrener Talking-Points-Anfänger die Lösungskarte eines Polit-Bullshit-Bingos vorgelesen. Alles mögliche, was irgendwie „links“ und „social justice warrior“ klingt, ist drin.
Doch dieser Vitrinensatz ist nicht nur eine Perlenkette neulinker Hohlphrasen. Es steckt auch ein tieferes, psychologisches und zugleich philosophisches Problem in diesen wabernden Worten.
Ich möchte dem jungen Herrn eine der Grundregeln anbieten, die ich auch meinen Kindern auf den Lebensweg mitgebe:
Ein Satz wird nicht dadurch wahr, dass du ihn behauptest – oder glaubst.
Ich habe „kreative“ Menschen gesehen, die in den persönlichen Bankrott schlitterten, weil ihnen gesagt worden war, sie müssten nur „an ihre Idee glauben“, dann würde ihr Geschäftsmodell schon florieren. Markt und Realität lehrten sie schnell, dass es auch einer Qualifikation, ausreichenden Kapitals und vor allem eines Bedarfs bedarf – Glaube und Behauptung genügen nicht.
Menschen leiden und sterben heute in Europa, weil Politiker und Manipulatoren unserer öffentlichen Debatte (und damit der Politik) den Glauben aufzwingen, dass wenn man es nur sagt, alle Menschen aus allen Kulturen edel und gut seien („politische Korrektheit“). Sie irren. Nur weil ich sage, dass einer nur edle Absichten hat, ist dem noch lange nicht so.
Die Grünen haben sich in eine Rage geredet, in der sie glauben, dass wenn man nur dran glaubt, Windkraft könne Kohle ersetzen, die Physik sich ihrem Glauben schon beugen werde – hat sich nicht einst das Rote Meer geteilt, als Moses die Arme hob?
Nein. Ein Satz wird nicht dadurch wahr, dass ich ihn behaupte – oder glaube. Physik und gesellschaftliche Realität scheren sich wenig darum, wovon ich „überzeugt“ bin. Sicher, ich kann die Realität verändern, doch genau das wird mir garantiert nicht gelingen, wenn ich mit unrichtigen Überzeugungen beginne.
Manche politische „Wahrheit“ erinnert in ihrer Beziehung zur Realität an die alte Satire, wo der Schiffsoffizier per Funk den Leuchtturm auffordert, ihm gefälligst auszuweichen.
Ich sage es oft und ich sage es hier wieder: Im Kampf zwischen Überzeugung und Realität gewinnt am Ende die Realität – immer.
Es ist meine Aufgabe, meine Überzeugungen an die Realität anzupassen.