Dushan-Wegner

21.12.2020

Nicht mit diesen Töchtern

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Foto von Juli Kosolapova
Deutschland holt IS-Frauen aus Syrien zurück. Diese Frauen schlossen sich dem IS an, weil ihnen in Deutschland wohl Werte, Struktur und vermutlich Familie fehlten – werden sie die denn finden, wenn sie zurückkehren?
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»Deutschland holt mehrere IS-Mitglieder aus Syrien zurück«, so erfahren wir aktuell (welt.de, 19.12.2020), und, etwas präziser: »Bundesregierung holt deutsche ISIS-Frauen aus Nordsyrien zurück« (bild.de, 19.12.2020) – es ist zweifellos eine Meldung, die unser Blut köcheln lassen könnte.

»Diese Leute«, so war nicht nur meine erste Bauchreaktion, »diese Leute haben sich vom Westen losgesagt. Diese Leute sind nach Syrien gezogen und schlossen sich einer Mörderbande an. Lasst sie doch dort!«

Wir reden von Deutschen, die uns als »Ungläubige« betrachten und womöglich nur gelangweilt mit den Schultern zucken würden, wenn man uns den Kopf mit der Machete abtrennen würde – warum sollen wir diese Personen nach Deutschland zurückholen? (Und wahrscheinlich ein Leben lang versorgen – wer würde sie denn einstellen?)

Ich verstehe jeden, der »lasst sie doch dort!« ruft, und mein Gerechtigkeitsgefühl klingt nicht unähnlich.

Doch dann wird mir ein weiterer Kontext bewusst, eine andere »mögliche Welt«: Wenn irgendwas in meinem Leben ganz furchtbar schief gelaufen wäre, könnte eine dieser Damen auch meine Tochter sein.

Was, wenn durch einen Schicksalsschlag Elli und ich nicht mehr in der Lage wären, unsere Kinder ins Leben zu begleiten – oder wenn wir nicht mehr bei Sinnen wären, und wenn dann durch unglückliche Umstände unsere Kinder in die falschen Kreise gerieten? Wem ein günstiges Schicksal beschert war, wem in Kindheit und Jugend sein Rücken und seine Moral gestärkt wurden, der könnte glatt vergessen, wie leicht beeinflussbar er in jener Zeit war. Wenn du heute ein anständiger Mensch bist, dann ist das nicht nur dein Verdienst – deine verschiedenen Erzieher, dein soziales Umfeld und deine dir angeborene Gehirnchemie legten erst das Terrain, innerhalb dessen sich bilden konnte, was du heute deinen Willen und dich selbst nennst.

Die Umstände und Prioritäten jener Rückholung sind, wie für das Merkel-System typisch, tendenziell »spannend«. Während das deutsche Inland ins Corona-Chaos gleitet, während die Regierung sich gar nicht mehr drum schert, ob sie öffentlich als Lügner dasteht (plötzlich ist es notwendig und möglich, Grenzen zu schließen, gestern war es noch nicht notwendig und möglich – morgen wird es wohl wieder andersrum sein), hat es doch etwas auf zynische Weise Beruhigendes, dass die Prioritäten des Merkel-Systems stabil bleiben: Menschen nach Deutschland holen, die den Westen und seine (einstigen?) Werte abgrundtief hassen.

Die Abholung allein ist (inzwischen) nicht mehr das, was mich am ärgsten irritiert. Da ist noch etwas Anderes, etwas Grundlegenderes.

Wenn die IS-Frauen und ihre Kinder mit teuer gecharterten Flugzeugen auf Kosten der sprichwörtlichen steuerzahlenden Krankenschwester aus dem Terror-Abenteuerurlaub nach Deutschland zurückgeholt werden, kehren sie ja nicht in ein Land mit stabilen Werten und selbstbewusster Lebensphilosophie zurück!

Man wird sie vermutlich in die Obhut linksgrün geprägter Sozialarbeiter geben, man wird sie wieder deutschen Selbsthass und die ach-so-progressive Beliebigkeit lehren. Diese Menschen haben dem Westen den Rücken gekehrt, weil der ihnen keinen überzeugenden Werterahmen bot, weil er sich moralisch im Zustand der Auflösung befindet, weil er keine seelische Heimat mehr sein kann, will und darf.

Für die im IS-Gebiet geborenen und/oder aufgewachsenen Kinder und einige der Frauen ist der »Islamische Staat« die einzige Heimat, die sie jemals als solche empfanden.

»Du hast dich in der westlichen Welt nicht mehr daheim gefühlt«, so sagen die linksgrünen Pädagogen zu diesen Frauen, »und du hast den Westen zu hassen gelernt. Also hast du dich denen angeschlossen, die dir das Gefühl von Heimat versprachen. Dort war es gefährlich und vielleicht haben sie dir den Mann erschossen. Komm halt jetzt zurück, und praktiziere deinen Hass auf den Westen hier weiter, und wir machen bei deinem Hass auf uns sogar mit, und wir nennen das ›Toleranz‹.«

Das eigentliche Problem ist nicht die Rückholung, das Problem ist, dass sie in dieselbe »totale geistige Unordnung« des linksgrünen Propagandastaates zurückkehren, aus der sie einst fortgingen. Wenn der einzige Grund für den Wunsch nach Rückholung es ist, weil man es im Krieg nicht so komfortabel hat, schafft Deutschland sich neue Probleme in gleich mehreren Dimensionen.

Wir werden keine Gesellschaft mit diesen Töchtern bauen, und es liegt nicht (nur) an diesen Menschen, die sich so gründlich im Leben verliefen – und es liegt nicht (nur) an denen. Vielleicht nicht einmal an ihren Kindern – den Kindern war der IS die Heimat! Es wäre nicht überraschend, wenn die aus dem IS-Gebiet geholten Kinder oder auch Frauen recht bald anfangen würden, den »Islamischen Staat« zu idealisieren, und es dem Deutschen Staat negativ anlasten und vorwerfen werden, sie aus dem geholt zu haben, was sie einst ihre eigentliche »Heimat« nennen werden.

Dass diese oft jungen Damen den gefährlichen Männern und deren nicht minder gefährlichen Ideen nach Syrien folgten, dass sie den Westen zu verachten lernten, und mit einiger Wahrscheinlichkeit einiges von der Ideologie behalten werden, auch nachdem die »Ungläubigen« sie aus dem Kriegsgebiet holten, es ist nicht das eigentliche Problem, es ist mehr das Symptom einer tieferliegenden Schieflage.

Ich bezweifele, dass es Deutschland und den Deutschen rechtzeitig gelingen wird, sich selbst wieder Heimat zu werden, um absehbare Desaster noch zu verhindern – wir hätten es schon vor dem Virus gelernt haben müssen, uns selbst die Heimat zu werden, für die man gern mal die Zähne zusammenbeißt.

Welche Werte gelten denn noch in Deutschland außer der Angst, von der Politik zum Bösen erklärt, von der Propaganda fertiggemacht und von der Polizei besucht zu werden? Jedes einzelne Mal, wenn die Politik unzufriedene Bürger zu ihren Gegnern erklärt, die Propaganda gegen kritische Meinung agitiert oder ein braver Bürger zusammenzuckt, wenn er die Polizei sieht und Strafen wegen irgendwelcher Corona-Gebote fürchtet, wird die innere moralische Schwäche des Merkel-Staatsfunk-Systems offenbar.

Erwartet nicht, dass die-da-oben euch eine Heimat und ein Zuhause geben – die da oben haben wenig Interesse daran, dass ihr euch »daheim« fühlt – der unsichere, heimatlose Bürger ist so viel leichter steuerbar!

Ich schreibe diese Zeilen wenige Tage vor Weihnachten 2020. Es war ein Jahr, in welchem uns nicht nur unsere Heimat, sondern die Welt insgesamt fremd wurde.

Elli und ich werden unser Bestes geben, dass unsere Kinder gerade in diesen Tagen, wenn man aufeinander hockt, etwas Heimat- und Zuhause-Gefühl erleben.

Gestern haben Elli und die Kinder leckere Plätzchen gebacken. Ich habe mir vorgenommen, die alten Weihnachtslieder neu am Klavier einzustudieren. Ja, ich werde dieses Jahr wieder Lukas 2 vorlesen, nicht weil die Kinder »dran glauben müssen«, sondern weil sie sich zu Weihnachten zumindest daran erinnern sollen, worum es überhaupt geht!

Heimat beginnt daheim – und Heimat »passiert nicht«, sie ist das Ergebnis von Arbeit. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen also, liebe Leser, frohes Schaffen!

Weiterschreiben, Wegner!

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