Ich bitte um Vergebung, denn ich habe versagt. Mea culpa und meine Schuld. Kommen wir, ohne große Vorrede und weitere Prolegomena, gleich zur Sache. Ich will und werde mich kürzestmöglich fassen, und ich erwarte in solch’ drängender Angelegenheit auch fürwahr keine weitere Geduld.
Nun denn: Am 5. Oktober 2023 schrieb ich den Essay »Hinweise zur Schifffahrt auf Parkseen (Prolegomena)«.
Damals war ich noch naiver als heute. Wenn man’s bedenkt, so ist ein jeder Mensch an einem jeden Tag naiver als an folgenden Tagen. Außer wenn er alterssenil wird. Ab da wird er mit jedem Tag wieder naiver, kindlicher und so auch anfälliger für Enkeltrickbetrüger, Wärmedeckenverkäufer und in schlimmen Fällen auch die CDU. Ich auf jeden Fall war damals noch naiver als heute, und ich war wohl auch höflicher als heute – ich siezte euch damals sogar noch. (Mit der Naivität gegenüber den Menschen legt man bisweilen auch die Höflichkeit ihnen gegenüber ab. Ich bitte Sie um Verständnis.)
Vor diesen »Hinweisen zur Schifffahrt auf Parkseen (Prolegomena)« schrieb ich zur Einleitung dies: »Wann waren Sie zuletzt mit einem Boot auf einem Parksee unterwegs? Diesen Sommer? In der Kindheit mit Ihrem Vater? – Erzähle mir von der Schifffahrt auf Parkseen, und ich sage dir, wer du bist.«
Eine soziologisch-psychologische Prämisse dieser Einleitung zu den Prolegomena war, ihr habt es gehört, dass sich von der Schifffahrt auf Parkseen – ja schon vom persönlichen Bericht darüber! – schließen ließe auf große philosophische Fragen wie: »Wer bist du?« und: »Wie bist du geworden, wie du bist, und auf wen schiebst du die Schuld dafür?«
»Das Befahren eines Parksees«, so begann jener Text, »wie man es bisweilen in der Freizeit tut, unterscheidet sich in wichtigen Punkten von der beruflichen Schifffahrt auf Meeren und Flüssen.«
Hier liegt bereits mein erstes Versagen vor. Ich unterschied zwischen der privatvergnüglichen Schifffahrt auf Parkseen und der beruflichen auf Meeren und Flüssen.
In dieser Unterscheidung aber klafft eine Lücke, für welche ich mich schäme und gräme, eine Lücke, ob derer mein Gewissen nun meinen Geist geißelt. Die Lücke aber war die private Schifffahrt auf Flüssen.
Es folgt sogleich meine zweite Schmach: Ich versäumte, euch hinzuweisen auf die Pflicht von Namen auf Booten auf Flüssen im Spreewald.
Ich weiß, was ihr an dieser Stelle ruft: »Sei nicht so streng zu dir, Dushan, du hast ja nur die Prolegomena zu den Hinweisen zur Schifffahrt auf Parkseen geschrieben – ‘s ist nur ein Beginn. Die Namenspflicht für Boote auf Flüssen im Spreewald hättest du in einem späteren Kapitel ausarbeiten können.« – Doch wem gaukeln wir hier etwas vor? Alles, was ist, muss beginnen, um zu sein, außer dem, das ohne Anfang ist, und ein Boot ist das nicht, und was beginnt, ob Mensch oder anderes, muss zuerst einen Namen tragen, auch Schlauchboote, die auf des Spreewalds Wassern schaukeln. Ein Bericht über privatvergnügliche Schiffahrt hätte mit der Namensgebung beginnen müssen.
Der beliebteste Jungenname in Deutschland (siehe tagesschau.de, 7.5.2024) ist übrigens »Noah«. Ihr erinnert euch: Noah war der mit der Sintflut und der Arche (1. Mose 7), also ein Kapitän. Noah war übrigens auch der Erste, der einen Weinberg pflanzte, und sich dann derart grandios am Wein besoff, dass es in der Bibel steht. Respekt, das muss man erst mal hinbekommen!
Wenn Noah deutschlandweit der beliebteste Jungenname ist – in Toleranzhochburgen mag sich das anders verhalten –, dann dürfen wir eine Generation von Parkseekapitänen mit Alkoholproblemen biblischen Ausmaßes erwarten. Sei’s drum, die Hauptsache ist, dass all die neuen Noahs ihre Schlauchboote und Aufpustetiere ordentlich mit einem Namen versehen.
Ihr denkt, ich scherze? Bei meinem Herze, das fiele mir niemals nie nicht ein! Wie mir wohl auch die Pflicht von Namen von Schlauchbooten im Spreewald nicht einfiel.
Es ist eine reale Nachricht dieser Woche und wohl auch dieser surrealen Zeit. Ich zitiere bz-berlin.de vom 2.9.2024: »55 Euro Strafe für Jonas S. (25) aus Friedrichsfelde. Der Grund: Sein aufblasbares Schlauchboot hat keinen Namen – und das ist auf den Flüssen im Spreewald verboten.«
Es wird die Polizei Brandenburg zitiert: »Boote ohne amtliches Kennzeichen müssen außen einen Namen und innen die Adresse des Eigentümers tragen.«
Als »Boote« zählen übrigens auch aufblasbare Schwimmtiere, wenn sie für längere Touren verwendet werden.
»Der Staat macht keine Fehler«, so hatte der Kollege der fehlerlosen Annalena Baerbock unlängst erklärt (focus.de, 25.3.2024) – wahrheitswidrig. Selbstverständlich ist auch diese wichtige Pflicht zur Namensgebung fehlerfrei und damit sinnvoll. Der volle Sinn besteht darin, dass die Wasserschutzpolizei oder auch Schleusenwärter den Bootsführer direkt ansprechen können. (Also: »Achtung, ›Unsinkbar II‹, hören Sie gefälligst auf, Böller nach den Fischen zu werfen!«, statt etwa: »Hey, Sie da mit dem roten Schlauchboot und dem ebensolchen Sonnenbrand, cremen Sie sich mal lieber ein!«)
Der Name des Schlauchboots muss nicht offiziell registriert werden. Es genügt, ihn mit einem Marker auf das Boot zu schreiben. Man kann prinzipiell jeden Namen wählen, so verstehe ich das, und damit sich und sein Boot ansprechbar machen.
Ich bitte um Vergebung, dies nicht früher mitgeteilt zu haben: Willst du keine Strafe von 55 Euro bezahlen, wie so’n Verbrecher, dann gib deinem Schlauchboot einen Namen!
Es versteht sich von selbst, bei der Namensgebung die übliche Vernunft walten zu lassen und einen ansprechenden Namen zu wählen – nicht dass sich noch ein richtig Falscher angesprochen fühlt.
Also wählt für euer Boot nicht etwa die Initialen der erwähnten Annalena Charlotte Alma Baerbock. Hätte ich selbst ein Boot oder einen dieser aufblasbaren Schwäne, ich würde mein Wasserfahrzeug nach der Frau vom Habeck ihrem neuen Kinderbuch benennen, und dieses epochale Werk heißt (es ist zum Lachen, aber kein Scherz): »Die besten Weltuntergänge«.
Im letzten Abschnitt jener Prolegomena zu den Hinweisen zur Schifffahrt auf Parkseen schrieb ich diese Denkzeilen: »Sie sehen also bereits, geschätzte Leser, dass die Schifffahrt auf Parkseen ein reichhaltiges Panoptikum bietet, einen metaphorischen Einblick in die besuchende Gesellschaft, ja in die Seelen der Bootsmieter selbst.«
Freunde, Landsleute, Parksee- und Spreewaldflusskapitäne, ich will mich nicht selbst einen »Propheten« nennen (das überlasse ich euch, in den Kommentaren bei YouTube), doch ihr werdet sicherlich bestätigen, dass ein Bußgeld von 55 Euro für die fehlende Namensgebung für ein Schlauchboot im Spreewald gerade in diesen Zeiten einen nicht nur metaphorischen Blick in den Zustand einer Gesellschaft eröffnet.