20.02.2021

»Weil man stur wird, sehr stur mit den Jahren«

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Foto von Benjamin Davies
Merkel will die Welt geimpft sehen. Biden zündelt gegen Russland. Läuft. – Ganz andere Frage: Welches Lied soll man auf Ihrer Beerdigung spielen?
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Einmal zum Grundsätzlichen, geschätzte Leser: Dereinst, lange Jahre nach Ihrem Hundertzwanzigsten, wenn es an der Zeit ist eben diese ganz persönlich zu beenden, welches Lied soll man auf Ihrem Begräbnis spielen?

Ich für meinen Teil habe meine Wahl getroffen (und da dies sonst nirgends festgehalten ist, bitte ich die dann Zuständigen diesen Essay als entsprechende Wunschäußerung zu lesen).

Das Lied, das ich dereinst durch Holz und Polsterung hindurch zu hören wünsche,  ist »That’s Life« von Frank Sinatra, allerdings – und das ist wichtig! – in der Version von Harald Juhnke. (Wenn Sie es vorab hören möchten, können Sie es ja mal auf YouTube suchen.)

Das Original von Ol’ Blue Eyes (hier auf YouTube) ist unbezweifelt mit genial und vollkommen und diversen weiteren Superlativen zu beschreiben, und das stelle ich gar nicht in Abrede!

Sinatras Original ist mir allerdings aus zwei Gründen ein klitzelkleinwenig fremd.

Erstens: Sinatras Original ist derart perfekt, dass ich nicht anders kann, als beim Hören des Liedes immer auch den Genius zu bewundern. Es gelingt mir einfach nicht, nur das Lied zu hören und es so wirklich zu meinem zu machen.

Und zweitens natürlich: So wie Flüche in Fremdsprachen nie so weh tun wie die Flüche in der eigenen Sprache, so ist es auch mit den Sätzen zum Wesentlichen! Die Gänsehaut ist gänsehautiger, wenn es in meiner Sprache gesagt wird.

Wenn Sinatra es singt, singt Sinatra – wenn Juhnke es singt, singe ich.

»When I’m back on top, back on top in June«, so Sinatra, und ich traue es ihm sicherlich zu, doch ich zittere mit Juhnke, ganz und gar nicht sicher, wenn Harald uns versichert: »Wenn der Juni kommt, kommt auch mein Comeback!«

»That’s life, wie es weint und wie es lacht«, so Juhnke in seiner Version von That’s Life, »so wie’s im Leben kommt, wird es mitgemacht.«

Wenn Ihnen das zu »platt« vorkommen sollte, so ist das Ihr gutes Recht, wenn ich dann auch die Frechheit besäße, zu fragen, ob Sie nicht eventuell aus eigener Kurzsichtigkeit auf eine generelle Unschärfe des Betrachteten schließen. (Sie dürfen dann auch weiterhin gern Ihren Lebensrat von Schopenhauer beziehen: »Aristoteles hat die Güter des menschlichen Lebens in drei Klassen geteilt, – die äußeren, die der Seele und die des Leibes. Hievon nun nichts als die Dreizahl beibehaltend…«)

Ja, ich bleibe dabei: »That’s life, wie es weint und wie es lacht, so wie’s im Leben kommt, wird es mitgemacht.«

Diese Zeile scheint zunächst das Heft des Handelns aus der Hand zu geben – doch ist es wirklich Duldsamkeit?

Es wird seinen Grund haben, warum so viele (Erfolg-) Reiche sich einen Sport suchen, bei dem sie gefährlich viele Faktoren »höheren Mächten« überlassen – Segeln, Pferde, Autosport und so fort.

In einer überschaubaren, streng kontrollierten Umgebung kann ja auch der Unmutige seine Schwimmbeckengymnastik treiben – die  wahre Kunst des ganzen Lebens besteht darin, die Welle zu surfen, die du nicht kontrollierst – und das ist, wie ich jene Zeile verstehe: »so wie’s im Leben kommt, wird es mitgemacht«.

Wir lesen die Nachrichten ja schon lange nicht mehr, um zu erfahren, was neu ist – wir lesen die Nachrichten als eine Art von Wasserstandsmeldung regelmäßiger Wellenbewegung des alten, periodisch anschwankenden Irrsinns.

Wir halten unseren Posten im Zirkus, und hoffen, uns nicht allzu übel zum Clown zu machen. »Ich war ein Bettler, ein Playboy, ein Söldner, ein Spieler, ein Clown und ein Kind«, so Juhnke, »Ich war hoch und tief, der Teufel nur weiss, wie ich’s fertig bring…«

Ich habe im Leben große Menschen getroffen, und Menschen, von denen gesagt wird, dass sie klein sind. Niemand von ihnen, ob groß oder klein, niemand war ganz unschuldig an seiner Rolle im Welttheater – doch hat auch niemand seinen Part ganz allein gewählt. Der Bettler wie der Playboy, der Söldner wie der Spieler, der Clown sowieso und ja, sogar das Kind – halb zieht uns die Welt in unsere Rolle hinein, halb geben wir uns ihr hin.

Ich höre dieser Tage die deutschen Minister reden, wie sehr böse Menschen reden, welche die Taten eines Verrückten dem politischen Gegner anlasten – während in Wahrheit die Gesellschaft buchstäblich auseinanderzieht, vor den Folgen linken Wahns fliehend (welt.de, 19.2.2021). Merkel stammelt, die Pandemie sei erst vorbei, »wenn alle Menschen auf der Welt geimpft sind« (und wahrscheinlich will sie Deutschland dafür bezahlen lassen; die ersten einhalb Milliarden sind schon zugesagt, vergleiche tagesspiegel.de, 19.2.2021). Biden zündelt weiter gegen Russland (vergleiche etwa merkur.de, 19.2.2021) und in den USA jubeln derweil die Linken und Lügner, und erfinden eine neue, »gute« Realität (der grabschende Lügengreis behauptet etwa dreist, vor ihm hätte es keinen Covid-19-Impfstoff gegeben; foxnews.com, 20.2.2021), doch es ist ein Sieg der fernen und tiefen Mächte, welchen Trump den Kampf ansagte – und wohl verlor.

Nein, wir verfolgen die Nachrichten nicht aus Freude – wir behalten sie im Blick, um zu verstehen, worauf wir uns einstellen müssen.

Es war selten wichtiger, sich nichts vorzumachen – um in Metaphern zu reden: Es kann passieren, dass ein ruppiger Windstoß unser Boot umhaut, dass unser Pferd uns abwirft, dass unser Reifen bei Tempo 300 platzt, dass die Welle, die wir absurfen wollten, uns verschluckt, einmal durchschleudert und dann – hoffentlich! – wieder am Strand ausspuckt.

»Wenn jeder von mir sagt: Der ist verlor’n«, so Juhnke, »dann steh‘ ich auf und beginn‘ wieder von vorn.«

Warum soll man »wieder von vorn« beginnen? Warum, wenn die Wellen uns erst vom Brett werfen und uns dann vielleicht auch noch eben dieses Brett vor den Kopf hauen?

Wieder aufzustehen ist eine Entscheidung, die wenn sie oft und beständig genug getroffen wird, bald eine Eigenschaft genannt werden kann.

Und wieder: Warum aber soll man neu aufstehen? – Nun: Wenn der Entschluss erst zur Gewohnheit und dann zur Eigenschaft wurde, braucht er wohl keine Begründung mehr – keine neue Begründung zumindest, die nicht schon geliefert worden wäre. Wenn aus dem täglichen Entschluss die tiefe Beharrlichkeit des Charakters wurde, dann muss doch zur Begründung genügen: »Weil man stur wird, sehr stur mit den Jahr’n«.

Wenn ich also dereinst, durch Holz und Polsterung gedämpft, den Juhnke höre, dann werde ich grinsen, und ich werde mitsingen (aber nur leise, damit ich niemanden erschrecke): »Doch ich bleib‘ nie, bleib‘ nie ganz im Dreck. Wenn der Juni kommt, kommt auch mein Comeback!«

Weiterschreiben, Wegner!

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